„Mit Menschenrechten sind wir geboren“

In Tel Aviv vertrat sie Wien als Menschenrechtsbeauftragte, in Rehovot besuchte sie die WIZO- Tagesstätte, und in Riga war sie Teil der Wiener Delegation beim Holocaust-Gedenktag. Dabei ist Shams Asadi weder gebürtige Wienerin, noch hat sie jüdische Wurzeln. Doch vielleicht? Jedenfalls ist sie in einer iranischen Stadt aufgewachsen, in der Juden, Muslime und Armenier friedlich nebeneinander leben konnten.

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Shams Asadi. Leiterin des Menschenrechtsbüros der Stadt Wien. © Konrad Holzer

Symbolträchtiger könnte ein Standort kaum sein. In jenem wunderschönen Patrizierhaus in der Wiener Neutorgasse, aus dem im Nationalsozialismus 39 Juden deportiert wurden, residiert seit rund zwei Jahren das neugegründete Menschenrechtsbüro der Stadt Wien.

In der denkmalgeschützten Bel Etage mit originalem Jugendstilinterieur der ehemals jüdischen Hausbesitzer ist heute eine weitere Stelle der Stadt untergebracht, die erst vor wenigen Jahren einen wesentlichen Impuls zur Aufarbeitung der Geschichte des Hauses gab.

„Nur eine Einzige hat überlebt“, erklärt Shams Asadi vor der Gedenktafel mit den Namen aller Opfer, die im Stiegenhaus angebracht ist.

Schon auf Grund ihrer Biografie ist die erste Menschenrechtsbeauftragte der Stadt auch selbst eine Symbolfigur. Nicht nur ihr Name verrät ihren „Migrationshintergrund“. In fast makellosem Deutsch erzählt sie von ihrem langen Weg in die Neutorgasse, wo sie sichtlich angekommen scheint.

Wien und die Menschenrechte. Schon mit 16 Jahren ist Shams Asadi aus ihrer traditionellen Familie im Iran ganz alleine aus- und aufgebrochen und schließlich in der Türkei gelandet. Dort hat sie an einer amerikanischen Uni Architektur und Planung studiert. „Meine Familie hat mich dabei immer unterstützt, obwohl mein Weg nicht ganz ihren Vorstellungen entsprochen hat.“ Eher zufällig ist sie 1989 als Begleitung einer Studienkollegin nach Wien gekommen und hat sich sofort „unglaublich“ in die Stadt verliebt, sich spontan entschlossen zu bleiben und die Sprache, „das weiche wienerische Deutsch“ zu lernen. Der mit Farsi, Aserbaidschani und Französisch mehrsprachig Aufgewachsenen fiel das offenbar nicht schwer.

„Wir sind in Wien in einer sehr privilegierten Situation, doch haben wir zum Beispiel beim Thema Kinderrechte gerade was minderjährige Flüchtlinge oder das Problem Kinderarmut und Gewalt betrifft noch viele dringende Aufgaben.“
Shams Asadi

Ihre Karriere bei der Stadt Wien hat sie in den Bereichen Verkehrsplanung und Stadterneuerung begonnen, wobei ihre türkischen Sprachkenntnisse hilfreich waren. Eine Diplomarbeit zum Thema ökonomische Migration und die Geburt einer Tochter erledigte sie neben etlichen urbanen Projekten, bei denen sie begeisterungsfähig und motivierend auf verschiedenen Ebenen auch Pionierarbeit geleistet hat. „Es war eine ungeheure Aufbruchstimmung.“

Bei diversen internationalen Kontakten war sie schließlich auf die Existenz so genannter „Menschenrechtsstädte“ gestoßen, ein Thema, zu dem sie auf Grund persönlicher und beruflicher Erfahrungen eine mehr als durchschnittliche Sensibilität mitbrachte. 2015 wurde sie daher als Leiterin des neu gegründeten Menschenrechtsbüros der Stadt Wien bestellt, das nicht zuletzt auf ihre Initiative zurückgeht.

1948, also vor genau 70 Jahren verkündeten die Vereinten Nationen die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“. „Mit Menschenrechten sind wir geboren, aber nicht alle sind sich bewusst, dass wir sie haben. Es ist ein grundlegender Wert“, meint dazu Asadi. „Wir sind in Wien in einer sehr privilegierten Situation, doch haben wir zum Beispiel beim Thema Kinderrechte gerade was minderjährige Flüchtlinge oder das Problem Kinderarmut und Gewalt betrifft noch viele dringende Aufgaben. Dazu haben wir Kampagnen gestartet, denn wir sind keine ausführende, sondern eine koordinierende, vermittelnde Stelle, die auch Anregungen gibt. Ein zweites Thema ist Sicherheitspolitik und Menschenrechte, da arbeite ich intensiv mit der Polizei und auch anderen Stellen zusammen. Obwohl Wien eine sehr sichere Stadt ist, fühlen sich die Menschen hier weniger sicher als etwa in den 70er-Jahren, und das hängt auch mit Politik und sozialen Aspekten zusammen. Auch dazu haben wir Studien beauftragt.“

Israel-Erlebnis. In Tel Aviv war Shams Asadi beim jährlichen „City Summit“ eingeladen, zum Thema Menschenrechtsstädte zu sprechen. Darüber hinaus hat sie dazu in einem Zelt am zentralen Markt referiert. „Wir haben sehr gute Beziehungen zu Tel Aviv, obwohl das keine Menschenrechtsstadt ist, schon allein weil die beiden Bürgermeister offenbar miteinander befreundet sind. Großartig erscheint mir unter anderem die Sicherheit dort, ich habe mich als Frau allein um Mitternacht auf den Straßen und auch beim Joggen zeitig in der Früh durchaus wohl gefühlt, und das empfinde ich als Kennzeichen für eine sichere Stadt.“

Im Zuge dieser Israel-Reise hat Shams Asadi in einer Delegation des Rathauses auch die WIZO-Kindertagesstätte in Rehovot besucht, welche die Stadt Wien mit unterstützt. „Das war einfach unglaublich positiv, nicht nur, was die Kinder betrifft. Wir haben dabei Frauen getroffen, die erst durch WIZO ihre Bildungschancen bekommen haben.“ Wie man seither bei einigen WIZO-Events sehen konnte, ist mit Shams Asadi eine neue Freundin gewonnen worden.


Shams Asadi, geboren und aufgewachsen im Iran, studierte unter anderem in der Türkei und in den USA Architektur und Stadtplanung und kam 1989 nach Wien. Viele Jahre war sie im Bereich der Stadterneuerung und strategischen Stadtentwicklung mit den Schwerpunkten Gender Mainstreaming und Diversität in der Planung, Stadtwirtschaft sowie europäische und internationale Zusammenarbeit tätig. Ihre wissenschaftliche Forschungs- und Lehrtätigkeit führte sie an Universitäten im In- und Ausland. Shams Asadi ist seit 2015 die erste Menschenrechtsbeauftragte und Leiterin des Menschenrechtsbüros der Stadt Wien.

 

 

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