„Den großartigen Librettisten Löhner-Beda darf man nicht vergessen“

1851

Beatrice Gleicher erzählt in ihrem neuen Programm die musikalische Lebensgeschichte des Librettisten Fritz Löhner-Beda, der 1942 in Auschwitz ermordet wurde. Von Marta S. Halpert

Sie ist temperamentvoll und strahlt echte Herzlichkeit aus. Man kann sich die lebhafte Blondine gut in ihren vielen Bühnenrollen vorstellen: Angefangen von Partien in diversen Operetten bis hin zum Reigen der Musicals: Cats in Zürich und Mass von Leonard Bernstein an der Wiener Staatsoper. Beatrice Gleicher, 1957 in Dillenburg am Main geboren, kam im Alter von acht Jahren mit ihren Eltern nach Wien, ging hier ins Realgymnasium und wusste sehr früh, was sie wollte. Zuerst war es das Tanzen, dann das Klavierspielen und bald darauf die musikalische Ausbildung.

„Dein ist mein ganzes Herz! Wo du nicht bist, kann ich nicht sein.“ aus: Das Land des Lächelns

„Am Konservatorium Wien habe ich mein Diplom in Tanzpädagogik gemacht, dann folgte das Schauspiel, da gehörte auch Susi Nicolette zu meinen Lehrerinnen. Gesang, Stimmbildung, Bühnenreife, alles musste perfekt erlernt und gekonnt sein.

Teil der jüdischen Familie

Die Mutter von fünf Kindern hat erst beim dritten Kind eine Pause in der künstlerischen Karriere eingelegt. „1990 lernte ich Michael Gleicher kennen und lieben und bald darauf wurde ich ein Teil der jüdischen Familie.“ Beatrice gelingt es, Schwiegermutter Genia, die bis dahin über die Kriegswirren und ihr dramatisches Überleben geschwiegen hatte, zum Reden zu bewegen. Es entsteht der Roman Zloczów,was nun? die authentische Lebensgeschichte des Ehepaars Genia und Mundek Gleicher. „Ich habe das auf Wunsch unserer Kinder geschrieben“, erzählt Beatrice, die das Thema nicht mehr loslässt. Als sie dann 2009 bei der Bar Mitzwa ihres Sohnes Dennis wieder singt, packt das musikalische Virus sie erneut. Gleicher beginnt mit ihrem künstlerischen Partner René Rumpold wieder aufzutreten und eigene Programme zu gestalten.

„Mit Fritz Löhner-Beda habe ich mich erst befasst, als mir meine Freundin Waltraud Barton Näheres über sein Schicksal erzählt hatte.“ Löhner-Beda, der heute zu Unrecht vergessene Librettist dutzender berühmter Schlager des letzten Jahrhunderts, war auch maßgeblich am Erfolg der Operettenkomponisten Franz Lehár, Ralph Benatzky oder Paul Abraham beteiligt. Nur wenige wissen noch, dass die populären Lieder wie Ausgerechnet Bananen, Was machst du mit dem Knie, lieber Hans oder Drunt’ in der Lobau allesamt aus seiner Feder stammen. 1922 verhalf er Hans Moser zu seinem Durchbruch als Schauspieler. Für seine geliebte Ehefrau und Mutter seiner beiden Töchter schrieb er den Welterfolg Dein ist mein ganzes Herz.

Dieses Lied wählte Beatrice Gleicher zum Titel ihres neuen Programms in der Neuen Tribüne Wien im Keller des Café Landtmann. „Es ist die musikalische Lebensgeschichte dieses großen Künstlers, der bereits mit dem ersten ‚Prominententransport’ aus Wien nach Dachau und später nach Buchenwald deportiert wurde“, erzählt Gleicher, der es zu danken ist, dass man jetzt wieder diese unsterblichen Melodien hören kann.

Fritz Löhner-Beda wurde am 4. Dezember 1942 in Auschwitz ermordet. Nicht weniger tragisch ist die Geschichte seiner Frau Helene und der Töchter Lieselotte und Annamaria: Alle drei Frauen wurden Ende August 1942 in das Todeslager Maly Trostinec in der Nähe von Minsk verschleppt und dort getötet. „Ich war Anfang Juni 2014 mit der Gedenkreise in Weißrussland und habe dort große gelbe Namensschilder an die Bäume geheftet. Denn die Ermordeten von Maly Trostinec, darunter 13.500 Wiener Juden, haben dort heute noch keinen Gedenkstein.“ Barton hat 2011 den Verein IM-MER, „Initiative Malvine – Maly Trostinec erinnern“, gegründet. Für diesen Verein veranstaltet Beatrice Gleicher am Mittwoch, 10. Dezember 2014, eine Benefizveranstaltung ihres Löhner-Beda-Abends. ◗

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