Jüdisches Venedig in Wien

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Schätze aus dem jüdischen Ghetto in Venedig.

Im Jahr 2016 begeht das jüdische Ghetto von Venedig sein 500-jähriges Bestehen. Die kommende Ausstellung Treasures of the Jewish Ghetto of Venice im Winterpalais des Belvedere ist ein Vorbote auf das kommende Jubiläum in Venedig und entstand in Kooperation mit der Organisation Venetian Heritage. Die hier ausgestellten Kultgegenstände der jüdischen Gemeinde Venedigs haben eine mehr als ungewöhnliche Geschichte.

September 1943: Zwei ältere venezianische Juden, die für die Gottesdienste in der Scola Spagnola und der Scola Levantina zuständig waren, versteckten vor dem Eintreffen der Nazis eine Reihe wertvoller Kultobjekte an einem geheimen Ort … Die beiden Männer kehrten aus den Vernichtungslagern nicht mehr zurück, die wertvollen Gegenstände gerieten in der Nachkriegszeit in Vergessenheit und wurden erst vor wenigen Jahren rein zufällig während der Restaurierung der Scola Spagnola wiederentdeckt.

Die Verschmelzung von Religion und Kunsthandwerk.  Tora-Krone,  Italien, ca. 1700, Silber, 26 x 27 cm
Die Verschmelzung von Religion und Kunsthandwerk.
Tora-Krone,
Italien, ca. 1700,
Silber, 26 x 27 cm

Die Keterim (Kronen), die zusammen mit den Rimonim (bekrönende Aufsätze der beiden hölzernen Stäbe der Tora-Rolle) als Schmuck der Pergamentrolle dienen, stellen den bedeutendsten Teil des kunstgeschichtlichen Erbes aus den verschiedenen Synagogen dar.

Die Besamim-Büchsen (Gewürzbüchsen) wurden während der zum Ausklang des Schabbats gesprochenen Segnungen verwendet und waren Geschenke einzelner Gemeindemitglieder an die Synagoge, ebenso die Jadot (Tora-Zeiger). Alle anderen restaurierten Objekte stehen in Verbindung mit einzelnen Festtagen, z. B. die Chanukkiot (neunarmiger Leuchter), deren Kerzen zu Chanukka entzündet wurden.

Neben der kunsthistorischen Beudeutung der Ausstellung möchte Venetian Heritage – als Bewahrer venzianischer Kultur – im Hinblick auf die bevorstehende Restaurierung und Neugestaltung des Museo Ebraico di Venezia auch neue Förderer und Unterstützer auf sich aufmerksam machen.

wina: Die Ausstellung „Schätze aus dem jüdischen Ghetto in Venedig“ startet am 28. April im Winterpalais des Belvedere. Was macht die Ausstellung zu etwas Besonderem?

Rimmonim.  Italien, 1747, Silber, 48 x 10 cm
Rimmonim.
Italien, 1747,
Silber, 48 x 10 cm

Toto Bergamo Rossi: Da ist natürlich zuerst die ergreifende Geschichte der ausgestellten Objekte. Dann zeigen die Kunstwerke auch die einzigartige Qualität der venezianischen Handwerkskunst des Barock und Rokokko des 18 Jahrhunderts. Und nicht zuletzt sehen wir auch das venezianische Knowhow für Restauration, denn in rund drei Jahren ist es uns gelungen, diese Kunstwerke so wiederherzustellen, dass sie nun gezeigt werden können.

… In ihrer ursprünglichen Pracht!

Ja, sehen wir uns zum Beispiel die Kronen für die Tora-Rollen an, sie sind absolut uniques Handwerk einfach exzeptionell. Objekte, die neben ihrer religiösen Bedeutung auch Ausdruck höchster Silberschmiedekunst sind.

Warum hat man nach diesem Kunstschatz nicht früher gesucht?

Die meisten Objekte aus der Sammlung der jüdischen Gemeinde waren an anderen Plätzen versteckt. Nach dem Krieg hat man sie dann dort hervorgeholt und wie zuvor verwendet. Das, was wir hier sehen, ist nur ein kleiner Teil der großen Sammlung der jüdischen Gemeinde.

Wie hat man die Objekte dann doch gefunden?

Das war ein Glücksfall. Man musste in einem Haus Kabel neu verlegen, und zu diesem Zweck mussten die Handwerker einen Raum unter einer Stiege öffnen.

Ner Tamid. Hängeleuchter,  Italien, vermutlich Venedig,  Silber, 65 x 21 cm
Ner Tamid. Hängeleuchter,
Italien, vermutlich Venedig,
Silber, 65 x 21 cm

Und da lagen die Objekte dann einfach?

Ja hinter einer falschen Wand, die die Handwerker abreißen mussten. Dahinter lagen dann die Objekte. Man hat sie damals in aller Eile in Taschen gesteckt und versteckt. Die beiden Retter wurden in einem deutschen Konzentrationslager ermordet, so verschwand das Wissen um dieses Versteck …

In welchem Zustand befanden sich die Objekte bei ihrem Fund?

