Das Kalifat von nebenan

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Alle blicken zur Zeit auf den „Islamischen Staat“ im Nahen Osten. Dabei gibt es bereits hunderte gleichgesinnte islamische Dörfer in ganz Europa. Der Terror ist mitten unter uns, er hat sich nur noch nicht offenbart.   Von Oliver Jeges

Seit einigen Monaten fliegt uns in Österreich und Deutschland wieder ein Thema um die Ohren, von dem wir dachten, es hätte sich längst ausdiskutiert: der Islam. Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendwo zwischen Hamburg und Wien, zwischen Istanbul und London, zwischen Stockholm und Kairo ein Moslem durchdreht, weil er sich in seinem Stolz, seiner Ehre oder in seinen Gefühlen verletzt fühlt. Und spätestens seit dem Milleniumswechsel gehört auch der Terror im Namen des Islam zur Routine jedes Nachrichtensprechers, genauso wie der tägliche Wetterbericht. Die herkömmliche Autobombe in Bagdad, Islamabad oder Abuja, das „reguläre“ Selbstmordattentat in Syrien oder Gaza nehmen die meisten schon gar nicht mehr wahr. Zu „normal“ sind solche Vorfälle geworden. Ja, man könnte meinen, eine kulturelle Eigenheit unter Orientalen.

Überall, wo es den Islam gibt, gibt es auch Islamismus. Sie sind wie siamesische Zwillinge. Der eine ist ohne den anderen kaum überlebensfähig, weil sie zu sehr miteinander verwachsen sind.

Der Takbir- oder Allah-Zeigefinger als Symbol einer ganzen Jugendbewegung. Wenn man als Teenie Terror gut findet, kann man selber wenig bis nichts dafür. Es ist das blinde Umfeld, das diese Halbstarken in eine ungewisse Zukunft entlässt.
Der Takbir- oder Allah-Zeigefinger als Symbol einer ganzen Jugendbewegung. Wenn man als Teenie Terror gut findet, kann man selber wenig bis nichts dafür. Es ist das blinde Umfeld, das diese Halbstarken in eine ungewisse Zukunft entlässt.

Es musste erst der „Islamische Staat“ (IS) auftauchen, damit das Thema Islam wieder prominent auf der Agenda vieler Medien stand. Das von Abu Bakr al-Baghdadi, dem Anführer der Terrormiliz IS, ausgerufene Kalifat gibt der Berichterstattung eine neue Wende. So brutal und unerschrocken hat sich die böse Fratze des Islam selten gezeigt. Die IS-Anhänger steinigen ehebrechende Frauen, kreuzigen die aus ihrer Sicht ungläubigen Christen, vertreiben die religiöse Minderheit der Jesiden aus dem Irak und verbannen jeden Einfluss, der ihrer Meinung nach nicht mit der reinen Lehre des Koran vereinbar ist.
Und zum ersten Mal registrieren wir, dass es sich dabei nicht bloß um einen regionalen Krisenherd im Nahen Osten handelt. Der IS rekrutiert seine Kämpfer aus der ganzen Welt. Mehr als 2.000 kommen aus Europa, darunter Deutsche, Briten, Österreicher, Nieder­länder. Ein australischer Moslem hat sich sogar samt seinen drei minderjährigen Söhnen dem Dschihad angeschlossen. Das Kalifat tobt sich zwar gerade „nur“ in Syrien und dem Irak aus. Die Ideologie, die diese schrecklichen Taten möglich macht, ist allerdings schon längst bei uns angekommen.

In fast jeder europäischen Stadt gibt es heute eine salafistische Szene

Es sind Menschen, die den Koran wortwörtlich auslegen und westliche Werte wie die Trennung zwischen Staat und Kirche, Demokratie, Meinungsfreiheit, Geschlechtergleichheit, sexuelle Selbstbestimmung und weltliche Gesetzbarkeit ablehnen. Im deutschen Wuppertal gibt es nach britischem Vorbild eine erste Scharia-Patrouille. Junge Männer gehen auf nächtliche Streifzüge, um unter den Muslimen für moralische Ordnung zu sorgen. Eine etwas zu freizügig gekleidete Muslima, ein junger Türke mit Bierflasche in der Hand, ein Deutsch-Ägypter vor einer Spielhalle – und die Wächter des Islam sind zur Stelle. In London gibt es diese Sittenpolizei seit mindestens zwei Jahren. Junge Muslime, darunter auch Konvertiten, maßregeln jeden, der sich nicht an die Vorschriften der islamischen Gesetzgebung hält. Diese Form der Einschüchterung macht gerade Schule, und die europäische Justiz setzt ihr nur wenig entgegen.

