„Am schwierigsten ist die Materie Medien“

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Über Israel-Reisen, Belvedere und Staatsoper, die Türkei, Medien und Regierungspolitik sprach Bundesminister Thomas Drozda mit Marta S. Halpert.

WINA: Ihre geplante Reise nach Israel Ende Januar wurde wegen der Verhandlungen zum erneuerten Regierungsabkommen kurzfristig abgesagt. Gibt es schon einen neuen Termin?

Thomas Drozda: Der Kanzler und ich planen, im April gemeinsam nach Israel zu reisen. Eventuell fahre ich etwas früher, da ich die Kulturministerin treffen und mir noch einige Projekte, wie die Hand-in-Hand-Schule in Jerusalem ansehen möchte.

Waren Sie am 9. Juni 1993 in Jerusalem dabei, als Kanzler Franz Vranitzky seine historische Rede an der Hebräischen Universität gehalten hat?

❙  Da war ich nicht dabei, weil ich damals bei Kanzler Vranitzky für einen anderen Bereich zuständig war. Ich habe das Land aber immer wieder mit viel Begeisterung bereist.

Seit Ihrem Amtsantritt als Bundesminister für Kunst und Kultur Mitte Mai 2016 haben Sie zwei Personalentscheidungen getroffen, die nicht nur von den Medien kritisch begleitet wurden. Als erstes haben Sie den Vertrag der Direktorin des Belvederes nicht verlängert. Da hört man jetzt, Sie hätten zu schnell auf gewisse interne Intrigen reagiert. Wie sehen Sie das heute?

❙  Ich habe den Dienstvertrag nicht über 2016 hinaus verlängert, weil gegen Agnes Husslein Compliance-Vorwürfe erhoben und von einer externen Stelle bestätigt wurden. Das ist im Übrigen etwas anderes als abzuberufen. Auf Grundlage der Ergebnisse der Untersuchung habe ich dann die Entscheidung getroffen, einen Neustart für das Belvedere ab 2017 einzuleiten, da ich in der damaligen Konstellation nicht die Möglichkeit gesehen habe, die Kunst in den Fokus des für Österreich so wichtigen Museums zu rücken. All das schmälert natürlich weder die Leistungen noch die Verdienste von Direktorin Husslein, aber es ändert nichts daran, dass gewisse Dinge im öffentlichen Bereich so nicht akzeptabel sind.

Die zweite Neubestellung betrifft die Wiener Staatsoper. Der höchst erfolgreiche Direktor Dominique Meyer, der sowohl eine fast hundertprozentige Auslastung als auch ein musikalisch anspruchsvolles Programm vorzeigen kann, wurde recht unsanft behandelt. Kaum ein Opernfreund findet, dass man gerade die Staatsoper stark verändern muss, also dass es dort eine Art industrieller Revolution braucht, wie es das Konzept einer „Staatsoper 4.0“ suggeriert.

❙  Wenn die Amtszeit von Direktor Meyer im Jahr 2020 zu Ende geht, hat er die Oper zehn Jahre geleitet und ist 65 Jahre alt. Jetzt war mit großer Vorlaufzeit zu entscheiden, wer das Haus zwischen 2020 und 2025 führen soll. Gemeinsam mit der Bundestheaterholding und einer Personalberatung gelang ich zu dem Entschluss, dass es überzeugendere Konzepte gab als jenes des Amtsinhabers. Ich bin der Ansicht, dass mit Bogdan Roščić eine Persönlichkeit die Staatsoper übernimmt, die nicht nur für einen Generationswechsel steht, sondern auch für einen leidenschaftlichen Kunstanspruch. Das ändert nichts an den Verdiensten des Amtsinhabers: Die hohe Auslastung ist sehr wesentlich, das musikalisch hohe Niveau ist durch das Staatsopernorchester und die Philharmoniker gewährleistet.

Glauben Sie, dadurch jüngeres Publikum in die Oper zu locken?

