Die Dame in Schwarz

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Klimts Bildnis der Rosalie von Rosthorn-Friedmann ist künstlerisch ebenso spannend wie die Geschichte seiner Auftraggeber und späteren Besitzer. Von Alfred Weidinger

Rosalie (Rose) von Rosthorn-Friedmann (geb. 12. Februar 1864 in Wien, gest. 13. Jänner 1919 ebenda) war die Tochter des in Oed im Piestingtal ansässigen Industriellen Adolf von Rosthorn und Rosalie Fischers. Sie war in Künstlerkreisen sehr bekannt und ging vor allem als erfolgreiche Bergsteigerin in die Geschichte des österreichischen Alpinismus ein. Ihr erster, um 14 Jahre älterer Ehemann Bruno Wanger von Freynsheim (das Paar heiratete am 6. Januar 1883) war der damalige juristische Berater der Österreichischen Staatsbahn und wurde später Direktor der Nordbahn. Aus der Verbindung stammt eine Tochter namens Dora (1885–1960). Doch die Ehe währte nicht lange und wurde am 16. November 1886 geschieden.

Am 4. Dezember 1886 ehelichte Rosalie von Rosthorn den österreichischen Unternehmer Louis Philipp Friedmann (1861–1939), der aus einer wohlhabenden jüdischen ungarischen Industriellenfamilie stammte und ein florierendes Werk für Zulieferteile für Lokomotiven in Wien-Leopoldstadt mit einer Niederlassung in New York besaß. Louis Friedmann erbte das Unternehmen gemeinsam mit seinem Bruder Max von ihrem Vater Alexander Friedmann (1838–1882) und war darüber hinaus Präsident des Automobilherstellers Gräf & Stift. Der mit ihm eng befreundete Schriftsteller Arthur Schnitzler beschrieb Louis als „sportlich ungewöhnlich begabt – ein Fechter von Rang, vor allem ein Alpinist mit einem Ruf weit über die Grenzen seines Vaterlandes“. So inspirierte Friedmann etwa Schnitzler zur Figur des Friedrich Hofreiter in der 1911 am Volkstheater in Wien uraufgeführten Tragikomödie Das weite Land. Aus der Verbindung stammte eine Tochter namens Marie Ale­xandrine Friedmann-Rosthorn (geb. 1887, verheiratete Satzger von Bálvános), die bis zu ihrem Tod in einer Wohnung in der Kalbeckgasse 5 in Wien Währing residierte. Rose von Rosthorn-Friedmann und ihr Ehemann waren genauso wie Louis’ Bruder Max (1864–1936) und dessen Familie in der Wiener Gesellschaft gerade unter Künstlern und Schriftstellern sehr beliebt. Nahezu auf der Höhe des Belvedere in Wien hatten sie ein Haus in der Jaquingasse 41 im dritten Gemeindebezirk, das Louis jedoch nach dem frühen Tod seiner Ehefrau verkaufte.

John Quincy Adams, einer der bekanntesten Porträtisten der Wiener Gesellschaft, malte Max Friedmanns Töchter Johanna und Alexandrine. Wie sein Bruder war Max Friedmann besonders kunstsinnig und ließ den 1898 für ihn in der Hinterbrühl (Hauptstraße 27) errichteten Rohbau einer Villa im Sinne eines secessionistischen Gesamtkunstwerks von Joseph Maria Olbrich fertigstellen und ausstatten.

Rosalie von Rosthorn-Friedmann war in Künstlerkreisen sehr bekannt und ging vor allem als erfolgreiche Bergsteigerin in die Geschichte des österreichischen Alpinismus ein.

Rosalie arbeitete während des Ersten Weltkrieges als Pflegerin in einem Wiener Lazarett und infizierte sich dabei mit tödlichem Typhusfieber, dem sie am 13. Januar 1919, erst 54-jährig, erlag. Hugo von Hofmannsthal schrieb einen langen Brief an den Witwer, in dem er nicht nur die ausdrucksvolle Schönheit, sondern auch die Intelligenz und Wärme dieser außergewöhnlichen Frau zum Ausdruck brachte.

Auftrag für ein Bildnis
Dame in Schwarz. Klimts Gemälde verdeutlich dessen  charakteristischen Arbeitsprozess um 1900.
Dame in Schwarz. Klimts Gemälde verdeutlich dessen
charakteristischen Arbeitsprozess um 1900.

Welche Umstände Louis Friedmann zur Erteilung eines Auftrags für ein Bildnis seiner Ehefrau an Gustav Klimt führten und wann der Künstler damit begonnen hat, ist bislang nicht bekannt. Die von Alice Strobl* vorgenommene Datierung der gezeichneten Studien und die stilistische Beurteilung sowie die erste Ausstellung des Dame in Schwarz bezeichneten Bildnisses in der 10. Ausstellung der Wiener Secession zwischen dem 15. März und dem 12. Mai 1901 lassen seine Entstehung in der zweiten Jahreshälfte 1900 und Anfang des Jahres 1901 wahrscheinlich werden.