Der Salafismus ist inzwischen eine Art Popkultur

Der Psychologe Ahmad Mansour spricht sogar von einer „Jugendbewegung“. Die gewaltbereite und rückständige Lesart des Islam spricht nicht mehr nur ausschließlich Teenager mit orientalischem Migrationshintergrund aus desolaten Familien an, sondern ebenso hippe Kids, die sich nach ein wenig Abenteuer in ihrem tristen Alltagsgrau sehnen. Sie heißen Mehmet, Ali, Sharif und Rashid genauso wie Florian, Stefan, Thomas und Andreas. Es sind orientierungslose Jugendliche, die in einer komplexen Welt nach einfachen Lösungen suchen, in welcher der Islam die passende Antwort auf jede Lebensfrage bietet. Doch nicht alle landen automatisch beim Salafismus, der konservativsten Strömung im Islam, die das Leben zu Zeiten Mohammeds zum Vorbild hat. Nicht alle lassen sich einen Vollbart wachsen, lernen sämtliche Suren aus dem Koran auswendig und tragen Pluderhose und Häkelmütze. Nein, die meisten leben ihr Leben ganz normal weiter. Doch sie sympathisieren allzuoft und allzugerne mit terroristischen Vereinigungen wie dem Islamischen Staat, Al-Qaida oder Boko Haram. Jugendliche schauen sich heute die Propagandavideos des IS an, wie Pubertierende in den Achtzigerjahren die Rambo-Filme gesehen haben. Nur sind die IS-Videos real. Und sie verbreiten im Gegensatz zu Rambo eine gefährliche Ideologie: Nur wer an Allah glaubt, ist des Lebens würdig. Alle anderen müssen sterben. Für instabile Jugendliche ist der Weg zum Paradies attraktiv. Der Takbir- oder Allah-Zeigefinger, den die IS-Kämpfer zu ihrem Symbol gemacht haben, ist auch unter muslimischen Jugendlichen in Deutschland und Österreich zum Erkennungsmerkmal geworden.

Bildschirmfoto-2Wenn man für einen Moment die vertrauten Straßennamen und die abendländische Architektur ignoriert, könnte man in vielen europäischen Stadtvierteln denken, man habe sich in einen Gottesstaat hinein verirrt. Wie etwa in Duisburg-Marxloh, Berlin-Neukölln oder Dinslaken-Lohberg. Es sind Bezirke voll tickender Zeitbomben. Viele sind bereits nach Syrien in den Dschihad gereist. Manche werden dort sterben, manche werden zurückkehren. Wenn die Auswanderer wieder nach Deutschland und Österreich kommen, sind ihre Hirne voll Hass auf die Ungläubigen. Das werden sie im Kalifat gelernt haben.

Der Islamische Staat im Nahen Osten und die gewaltbereiten Muslime in Europa verhalten sich zueinander wie kommunizierende Röhren. Deutsche und österreichische Salafisten ziehen in den Dschihad in die Levante, um dort auf dem Schlachtfeld Allah nahe zu kommen. Umgekehrt rufen Vertreter des IS dazu auf, Zivilisten in Europa und Amerika zu ermorden. Dass es bei uns noch nicht geknallt hat, haben wir nur den hervorragend arbeitenden Nachrichtendiensten zu verdanken, die einen kühlen Kopf bewahren und die Situation zu jedem Zeitpunkt im Auge haben.

Denn überall, wo es den Islam gibt, gibt es auch Islamismus. Sie sind wie siamesische Zwillinge. Der eine ist ohne den anderen kaum überlebensfähig, weil sie zu sehr miteinander verwachsen sind. Bei notwendig gewordenen Operationen stirbt oft ein Zwilling für die Gesundheit des anderen. Man kann nur hoffen, dass die islamische Welt es schafft, den Islamismus zugunsten eines gesunden Islam zu überkommen. Es wäre auch heilsam für Europa. ◗

Oliver Jeges, geb. 1982 in Wien, ist österreichischer Journalist und Buchautor. Er studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Geschichte in Wien und lebt seit 2009 in Berlin. Jeges schreibt u. a. für Die Welt, Berliner Morgenpost, Cicero, Liberal, taz, Der Standard und Jüdisches Echo.

