Wina Editorial

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„Wenn ich all’ die in der Zukunft liegenden Dinge zurückhaltend sage, wird es scheinen, als glaubte ich selbst nicht an ihre Möglichkeit. Wenn ich dagegen die Verwirklichung vorbehaltlos ankündige, wird alles vielleicht wie ein Hirngespinst aussehen“, schrieb Theodor Herzl im Vorwort zu seinem Judenstaat, in dem er „einen jüdischen Nationalstaat mit gleichberechtigten Minderheiten in den Strukturen eines modernen Sozialstaates“ skizzierte, wie der Historiker Shlomo Avineri im Interview erzählt.

Fast scheint es, als prägten die Widersprüche aus Herzls Vorwort auch den heutigen Judenstaat. Das kleine Israel erfreut sich einer weltweiten Aufmerksamkeit, wie sie keinem anderen Land ähnlicher Kleinheit je zu Teil wurde. Doch ist diese Aufmerksamkeit, salopp formuliert, von überwiegend unfreundlicher Beschaffenheit, obwohl Israel eine Demokratie ist, die in dieser geografischen Gegend in ihrem Wertesystem westlichen Staaten gleicht, wie Außenminister Sebastian Kurz im Gespräch in Jerusalem meint .

„Darum sage ich deutlich und fest: Ich glaube an die Möglichkeit der Ausführung, wenn ich mich auch nicht vermesse, die endgültige Form des Gedankens gefunden zu haben. Der Judenstaat ist ein Weltbedürfniss, folglich wird er entstehen.“
- Theodor Herzl

Einst also Vision (aber kein Märchen!), dann historisch-moralische Notwendigkeit, ist der jüdische Staat heute Wirklichkeit, zu der alle ihre Meinung haben: Konservative und Liberale; Linke und Rechte; jene, die das Land besucht haben, und jene, die niemals hinkommen werden; Anti- und Philosemiten; Aktivisten und Gegner der BDS-Bewegung und nicht zuletzt die blauäugigen Weltfriedensorganisatoren: Sie alle wissen, wie der Israel-Palästina-Konflikt zu lösen wäre, wie die Innen- und Außenpolitik Israels auszusehen hätte. Aber eine Lösung wird es in absehbarer Zeit wohl trotzdem nicht geben.

Dennoch existiert auch ein anderes Narrativ: Israel macht Spaß!!! Es ist Heimat einer offenen, bunten und innovativen Gesellschaft, die jährlich immer mehr junge Menschen anzieht. Sie machen Alija, suchen in Israel Geborgenheit, finden dort Gleichgesinnte, erleben ihr Judentum neu und anders: Sie kommen an! Wir haben fünf junge Frauen getroffen, die dieses Abenteuer gewagt haben und in Israel das fanden, was sie gesucht hatten.

Herzls Vision ist also israelische Wirklichkeit geworden. Zwar ist diese Wirklichkeit rau und laut, kompliziert und widersprüchlich. Aber sie ist eine, die trotz seiner aktuellen innenpolitischen Verschiebungen in Zeiten, in denen sich antisemitische Vorfälle weltweit – so auch bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich  – häufen, eine sonnige Perspektive in blau-weiß bietet.

Julia Kaldori
Chefredaktion

Bild: © flash 90

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