Er ist ein linkes Urgestein und das, was man unter einem „echten Wiener“ versteht: Ernst Meir Stern. Seine berufliche Laufbahn ist bunt und spannend wie sein ganzes Leben. Ein Wunsch wurde allerdings nicht wahr: die Aliyah nach Israel. Von Alexia Weiss
Wenn Ernst Meir Stern erzählt, dass er auf der Insel Mauritius geboren wurde, „können die meisten Menschen nichts damit anfangen. Sie sagen, dass muss ja toll gewesen sein“. Heute hat man das Urlaubsparadies im Kopf, wenn man an die Insel denkt. Urlaub haben Sterns Eltern bei seiner Geburt 1943 allerdings nicht gemacht. Der Vater konnte 1940 Wien mit einem Donaudampfer in Richtung Palästina verlassen, von dort wurde er in das Lager auf Mauritius verbracht, wo er Sterns Mutter, die aus Mähren stammte, kennenlernte. Sterns früheste Erinnerungen sind mit Mauritius verknüpft, haben aber auch nichts mit Sonne, Strand und Meer zu tun. „Ich habe mir als Souvenir die Malaria mitgebracht und hatte bis in die Pubertät hinein Malaria-Anfälle.“
Den Vater, als Mitglied des sozialdemokratischen Schutzbund von den Nazis zwei Jahre in Dachau und Buchenwald inhaftiert, zieht es nach dem Krieg zurück nach Wien. Stern wächst im weitgehend zerstörten zehnten Bezirk auf, geht hier in die Volks-, dann in die Hauptschule. Antisemitismus war immer wieder spürbar, auch im Wohnhaus. „Bei meinem Vater haben sie sich nicht getraut, aber meine Mutter hat es zu spüren bekommen.“ Andere jüdische Kinder gibt es hier nicht. Seine besten Freunde in der Schule sind Karli, der Ministrant und Peter, der „Klassenprimus“, dessen Vater Nationalsozialist war. „Wenn ich zum Peter in die Wohnung gekommen bin, ist der Vater weggegangen und hat mich keines Blickes gewürdigt. Der Ministrant, der Judenbua und der Nazi-Sohn sind beste Freunde – das ist Wien.“
Nach drei Jahren in der HTL entschloss er sich, einen Job als Facharbeiter zu suchen. Daraus wurden zehn Jahre als Elektromechaniker bei Schrack. Seine jüdische Identität bezog er dennoch nicht nur aus der Fluchtgeschichte seiner Eltern – und dem Religionsunterricht. Mit dem Zionismus wurde er erst im Schomer Hatzair konfrontiert. „Ich bin dorthin gekommen und war zu Hause. Dort wurde ich eigentlich jüdisch sozialisiert. Es war auch nicht wichtig, wie viel der Vater verdient, sondern wie man sich in der Gemeinschaft verhält.“ Dort lernte er auch seine Frau Friederike Heller kennen und lieben. Später trat er dem Bund werktätiger Juden bei, für den er auch viele Jahre im Kultusvorstand saß und dem er bis heute verbunden ist, nicht zuletzt über dessen Zeitung, deren Chefredakteur er mehr als zwanzig Jahre lang war und für die er bis heute schreibt.
Der Wunsch nach Aliyah
Vor allem im Schomer wuchs auch die Liebe zu Israel – und das Thema Aliyah wurde immer wichtiger. 1967 ging er für drei Monate in einen Kibbuz im Norden, „das waren drei glückliche Monate“. Ein Jahr später wollte er endgültig nach Israel auswandern. Aber 1968 schrieb sich der Prager Frühling in die Weltgeschichte ein – und auch die Familie Stern hatte dort Verwandte und Bekannte, die nun nach Wien strömten. Damit rückte die Aliyah wieder ein Stückchen in die Ferne. Dann starb der Vater, die Mutter wurde krank und wollte nicht mehr nach Israel gehen.
Stern bleibt also hier, orientiert sich aber beruflich neu – er wechselt zum Journalismus. Das Wiener Wochenblatt hatte zwar einen „üblen Ruf als Sex and Crime-Blatt“, erinnert sich Stern. Doch dort bekommt er eine fundierte journalistische Ausbildung. Als das Medium Anfang der achtziger Jahre eingestellt wird, ist für den Chefredakteur-Stellvertreter nochmals ein beruflicher Neustart angesagt.