❙  Das Durchschnittsalter der heimischen Bevölkerung liegt bei knapp unter 43 Jahren. Das Durchschnittsalter der Opernbesucher beträgt 54 Jahre – deshalb ist es mehr als zulässig, darüber nachzudenken, wie man in Zukunft neue Zielgruppen, zum Beispiel über die sozialen Medien, erreichen kann. Am Beispiel der Oper in München, die kürzlich zum „Opernhaus des Jahres“ gekürt wurde, sieht man, dass dieser Balanceakt zwischen Innovation und hoher musikalischer Qualität zu schaffen ist. Im Idealfall verbinden sich Innovation, musikalische Höchstleistung und Dramaturgie und machen damit die Oper zu einer der herausragendsten Kunstformen. Oder wie das Alexander Kluge formulierte: Oper ist das Kraftwerk der Gefühle. Ich bin davon überzeugt, dass es dem Kraftwerk der Gefühle gut tut, wenn man dort ab 2020 einen Generationenwechsel vornimmt.

Wie beurteilen Sie als Medienminister und Sozialdemokrat die Tatsache, dass jetzt nicht nur 150 türkische Journalisten inhaftiert sind, sondern auch Auslandskorrespondenten nur unter höchster Bedrohung und Gefahr arbeiten können?

❙  Die Entwicklungen, die die Türkei in den letzten Jahren und insbesondere im letzten Halbjahr genommen hat, sind besorgniserregend. Die Zensur der Medien ist strikt zu verurteilen. Auch die Entfernung tausender Beamter aus ihren Positionen in einer Art „Säuberungswelle“ – es gibt keinen anderen Begriff als diesen grauenvollen – ist ein Zeichen dafür, dass die Demokratie in eminenter Gefahr ist. Da kann man nur ganz klar und massiv dagegen eintreten.

Als Verfassungsminister sage ich, es erübrigt sich jede Diskussion über den Rechtsstaat. Das ist eine autoritäre Führungsform, die da angestrebt wird: mehr Macht in den Händen eines einzelnen.

In Ihrer Funktion als Medienminister sind Sie dabei, die Presseförderung neu zu gestalten. Es überrascht, dass jetzt auch auflagenstarke Gratis- und Boulevardmedien, die ohnehin sehr viele Inserate der öffentlichen Hand bekommen, zusätzlich gefördert werden sollen. In einer Zeit, da gerade die seriösen Medien weltweit angegriffen werden und mit Beschimpfungen à la „Lügenpresse“ und fake news konfrontiert sind, also die kontrollierende Macht der Medien verunglimpft wird, soll das gefährliche Vereinfachen belohnt werden?

❙  Ich sehe das nicht so. Die Medienförderung, die wir in Österreich haben, ist eine Vertriebsförderung und stammt noch aus der Zeit vor dem EU-Beitritt. Diese ist bis heute alleine auf den Vertrieb gedruckten Papiers ausgerichtet. Nun wissen Sie wie ich, wie sehr sich die Medien durch die Digitalisierung verändert haben. Länder wie Dänemark oder Schweden haben bereits erfolgreich ein neues Fördersystem implementiert. Ich habe mir viele internationale Beispiele angesehen, und am plausibelsten erscheint mir der Fokus auf Journalistinnen und Journalisten, denn Medien werden nicht von Computeralgorithmen gemacht. Und wenn man die Presseförderung wirklich für die nächsten 10 bis 15 Jahre neu gestalten will, muss man das plattformneutral machen. Das heißt, gleich ob man sich im digitalen Raum bewegt oder auf gedrucktem Papier Inhalt erzeugt, letzten Endes steht der Content im Mittelpunkt und nicht die Ausgabeform.

Sie meinen also, man soll Print und Digital gleichermaßen fördern?

❙  Bei Print fördert man jene, die entgeltliche Zeitungen machen, im digitalen Bereich gibt es ein entgeltliches Angebot nur in seltenen Fällen. Wenn man es plattformneutral gestaltet, heißt das, man fördert das digitale genauso wie das Printprodukt.

Und warum fördern Sie dann auch Gratiszeitungen?

❙  Wenn man unentgeltliche digitale Medien – solche ohne Paywall – fördert, muss das auch für Print gelten. Eine plattformneutrale Entscheidung impliziert also, dass man auf Paywalls verzichtet. Als Medienminister werde ich nicht behaupten, dass in manchen Redaktionen weniger gute Journalisten arbeiten als in anderen.

