Streng, mit roten Knöpfen

2013

Tehilla Gitterle ist gelernte Modedesignerin und hat in Hernals ihren eigenen Salon eröffnet: Linusch. Text & Fotos: Reinhard Engel   

Strahlend steht sie in ihrer Zauberwerkstätte. „Natürlich ist es wichtig, dass es eine Auslage zur Straße gibt, dass mich neue Kundinnen finden. Aber genauso wichtig ist, dass nicht alle fünf Minuten jemand hereinkommt, damit ich auch arbeiten kann.“ Gleich hinter dem Verkaufstisch voller Stoffmuster stehen zwei Nähmaschinen, auf derben Ästen hängen Kleider, Hosen, Jacken und Blusen, sämtlich Einzelstücke, von Tehilla Gitterle nicht nur entworfen, sondern auch genäht.

„Linusch ist die Abkürzung von unseren beiden Spitznamen: Tillusch und Lina.“ Tehilla Gitterle

„Ich wollte nie nur entwerfen und die Designs dann anderen zur Umsetzung übergeben“, erklärt Gitterle, Jahrgang 1983. Sie hat zwar Modedesign in Hetzendorf studiert, „und mit dem Abschluss hätte ich mich auch gleich selbstständig machen können. Aber ich war noch nicht so weit, ich habe noch praktische Erfahrung gebraucht.“ Ein Praktikum bei der inzwischen verstorbenen Wiener Designerin Nomi Goldfarb hatte sie während der Ausbildung absolviert, bei ihr auch gelernt, wie man ohne vorgegebene Schnitte Stoffe direkt auf Puppen drapiert. Aber dennoch wollte sie zunächst einmal in unterschiedliche Bereiche hineinschnuppern.

Jüdisch-religiöse Kindheit

moooDie Kreativität hat Gitterle schon von Zuhause mitbekommen. Die Mutter, geborene Israelin, war früher Textildesignerin und arbeitet jetzt als Kunsttherapeutin. Der Vater, ein Tiroler, ist Bildhauer und stammt selbst wiederum von einem bekannten Bildhauer ab. Sie ist in einem jüdisch-religiösen Haushalt aufgewachsen, der Vater war übergetreten, „und wir haben Schabbat und Feiertage eingehalten“. Jetzt ist sie vielleicht nicht mehr ganz so streng, aber zu den Feiertagen geht sie schon in den Stadttempel.

Zuerst arbeitete Gitterle – unbezahlt – einige Monate bei Art for Art, den Werkstätten der Bundestheater. Sie konnte dort in mehreren Bereichen Erfahrung sammeln, ob bei den Schuhmachern, bei den Modisten, vor allem aber bei den Herren- und Damenschneidern. „Wir haben auch Kleidermalerei gemacht, etwa Blut für die Schauspieler auf Hemden appliziert.“ Dann jobbte sie nebenbei längere Zeit bei einem Textildrucker, keinem Industrieunternehmen, sondern einem, der T-Shirts bedruckt. Es folgten mehrere Arbeiten fürs Theater: Sie entwarf und nähte Kostüme für ein Wiener Kindertheater, für das Jewish Theater of Austria von Warren Rosenberg und für eine Prager Kabarettbühne.

moZu Letzterer hatte sie eine Freundin gebracht, mit der sie auch gemeinsam ihr Label entwickelte: Linusch. „Das ist die Abkürzung von unseren beiden Spitznamen: Tillusch und Lina.“ Gemeinsam mit der Freundin arbeitete sie in einer zum Atelier umgewandelten Waschküche an eigenen Entwürfen, etwa ihrer Fischtasche, die es immer noch im Geschäft auf der Hernalser Hauptstraße zu kaufen gibt. Auch mit Stoffsiebdruck experimentierten die beiden schon früh, und noch heute ist ein Teil ihrer Entwürfe aus selbstbedruckten Materialien genäht; erst wenn mehr Farben gebraucht werden, weicht sie auf Digitaldruck aus.

Verkauft wurde ab Atelier oder bei diversen Designmärkten. „Aber mit der Zeit habe ich gesehen, dass das nicht mehr so gut geht. Es sind immer mehr Märkte geworden, man geht in der Masse unter.“ Und auch wenn sie auf Auftrag Maßgeschneidertes fertigten, ein wirklich kommerzieller Erfolg stellte sich nicht ein. Gitterle beschloss, ein Geschäftslokal zu suchen, und als ihre Freundin andere Projekte vorzog, entschied sie sich für den Alleingang.

Lebendiges Unternehmertum
Tehilla Gitterle in ihrem neuem Salon, der zugeich ihre Nähwerkstatt ist, in den Räumen eines ehemaligen Schmuckgeschäftes mitten in Hernals. © 2014 Microsoft Nutzungsbedingungen Datenschutz und Cookies Impressum Entwickler Deutsch
Tehilla Gitterle in ihrem neuem Salon, der zugeich ihre Nähwerkstatt ist, in den Räumen eines ehemaligen Schmuckgeschäftes mitten in Hernals.
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„Es war gar nicht so schwer, etwas zu finden. Ich habe das Lokal renoviert übernehmen können, ein ehemaliges Schmuckgeschäft“, freut sie sich. Hier verkauft und näht sie jetzt, allein fühlt sie sich nicht: „Ich bin ganz vertieft in die Arbeit.“ Überdies ist rundherum ein neues Grätzel entstanden, mit anderen jungen Unternehmern und Unternehmerinnen, ob für Tee oder Kunst, man plaudert miteinander, besucht sich gegenseitig. „Und es wird laufend renoviert und umgebaut.“

Ihre Mode richtet sich nicht an ganz junge Mädchen, „meine Kundinnen sind eher Frauen ab 40, die etwas Besonderes suchen“, erzählt Gitterle, „die sich individuell kleiden wollen“. Ihre Entwürfe fallen beinahe archaisch, simpel aus, mit geraden Schnitten, meist aus Naturfasern: Baumwolle, Leinen, etwas Seide. Oft zeigen die Modelle zwei Farben, etwa blau und grün, schwarz und weiß, und dazu einen kleinen Gegenschuss, etwa rote Knöpfe oder Bänder. Ihre Vorbilder sieht sie einerseits bei den Entwürfen der Wiener Werkstätte – und manchmal zitiert sie auch Art-Deco-Muster – anderseits bei den Japanern Issey Miyake und Yoichi Yamamoto.

Das Geschäft ist gut angelaufen, mittlerweile verkauft sie schon mehr fertige Teile als nach Auftrag Genähtes. „Da meine Schnitte nicht so eng sind, passen die Größen S, M, L auch leichter.“ Einen Umbau hat sie noch vor in nächste Zeit: Sie will in dem hohen Verkaufsraum ein Zwischengeschoss mit Galerie einbauen, wie es auch manche der traditionellen Wiener Salons früher hatten.

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