Etwas befremdlich wirkt die seitliche Neigung der dadurch etwas steif erscheinenden Industriellengattin, die sich vor allem aus Klimts zeitgleichen Kompositionsstudien für das Universitätsbild Philosophie erklärt und dieses Haltungsmotiv ebenso in einigen knappen Zeichnungen im so genannten Roten Skizzenbuch festzustellen ist. Nachdem Klimt mit Zeichnungen die Haltung des Modells und die wesentlichsten Züge der Komposition festgelegt hat, überträgt er die Skizze mit Hilfe eines Übertragungsrasters (Strobl 511) auf die Leinwand. Die bekannten Studien verdeutlichen den charakteristischen Arbeitsprozess von Klimt, gemäß dem er sein Modell in unterschiedlichen Haltungen posieren lässt. Von Beginn an scheint er sich auf das Stützmotiv ihrer rechten Hand konzentriert zu haben, dass er sowohl an einem Fauteuil (z. B. Strobl 511), aber auch an der Taille (z. B. Strobl 493) erprobte. Im ausgeführten Gemälde deutet Klimt das Möbel, an das sich Rosalie von Rosthorn-Friedmann nicht nur abstützt, sondern auch anlehnt, nur schemenhaft an. Nur vor dem Original des Gemäldes wird diese Pose deutlich als solche sichtbar und auch verständlich. Reproduktionen vermögen dieses Motiv nur undeutlich wiederzugeben und vermitteln zu Unrecht die bereits angesprochene unbeholfen wirkende Haltung des Modells.

Der von Alice Strobl erstmals angesprochene Vergleich des Gemäldes mit dem 1884 von John Singer Sargent gemalten Bildnis der Madame X (Madame Pierre Gautreau) reflektiert auf das klassische, aber mit erotischen Elementen angereicherte Gesellschaftsbildnis. So hatte Sargent, zur Zeit Klimts der gefragteste Society-Porträtist Europas, an seiner Madame X mehr nackte Schulter gezeigt, als es die Salons damals für zuträglich erachteten. Im Vergleich dazu setzt Klimt am Beispiel der Rosalie von Rosthorn-Friedmann auf erotisierende Utensilien, wie etwa die üppige schwarze Pelzboa, die das für seine Zeit ohnehin bereits tiefe Dekolleté noch akzentuiert und ein aus zahlreichen Perlenschnüren zusammengesetztes, den Hals eng umschließendes Collier. Die angeführten Accessoires sind noch um den prächtigen, mit Edelsteinen durchsetzten Goldschmuck, den Rosalie an ihren Fingern und den Handgelenken trägt, zu ergänzen. Man erhält den Eindruck, als würde Klimt sie in einer mit Pailletten bestickten Abendgarderobe kurz vor einer ausgiebigen Ball- oder Konzertnacht visualisieren und damit auf die wichtige gesellschaftsliebende Komponente von Rosalie von Rosthorn-Friedmann anspielen. Der intensive blaue Hintergrund unterstreicht die glamouröse Wirkung seines Modells, und die sorgsam als Gegenfläche dazu in Szene gesetzte graue Fläche im Bereich ihrer Hüftpartie am rechten Bildrand sorgt für eine ausgewogene Gewichtung der Farben.

Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegt keine Ausfuhrgnehmigung des Bundesdenkmalamtes vor.

Informelle Wege

Zwischen 1968 und 1983 befand sich das Gemälde nachweislich in der Wohnung von Marie Alexandrine Friedmann-Rosthorn und deren Tochter Christa Satzger von Bálványos in der Kalbeckgasse 5 in Wien (1968 hatte Friedmann-Rosthorn den Hälfteanteil dieser Liegenschaft erworben).

Nach der Veräußerung des Gebäudeanteils an den anderen Hälfteeigentümer im Jahr 1980 verblieb das Klimt-Gemälde weiterhin in der Wohnung, bis es 1983 vom Bruder der Eigentümerin, Emmerich (Imre) Satzger (1911–1998) übernommen wurde. Nachdem das Bundesdenkmalamt Christa Satzger auf informellem Weg im Falle eines Ausfuhransuchens einen negativen Bescheid in Aussicht gestellt hatte, versuchte die Eigentümerin das Bildnis in Österreich zu veräußern. Wolfgang Jeannée, der Wiener Anwalt der Familie Satzger, bot damals das Porträt im Auftrag der Eigentümerin einem bekannten Wiener Sammler zum Kaufe an. Dieser bildete gemäß Jeannée zusammen mit dem Verleger Hans Dichand eine Käufergemeinschaft und erwarb das Klimt-Gemälde. Später erkundigte sich das Bundesdenkmalamt bei meiner damaligen Kollegin Alice Strobl, der Autorin des Werkverzeichnisses der Klimt-Zeichnungen, wo sie das Gemälde in Wien gesehen hat. Strobl antwortete zurückhaltend mit der Feststellung, dass sie weder den Eigentümer noch die Adresse bekanntgeben könne. Schließlich wurde das Gemälde am 31. März 1987 von Sotheby’s in London versteigert. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegt keine Ausfuhrgenehmigung des Bundesdenkmalamtes vor.

*Alice Strobl (1920–2010) war Klimt-Expertin und langjährige Vizedirektorin der Albertina. Nach jahrzehntelangen Forschungsarbeiten gab sie, zwischen 1980 und 1989, ihren dreibändigen Œuvre­katalog – gefolgt vom Ergänzungsband – sämtlicher Zeichnungen von Gustav Klimt heraus.

Bild: © Österreichische Galerie Belvedere

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