„Ich mache es mir überall gemütlich“

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Rumänien – Israel – Österreich: das sind die bisherigen Lebensstationen des Musikers Michael Croitoru-Weissman. Derzeit fühlt er sich mit seiner Familie wohl in Wien. Aber das kann sich auch wieder ändern. Von Alexia Weiss

Ellaville steht auf dem Ortsschild am Bahnhof, nur ist es kein richtiger Ort, sondern das Modelleisenbahnuniversum von Michael Croitoru-Weissman. Wer in seine Wohnung eintritt, den empfängt ein Vorzimmer, das, so der Hausherr, an ein Patio erinnern soll. Und hier steht sie schon, die Modelleisenbahn. Der zweite Eyecatcher: die geschnitzten Nussholzmöbel. Sowohl Bahn als auch Möbel hat Croitoru-Weissman selbst angefertigt, dabei ist seine Profession eigentlich eine ganz andere: Er ist Cellist. Und neuerdings auch Ton- und Videoproduzent in seinem Ella Studio. Wer ist Ella, fragen Sie? Ella ist seine siebenjährige Tochter. Seit sie auf der Welt ist, hat sich im Alltag des Musikers so einiges verändert.

Es ist nicht die erste Modelleisenbahn im Leben von Michael Croitoru-Weissman. Die stand nämlich in Bukarest, wo der Musiker 1967 geboren wurde. Schon im Alter von acht Jahren begann er, Cello zu spielen und gewann bald einen nationalen Wettbewerb nach dem anderen, darunter auch 1982 die „Goldene Lyra“, die höchste Auszeichnung des Landes für junge Musiker. Die Familie wollte allerdings nach Israel auswandern – auf legalem Weg. Dass es mit den Papieren klappte, ist auch der Eisenbahn zu verdanken. Denn die nahm jener Mann, der der Familie half, Ausreisedokumente zu bekommen, als Bezahlung. Ellaville schlägt also den Bogen vom Leben mit Kind heute zum Leben als Kind damals.

Die Emigration gelang 1983

Mutter und Stiefvater, Croitoru-Weissmans leiblicher Vater war bereits verstorben, besuchten einen Ulpan, der Jugendliche wurde in eine normale Schule geschickt. Und litt. „Ich habe nichts verstanden. Das war sehr demoralisierend.“ Kurze Zeit später ergibt sich die Möglichkeit, sein Cello-Studium an der Rubin Musik Akademie Tel Aviv bei Uzi Wiesel fortzusetzen. Zuvor besucht aber nun auch er für viereinhalb Monate den Ulpan. Der Wechsel an die Musikschule bringt dennoch einen Schock mit sich. „Ich dachte, dass ich die Sprache beherrsche. Aber im Klassenzimmer habe ich nichts verstanden. Sie haben einfach zu schnell gesprochen.“

„Viele Israelis finden ihren Partner in der Armee. Ich war auch viel auf Streife.“

Doch die Anfangsprobleme geben sich, er findet Freunde, sprachlich geht es immer besser. 1986 dann der Eintritt in die Armee. Drei Jahre muss er dienen und wird im Bereich Waffenreparatur ausgebildet. Weiterhin ist es ihm aber auch möglich, Cello zu spielen. Und hier lernt er auch seine heutige Frau Noa kennen. „Viele Israelis finden ihren Partner in der Armee“, erzählt er. Die Schattenseite: Die erste Intifada läuft. „Ich war auch viel auf Streife.“

Amber Trio Jerusalem

1990 gründet er mit zwei Musikerkollegen das Amber Trio Jerusalem, das allerdings nicht lange in Israel bleibt. Denn auf Einladung des Alban-Berg-Quartetts übersiedelt das Trio zunächst für zwei Jahre nach Wien, studiert hier an der Universität für Musik und darstellende Kunst mit Hilfe von Stipendien der Alban-Berg-Stiftung Wien und der Kulturstiftung Amerika-Israel. Das Trio spielt weiter jede Menge Konzerte – und entschließt sich nach den zwei Jahren, ganz nach Österreich zu übersiedeln. Wien wird nun Ausgangspunkt für die Tourneen, die Croitoru-Weissman nach ganz Europa, Nordamerika, Mexiko, Kanada führen. Und auch als Cellist bei Auftritten von Timna Brauer kommt er viel herum.