20 KOMMENTARE

  1. Was stellen Sie sich unter einem gesunden Islam vor? Den gibt es nicht. Es gibt den „strengen“ Islam und moderate Muslime, die den strengen Islam nicht praktizieren. Dafür müssen diese aber ständig ein schlechtes Gewissen haben oder Angst vor den „Strengen“. Zu einer besonderen Aktivität gegen den strengen Islam, der gerade so im Trend ist (oder schon lange, nur eben vom Westen unbemerkt, siehe Muslimbrüder) werden Sie die Moderaten nicht bringen können. Letztendlich haben sie keine Handhabe dafür. Sie können eben nicht wie wir auf eine säkulare Tradition des Denkens zurückblicken. Wir können nur eines tun: Die Quellen des strengen Islams und möglichst viele Angehörigen desselben (vor allem Mullahs, Lehrer usw. Mediatoren) aus unserem Land oder besser noch Europa entfernen – wenn es noch nicht zu spät ist.

  2. Islamismus verhält sich zum Islam wie
    Alkoholismus zum Alkohol.
    Bei beiden benötigt der -ismus ein Gebräu.

  3. einer der schlechtesten artikel, den ich bisher zum thema islam lesen durfte. damit reiht der text sich zu den täglichen bild-artikel ein. nicht nur, dass der islam durch diesen artikel mit dem salafismus gleichgesetzt wird, sonder darüber hinaus noch hetzerisch ist. wie kann ein gebildeter man, wie der autor dieses artikels, so naiv sein? er verkennt, dass der nahe osten von der westlichen seite seit jahrzehnten ausgebeutet wird und diese krisenherden selber schafft. al-kaida und die abgespaltete gruppe is sind eine terrorgruppe, die von den amerikanern ins leben gerufen wurde. die wahre bedrohung stellen solche leute dar, die vorurteile haben und alle über einen haufen scheren. hitler würde hier den begriff des untermenschen verwenden.

    • Ich denke die Wahrheit steckt wohl dazwischen. Einerseits gehört der islamistische Terror zur Geopolitik bekannter Akteure, aber anderseits sind CIA, NATO bzw der Westen doch nicht alleine dafür verantwortlich, dass seit nachweislich 1400 Jahren „der Islam“ eine Spur der Verwüstung hinter sich herzieht und bisher in keinem Land mit Demokratie vereinbar war und es auch wohl nie sein wird.

    • Die westliche Seite konnte damals die Vorherrschaft (Kolonien) in den heutigen Krisengebieten nur erlangen, weil die Araber schon immer uneins in ihrer Glaubenseinstellung waren und sich gegenseitig bekämpft haben.

      Und heute? Sie bekämpfen sich immer noch gegenseitig, ganz ohne zutun des Westens. Denn, wenn kein Diktator installiert ist oder der Westen keine Truppen stationiert hat, geht es von vorne los.

      Hausgemachte Probleme, die in unterschiedlichen Auslegungen des Islam ihren Ursprung haben.

    • „die wahre bedrohung stellen solche leute dar, die vorurteile haben und alle über einen haufen scheren.“

      Das ist falsch. Die wahre Bedrohung sind Menschen wie Sie, die in allem und jedem immer nur das Gute sehen wollen. Diese Menschen wundern sich dann, wenn das Kind im Brunnen liegt und sich dann fragen, wie das passieren konnte.
      Solche Menschen gehen mir gewaltig auf den Sack.

    • Sie Reden wie ein Pseudo-Moderader Imam! Gebildet sind sie sicher nicht, wie auch kein Imam gebildet sein kann! Der Islam ist das was er ist, eine faschistische und verfassungsfeindliche Ideologie. Leute wie sie versuchen mit Scheinerklärungen weiter uns aufgeklärten Menschen den Islam schmackhaft zu machen. Wie halten sie es eigentlich mit der Scharia und der Nichtgleichstellung der Frau, guter Muselmann. Die Scharia hat wohl auch nichts mit Islam/Salafismus… zu tun oder was. Sie Reden gequirlten Unsinn wenn sie sagen: die Bedrohung kommt von Menschen mit Vorurteilen. Das ist typisch für den Muselmann „Verschleiern und Täuschen“. Das sind keine Vorurteile sondern Urteile auf der Basis der Erkenntnis. Der Westen würde den Nahen-Osten ausbeuten. Das ich nicht lache! Mohamet und seine Schergen haben immer nur gewaltsam die intelligenten Völker unterworfen und sich zu Nutzen gemacht, bis auch diese verdummten und ihre Kultur verloren und das hat wohl immer so eins bis zwei Generationen gedauert. Wissenschaftlich hat der Islam nichts aber auch gar nichts aufzuweisen. Die würden heute noch versuchen das Rad zu erfinden. Warum sind die Islamischen Länder den so unterentwickelt. Stellen sie sich mal geistreiche soziologische Fragen. Ohne den Westen würden die Länder heute noch in Lehmhütten leben und auf Kamelen sitzen. Ja , ja der böse Westen. Wenn er so böse wäre warum zahlt er eigentlich so viel für den Rohstoff Öl. Wäre ja nie ein Problem gewesen sich das einfach zu holen. Der Muselmann kann damit sowieso nichts anfangen. Ich kenne Ex-Muslime die schütteln nur den Kopf das wir in unserm Land den Islam dulden. Leute wie sie, sind unserer Gesellschaft gegenüber unverantwortlich und wären gut beraten in islamisch geprägte Länder zu siedeln.

