Schuster mit Stimme

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Eduard Babadost kam vor 30 Jahren der Musik wegen nach Wien. Vor zwei Jahren sang sich der Tenor aus Tadschikistan bis ins Halbfinale der ORF-Castingshow Die große Chance. Von Alexia Weiss   

Eduard Babadost ist kein Mann der vielen Worte, dennoch erzählt er gerne – und lacht oft, nicht nur mit den Augen. Viel gibt es über seine Kindheit und Jugend in Tadschikistan nicht zu sagen, „ich kannte es ja nicht anders“. Die Familie habe jüdisch gelebt, aber nicht nach außen. Sei man traditionell gewesen? Oder – dem politischen System der Sowjetunion geschuldet – doch eher säkular? „Normal“, sagt Babadost, „aber nicht so laut, nicht so offen“. Soll heißen: Zu Hause aß man koscher, beschnitten wurde immer gleich in der Früh, und Feste auf der Straße gab es nicht. „Die Chuppa war dann irgendwo im Keller.“

„Musik versöhnt die Menschen“

Dennoch sei es der Familie ganz gut gegangen – der Vater, ein Musiker, habe für Fernsehen und Radio gearbeitet, sein Metier mittelasiatische Folklore, sein Instrument die Tar, eine gezupfte Langhalslaute. Als Eduard Babadost die Schule bereits verlassen hatte, trat auch er immer wieder mit dem Vater auf. Er sorgte dabei für den Rhythmus.

Das Instrument dafür, die Doira, eine Rahmentrommel mit Schellen, zieht Babadost heute in seiner Wiener Werkstatt unter einer Bank hervor, beginnt im Takt zu schlagen. Obwohl die Musik nach wie vor sein Leben bestimmt, bestreitet er seine Existenz mit einem gänzlich anderen Beruf: Er ist Reparaturschuster, das dazu nötige vor 30 Jahre erworbene Diplom des WIFI hängt im Hinterzimmer an der Wand.

Vorne, im Hauptraum, wo sich die reparaturbedürftigen Schuhe stapeln und die Türe immer wieder mit einem Glockenklingeln aufgeht, wenn ein Kunde, öfter eine Kundin kaputtes Schuhwerk bringt oder abholt, hat Babadost Plakate mit seinem Konterfei aufgehängt. Sie erzählen von seinen Konzertaufritten als Tenor, das nächste ist diesen Dezember in der Franziskanerkiche, ein Benefizkonzert für einen Verein querschnittgelähmter Unfallopfer.

Nein, schlecht gegangen sei es ihnen in der Sowjetunion nicht, erzählt er, aber gut eben auch nicht. Vor allem der Vater, der in Tadschikistan sehr bekannt gewesen sei, habe den Antisemitismus gespürt und außerdem hätten alle das Land verlassen. So machte sich auch die Familie Babadostow, wie sie in der Sowjetunion hieß, daran, nach Israel auszuwandern.

Die ersten Eindrücke dort: Alles konnte man offen feiern, große Hochzeiten, Bar Mitzwas. Die Sache mit dem Etikett von außen sei aber geblieben. In der Sowjetunion seien sie die Juden gewesen, in Israel die Russen. Und hier in Wien? „Da bin ich auch der Russe.“ Dass Tadschikis­tan ja gar nicht russisch sei, dieses Bewusstsein habe sich erst nach dem Zerfall der Sowjetunion herausgebildet.

Dennoch: Die Jahre in Israel waren schön, das Hebräischlernen anfangs nicht leicht und die Arbeit vielfältig: Babadost gravierte Grabsteine, war Damenfriseur, Fotograf. Das Fotografieren hatte er noch in Duschanbe erlernt und dort bereits ausgeübt.

Zusammenbleiben

Anders als andere landete er schließlich nicht der Familie wegen in Wien, im Gegenteil. Er besuchte Österreich als Tourist – und spürte hier in jedem Quadratzentimeter der Bundeshauptstadt Musik. Hier wollte er leben, also emigrierte er erneut. Nach und nach kam auch die Familie nach – „weil es wichtig ist zusammenzubleiben“.

Musik und Frieden

Der Vater erlernte wie sein Sohn das Handwerk des Reparaturschusters. Auch er musizierte allerdings weiter, und freitags und samstags gibt es Hausmusik mit der Familie. Babadosts inzwischen erwachsene drei Söhne sind dabei ebenfalls mit von der Partie – und sein Ältester hat die Musik auch zum Beruf gemacht. Anders als der Vater, der es gerne klassisch mag und bei Die große Chance mit italienischen Melodien, etwa von Caruso, auftrat, ist der Sohn wie sein Großvater mit Folklore unterwegs. Stolz zeigt Babadost Fotos von Auftritten der verschiedenen Familienmitglieder.

Was er sich noch vom Leben wünscht? „Ehrlich gesagt: Frieden auf der Welt. Was heutzutage alles passiert, ist eine Katastrophe. Und so vieles passiert im Namen der Religion, das ist falsch. Das ist meine Meinung. So kann man nicht leben. Es tut mir sehr weh, wenn ich im Fernsehen sehe, was alles passiert, im Irak, in Israel, egal wo.“ Geht es nach Babadost würde die Musik regieren, denn er ist überzeugt davon, dass man mit Musik Frieden erreichen könnte. „Musik versöhnt die Menschen.“

Ihm persönlich versüßt sie jedenfalls auch seinen Arbeitsalltag. Wenn man genau schaut, sieht man in seiner Werkstatt Zettel kleben, auf denen sich Babadost Liedtexte notiert hat. Sind gerade keine Kunden im Geschäft und ist er alleine mit den Schuhen beschäftigt, nutzt er die Zeit gerne zum Üben. Das nächste Konzert wirft stets schon seinen Schatten voraus. ◗

Eduard Babadost, geb. 1959 in Duschanbe, Tadschikistan. Im Alter von 20 Jahren Emigration nach Israel, sieben Jahre später erneute Auswanderung, nun nach Wien. Babadost ist Reparaturschuster in Wien-Döbling und tritt privat als Tenor auf. Vor zwei Jahren nahm er am ORF-Format Die große Chance teil. Babadost ist verheiratet und Vater dreier erwachsener Söhne.

Foto: © Daniel Shaked

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