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George Muzicant steht seit mehreren Jahren an der Spitze des Immobilienunternehmens Colliers. Seine Spezialisierung liegt auf Luxusgeschäften in der Wiener City. Von Reinhard Engel   

Eigentlich wollte er in den USA bleiben. Und er hatte bereits einen interessanten und lukrativen Job in Boston als Scout für Neuinvestitionen eines großen Immobilienunternehmens. „In einem Jahr habe ich immerhin Investitionen von 200 Millionen Dollar bearbeitet“, erinnert sich George Muzicant. „Das ganze Unternehmen besitzt Immobilien im Wert von etwa 2,5 Milliarden Dollar.“

Doch dann kam etwas Unerwartetes dazwischen. George, Jahrgang 1980, lernte auf einer Hochzeit in Wien Dorit kennen, seine heutige Frau. Einige Monate pendelte er an den Wochenenden zwischen den USA und Österreich hin und her, arbeitete im Flugzeug das auf, wozu er wegen seiner Abwesenheit keine Zeit mehr gehabt hatte, das Schlafdefizit wurde immer größer. Schließlich entschied er sich für die Rückkehr, heiratete und trat ins Immobilienunternehmen seines Vaters Ariel Muzicant ein.

„Wenn eine Generationenübergabe funktionieren soll, dann liegt es immer am Senior. Und wir sind ein Paradebeispiel dafür.“ George Muzicant

„Ich habe wohl einmal als Mittelschüler während meiner Zeit in der Zwi-Perez-Chajes-Schule einen Sommer bei Colliers gearbeitet, habe auch ein paar Wohnungen verkauft, aber wirklich ausgekannt habe ich mich nicht.“ Also begann er auch nicht als Junior-Chef, sondern durchlief einmal eineinhalb Jahre lang alle Abteilungen, um die Branche von der Pike auf kennen zu lernen: Wohnungen, Büros, Retail (Detailhandel), Miethäuser, Indus­trie und Logistik. „Für Hotels haben wir keine eigene Abteilung gehabt, aber immer wieder auch Standorte an Betreiber vermittelt.“

George war zum Studieren in die USA nicht mit der Absicht gezogen, später unbedingt die Familienfirma weiterzuführen. Diese hatte sein Großvater, ebenfalls Georg, nach dessen Rückkehr aus Israel in Wien gegründet, als Eineinhalb-Mann-Büro: Columbus Immobilien. Als er 1977 überraschend starb, übernahm sein Sohn Ariel, der gerade ein Medizinstudium absolviert hatte – und führte das Unternehmen in mehreren Jahrzehnten an die Spitze der heimischen Branche. George hatte sich in den USA an drei Unis beworben, in Kanada an einer – und hatte drei Zusagen erhalten. „Entschieden habe ich mich dann für Brandeis: Wenn ich schon so weit von zuhause weggehe, habe ich gedacht, dann will ich neben akademischer Qualität auch noch ein jüdisches Umfeld haben.“ Er studierte mit viel Elan an der überschaubaren Uni, genoss die internationale Atmosphäre am Campus, hatte Freunde unter Amerikanern, Indern und Türken. „Ich hätte keine bessere Entscheidung treffen können.“

Generationswechsel

Nach dem BA und dem MBA fand er recht rasch eine Stelle bei einer großen US-Consulting-Firma, die unter anderem die Personalverwalter von großen Konzernen wie GM betreute oder auch landesweite Supermarktketten. Das hieß, sich in Spezialgebiete wie Gehalts- oder Pensionssysteme einzuarbeiten. Er lernte eine brutale Arbeitswelt kennen, nur wenige Stunden Schlaf und ganze Wochen, in denen er kaum aus dem Büro herauskam. „Es war dennoch eine großartige Erfahrung“, erinnert er sich, „jeder Job danach hat gewirkt wie ein Kinderspiel“. Über Kontakte an der Uni hatte George seinen nächsten Chef kennen gelernt, einen Immobilieninvestor, der im Board of Trustees von Brandeis saß. Einmal hatte er schon vor Studienabschluss im Sommer bei ihm gearbeitet, jetzt bot ihm dieser eine fixe Stelle an – bis ihn die Liebe nach Wien zurückbrachte.