Ich wurde kurz nach der Entdeckung gerufen. Sie müssen sich vorstellen, das Lager war im Erdgeschoss in einem Haus in Venedig, dort ist es dementsprechend feucht. Der Zustand war denkbar schlecht, die Kunstwerke waren alle schwarz und vollkommen entstellt.

Und da nahm sich Venetian Heritage der Kunstwerke an?

Die professionelle Restaurierung eines solchen Schatzes ist sehr kostspielig. Unsere Aufgabe von Venetian Heritage wiederum ist die Erhaltung, Restaurierung und Ausstellung von venezianischer Kunst und Kunsthandwerk. Und so trat die jüdische Gemeinde an uns heran. Daraus ist eine enge Kooperation entstanden. Unser nächstes gemeinsames Projekt ist die Renovierung des jüdischen Museums.

Venedig war bis Ende des 18. Jahrhunderts eine Adelsrepublik. Das damalige Gesetz schützte die Qualität der Handwerkskunst – so wie wir das auch heute kennen. Schon damals gab es das Silbersiegel der venezianischen Republik für die Qualität des Silbers, und jeder Meister hatte seine Initialen, so konnte man bei vielen Objekten feststellen, welcher Meister welches Stück wann geschaffen hatte.

ZUR AUSSTELUNG Treasures of the Jewish Ghetto of Venice Restored by Venetian Heritage 28. April bis 6. Juli 2014 Winterpalais, Himmelpfortgasse 8, 1010 Wien belvedere.at
ZUR AUSSTELUNG
Treasures of the Jewish Ghetto of Venice
Restored by Venetian Heritage 28. April bis 6. Juli 2014
Winterpalais,
Himmelpfortgasse 8, 1010 Wien

Sehen wir in diesen Objekten eine Verschmelzung der jüdischen und venezianischen Kultur?

Sicher. Wir sehen hier die Handwerkskunst von Menschen, die zur gleichen Zeit Kunstwerke für die unterschiedlichsten Religionen geschaffen haben. Aber so war Venedig zu dieser Zeit, es war ein Schmelztiegel der Kulturen, es war das New York des 18. Jahrhunderts.

Aber das Ghetto wurde dennoch jeden Abend geschlossen?

Ja, aber nicht anders als andere Stadtteile. Sicher, auch Venedig war nicht perfekt, aber es war eine säkulare Stadt, die politische und religiöse Macht streng voneinander getrennt. Sie galt in dieser Zeit als sehr modern und offen im Vergleich zu anderen Städten und Staaten.

War Venedig zu jener Zeit ein Impulsgeber für die jüdische Kultur in andern Teilen der Welt?

Jüdische Händler und Handwerker kamen zu allen Zeiten gerne nach Venedig, einige von ihnen zogen wieder weiter und nahmen schöne Stücke mit oder haben davon erzählt.

Toto Bergamo Rossi, u. a. Direktor der Organisation Venetian Heritage, entstammt einer alten venezianischen Familie. Er ist ein international bekannter Kunstrestaurator, der den Großteil seines Berufslebens der Erhaltung der Kunstschätze seiner Heimatstadt widmet.

Unbenannt-2VHernier
Italienische Haute
Joaillerie als Partner
von Venetian Heritage

Mit Vhernier konnte Venetian Heritage den geeigneten Partner für die Umsetzung der Ausstelltung Treasures of the Jewish Ghetto of Venice (ab 28. April im Winterpalais) gewinnen.

Vhernier steht heute für italienische Haute Joaillerie und hat seinen Ursprung in einer Goldschmiede-Werkstatt in Valenza, Italien. Handwerk ist die Kernkompetenz, die sich in jeder seiner Kreation widerspiegelt. Jedes Schmuckstück ist ein Unikat, Gestalt und Formgebung reflektieren zeitgenössische Kunstströmungen und beziehen sich zugleich auf die Tradition des Unternehmens.

Die Philosophie von Vhernier ist: Man muss der Gesellschaft etwas zurückgeben und Verantwortung mittragen. Statt in Werbekampagnen investiert das Unternehmen deshalb in Charity-Projekte, vor allem für Kinder. Als Vhernier von Venetian Heritage als Sponsor angesprochen wurde, hat Vhernier sich sofort bereiterklärt, diese zu unterstützen, denn es liegt dem Unternehmen ganz besonders am Herzen, die Geschichte des Entzugs von Vermögen während der NS-Zeit vor allem der nichtjüdischen Öffentlichkeit bewusst zu machen.

Vhernier hat speziell „als Begleiter“ für diese Ausstellung einen Ring entworfen. Der Erlös aus dem Verkauf kommt diesem Projekt zugute. Der Name des Rings lautet Neder (hebr. für Versprechen). „Wie der Ring als Symbol für die Unendlichkeit steht, möge auch das Versprechen der Bewahrung jüdischer Kultur ein unendliches sein.“

© Museo Ebraico di Venezia / venetian heritage

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