    • Salafismus wird nicht mit Islam gleichgesetzt, sondern mit Islamismus. Und es wurde hier klar durch den metaphorischen Vergleich der siamesischen Zwillinge zwischen Islam und Islamismus unterschieden…

    • Ich weiß nichts davon, dass die ‚westliche Seite‘ den Nahen Ostens seit Jahrzehnten ausbeutet!

      Was wäre denn da auch zu holen, außer Öl im Irak?
      Wen meinen Sie denn mit der ‚westlichen Seite‘?

      Deutschland und Österreich haben damit gewiss nichts zu tun und daher auch nicht die Zeche für irgendeine Form von Ausbeutung zu zahlen.

      Ich stimme Ihnen zu, dass die Amerikaner überall zündeln; derzeit in der Ukraine. – Aber wie sind die Amis zu stoppen?

      Ich habe den Koran schon vor Jahren gelesen, als Goldmann-Taschenbuch.
      Sie auch? – Da gehen einem die Augen auf und über! Nein, einen ‚gesunden‘ Islam gibt es nicht, der ist hoffnungslos rückständig und passt nicht mehr in die Gegenwart.

    • Ein gesunder Islam:
      Kein Schweinefleisch essen, keinen Alkohol trinken, keine Zigaretten rauchen, keine Musik hören, nicht tanzen.

      Denn das ist alles nachweislich schlecht. Beim Schweinefleisch gibt’s Pickel und Gicht, der Alkohol macht aggressiv und dumm, Zigaretten sind schlecht für die Atemwege und Blutbahnen, Musik kann einem zum Tanzen anregen und beim Tanzen kann man sich die Haxen brechen.

      Ach ja, und Bildnisse sind auch schlecht, denn das behindert die Phantasie.

      Wie wir sehen ist der Islam eine fortschrittliche Religion, die den Menschen nur im guten Gewissen bevormundet und noch nicht mal durch die Grüne Ideologie geschlagen werden kann (in der Behandlung von Minderjährigen sind diese Ideologien sogar fast Deckungsgleich. Stichwort: Pädophilie.).

  4. Ein mäßiger Artikel ohne Tiefgang. Der Autor erkennt die „Erscheinungen“ benennt aber nicht die Ursachen. Von einem Studiosus der Philosophie und Historie kann man weitaus mehr erwarten. Siehe Peter Scholl-Latour.
    Einen gesunden Islam gibt es nicht, denn der Koran ist die Glaubensgrundlage. Der islam ist keine Religion, sondern eine Staatsform, nämlich der Umma. Religionsstifter ist Mohammed, ein grausamer Krieger und Massenmörder. Der Koran ruft in seinen Suren zum Lügen & Betrügen der „Ungläubigen“ auf, um sie dann bei passender Gelegenheit abzuschlachten, wie die Schafe.
    Nur ein Dummkopf glaubt, daß der Islam eine Religion des Friedens ist, wie die Massenschändungen von deutschen Mädchen & Frauen durch Muselmanen gezeigt haben, samt Schändungen von Gotteshäusern z.B. in Augsburg.

  5. Sie hassen uns schon jetzt.Warum weiss jeder was mit „Was guckst du“ gemeint ist?Nein das ist keine Comedy Show sondern Realität seit 30 Jahren!Und was darauf folgt weiss auch jeder…

  6. Ich hoffe, dass von denen, die den Fronteinsatz überleben, möglichst viele von der oben angeführten Abenteuerlust geheilt sein werden.

  7. Mir ist Oliver auch in weiten Teilen zu einseitig – das trägt, ob sein Befund nun stimmig ist oder nicht – nur zu einer weiteren Polarisierung und zu Trotzreaktionen bei. Mehr noch: es LIEST sich wie eine Trotzreaktion. Aber auch im Wina findet sich dieses deutlich durchdachtere Interview: https://www.wina-magazin.at/?p=9317 – das scheint mir der stimmigere Zugang zu sein, ist aber dennoch im Kern nicht so weit von Olivers Aussagen entfernt.

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