Dort sollten die Lehrjahre im Familienunternehmen bald vorbei sein. Eines Tages, es war im Jahr 2007, kam sein Vater zu ihm, gab ihm den Büroschlüssel und sagte: „Falls du etwas brauchst, kannst du mich anrufen.“ George erzählt heute: „Wenn eine Generationenübergabe funktionieren soll, dann liegt es immer am Senior. Und wir sind ein Paradebeispiel dafür, wie es funktionieren kann.“ Der Vater habe ihm voll vertraut, auch nicht ständig kontrollierend über die Schulter geschaut, wie das manche Unternehmer tun, die nicht loslassen können. Sein Vater hatte wohl auch andere Interessen, verbrachte viel Zeit mit Agenden der Kultusgemeinde, in der er lange Jahre Präsident war, aber dennoch gehöre viel dazu, sein eigenes Lebenswerk so leicht abzugeben und sich auf eine Art Aufsichtsratsposition zurückzuziehen.

Dabei betreut der Senior noch selbst einige Projekte weiter, etwa das MGC, das längst nicht mehr dem Modegroßhandel allein dient, sondern nach einem umfassenden Umbau auch Büros von internationalen Konzernen beherbergt, etwa von Semperit. Dort ist auch ein großes Wohnbauprojekt geplant, das in den nächsten Jahren umgesetzt werden soll.

Goldenes Quartier

Der Schwerpunkt von Colliers blieb auch unter der Leitung von George Muzicant das Retailgeschäft, sprich die Suche und Vermittlung von Verkaufsflächen für internationale Handelsunternehmen. In diesem Bereich hat sich in den letzten Jahren in Wien einiges getan, und meist war Colliers involviert. Das betraf etwa den Kohlmarkt mit dem ehemaligen Patentamt, den Neubau von Peek & Cloppenburg auf der Kärntner Straße oder das Goldene Quartier zwischen Tuchlauben, Graben und Hof. „Dabei ist es um das Absiedeln alter Geschäfte gegangen, um die Suche von gleichwertigen Ersatzlokalen, dann um die Neuvermietung“, erklärt Muzicant. Und es bedeutete gleichzeitig eine umfassende Erweiterung von Verkaufsflächen, wo einst Banken wie Bawag oder Bank Austria ihre Kunden betreut hatten. „Insgesamt sind etwa 10.000 Quadratmeter dazugekommen. Und immer noch konnten wir nicht allen Interessenten etwas anbieten.“

Parallel dazu boomte der Wiener Zinshausmarkt. Wegen der Krise und der niedrigen Sparzinsen suchten zahlreiche Wohlhabende, auch Branchenfremde, ihr Geld in Betongold abzusichern. Das trieb die Preise in die Höhe und reduzierte die Renditen. Mittlerweile hat sich der Markt etwas beruhigt, auch die in die Höhe schießenden Preise für teure Dachbodenausbauten scheinen sich einzupendeln, manchmal geben sie bereits nach. Nicht zuletzt die Krisen in der Ukraine und in der arabischen Region haben die Nachfrage gedämpft. „Das spüren auch die Luxusketten“, weiß Muzicant. „Etwa die Hälfte der Umsätze machen sie mit Touristen, und da merkt man die Rückgänge.“ Der Büromarkt erholt sich dagegen in Wien gerade wieder, einige Jahre lang war deutlich weniger gebaut worden, jetzt steige die Nachfrage wieder. Insgesamt rechnet Muzicant für die nächsten Jahre mit einem „ruhigen, undramatischen Geschäft“.

© Reinhard Engel

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