Mit der Geburt seiner Tochter Ella vor sieben Jahren sagt der Musiker dem Tourneeleben Adieu. Das Trio löst sich auf. Leben habe man können von dem, was man mit der Kammermusik verdient habe, sagt der Cellist, „aber nicht gut leben“. Und die Zeiten wurden und werden schwieriger. Doch der Zufall öffnet eine neue Tür: „Ich habe einen Kollegen aufgenommen, eine Tonaufnahme, und das hat gut funktioniert. Und da habe ich mich entschieden, in Richtung Musikaufnahme zu gehen, zuerst nur Ton, dann auch Video.“

So ist das Ella Studio entstanden. Heute filmt er auch ganze Aufführungen mit einer hochprofessionellen Ausstattung wie etwa eine Konzertreihe im Casino Baumgarten mit Ensembles der Wiener Symphoniker. Die Ton- und Videoausrüstung finanzierte er mit Mieteinnahmen für eine kleine Wohnung, die ihm seine Großmutter in Jerusalem vererbt hat.

Das Studio befindet sich ebenso in der weitläufigen Wohnung der Familie wie die kleine Werkstatt, in welcher der Hobbytischler seine Möbel schnitzt. Es sind dunkle Möbel, die ein bisschen an Jugendstil erinnern und stark an den Alhambra-Stil. Ob Kasten, Spiegel, Bilderrahmen, selbst Schabbes-Leuchter: alles selbst gefertigt. „Das ist unser kleines Haus in Jerusalem“, sagt Croitoru-Weissman sichtlich stolz. Und hier fühlt er sich wohl.

In Wien genauso zu Hause wie in Israel

Der Musiker, er ist Israeli, seine Frau Israelin und Deutsche, seine Tochter Israelin, sagt aber auch: „Ich mache es mir überall gemütlich.“ Er fühle sich in Wien genauso zu Hause wie in Israel – oder aber in New York, wo ihn viele Konzerte hingeführt haben. Nur mit dem modernen Rumänien wird er so gar nicht mehr warm. Als er vor acht, neun Jahren dort gewesen sei, um seiner Frau seine Geburtsstadt zu zeigen, sei nichts mehr gewesen, wie es einmal war. „Das ist heute kapitalistisches Niemandsland.“

Was er aus seiner Kindheit in Rumänien mitgebracht hat, sind seine Deutschkenntnisse. In der Schule hat er hier bereits einen guten Grundstock gelegt. Das Fernsehen habe ihm, in Wien angekommen, viel weitergeholfen. Stolz ist er, dass er all die Bücher, die er sich zum Thema Holzschnitzerei zugelegt hat, auf Deutsch gelesen hat. „Ich wollte die Sprache einfach lernen.“

Mit ihrer Tochter sprechen die Eltern Iwrit und versuchen auch, die Schriftsprache zu Hause zu vermitteln. In der Schule lernt das Kind Deutsch, „und das ist auch wichtig, schließlich lebt sie hier“. Doch obwohl man nur wenige Wochen im Jahr in Israel verbringe, habe auch das Mädchen Sehnsucht nach dem Land, beobachtet Croitoru-Weissman. Und irgendwann will auch er wieder zurückgehen. Aber jetzt passt einmal alles in Wien. Die Croitoru-Weissmans haben es sich nett eingerichtet hier.

Zur Person

Michael Croitoru-Weissman, geb. 1967 in Bukarest, mit 8 Jahren Beginn des Cello-Spielens, zahlreiche nationale Preise. 1983 Emigration mit der Familie nach Israel, Musikstudium an der Rubin Musik Akademie Tel Aviv, dann 3 Jahre Armeedienst, dabei lernt er seine heutige Frau Noa kennen. Hinwendung zur Kammermusik, 1990 Gründung des Amber Trio Jerusalem, kurz darauf Einladung des Alban-Berg-Quartetts nach Wien. 2 Jahre Studium an der Uni für Musik und darstellende Kunst und der Entschluss, hier zu bleiben. 15 Jahre weltweite Konzerttourneen, daneben Cellist bei Auftritten von Timna Brauer. Nach der Geburt von Tochter Ella vor 7 Jahren Auflösung der Formation. Gründung des Ella-Studios für Ton- und Videoaufnahmen von klassischen und Ethno-Musik-Produktionen. Hobbys: Kunsttischlerei und Mode.

michaelart.at

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