Das heißt, Sie wollen keine inhaltliche Bewertung vornehmen?

❙  Genau, das will ich nicht. Mir geht es darum, prinzipiell Journalistinnen und Journalisten zu fördern und keine inhaltlichen Bewertungen vorzunehmen. Jetzt könnte ich als Kulturminister sagen, die Kulturberichterstattung ist das Wichtigste, diese ist wichtiger als die Innenpolitik, und die Außenpolitik wäre wichtiger als die Chronik. Aber Sie sehen, in welch’ absurde Debatte man da kommen würde. Man kann sowohl Chronik erstklassig machen als auch Innenpolitik miserabel.

Mir ist eine neutrale, äquidistante Haltung des Staates wichtig. Er soll prinzipiell den Sektor unterstützen, gegen den massiven Wettbewerb, der auch durch TV, Google, Facebook und andere hart genug ist. Das ist mir sympathischer als ein Obrigkeitsstaat, der mit erhobenem Zeigefinger dekretiert, was journalistische Qualität ist.

Das Vorhaben, die Medien nach der Zahl der Arbeitsplätze zu fördern, lässt anspruchsvolle Wochen- und Monatsmagazine aus, die zumeist nur mit Halbtagskräften oder freien Journalisten ihr Überleben sichern können. Das sind Medien wie Datum, Parnass, Biber oder auch das WINA-Magazin, Publikationen, die breite Schichten der Bevölkerung erreichen. Werden diese Produkte auch auf der Basis Anstellung behandelt?

❙  Das derzeitige System ist eines, das Tageszeitungen und Wochenzeitungen fördert. Natürlich gibt es bei den Monatsmedien eine ganze Reihe, die wir ebenfalls gerne einbeziehen würden, und zwar auch nach dem Prinzip des Arbeitsplatzes. Die haben ja auch fest angestellte Journalisten. Und wenn es einen Kollektivvertrag gibt, ist es schwierig, bei einer öffentlichen Förderung darauf zu verzichten.

Wie soll das in der Praxis aussehen?

❙  Es gibt eine gewisse Anzahl von Journalistinnen und Journalisten, die man braucht, um überhaupt in den Genuss einer Förderung zu kommen. Das sind sechs bei den Tageszeitungen, und drei bei Wochen- und Monatszeitungen.

Sie fungieren auch als Regierungskoordinator. Haben sich ÖVP und SPÖ auf eine gemeinsame Strategie geeinigt, die FPÖ mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, um sie von der Macht fern zu halten?

❙  Es ist wichtig, die inhaltliche Auseinandersetzung zu führen. Das passiert derzeit. Seit dem „Plan A“ hat die SPÖ die Themenführerschaft in vielen Bereichen übernommen, siehe Beschäftigungs- und Sozialpolitik. Diese Themen bestimmen jetzt die Agenda in viel stärkerem Ausmaß, das finde ich gut und richtig.

„Ich wollte eine inhaltliche Diskussion über den Platz. Ob am Ende dieser Diskussion der Heldenplatz weiterhin so heißt, ist nicht spielentscheidend.“

Glauben Sie bei der Umbenennung des Heldenplatzes an eine edukative gesellschaftspolitische Wirkung?

❙  Ich wollte eine inhaltliche Diskussion über den Platz, der ein zentraler Gedächtnisort der Republik ist, anstoßen. Ob am Ende dieser Diskussion der Heldenplatz weiterhin so heißt, ist nicht spielentscheidend. Es ist wichtig, darüber nachzudenken, was der Heldenbegriff heute bedeutet. Ich musste lernen, dass dieser Denkanstoß beträchtliche Schockwellen ausgelöst hat, die so nicht intendiert waren.

Welches Ihrer Ressorts finden Sie am herausforderndsten?

❙  Am schwierigsten ist sicher die Materie Medien. Da Medien zu den Grundpfeilern unserer Demokratie gehören, stellen diese eine ganz besondere Herausforderung dar. Ich halte diesen Bereich für extrem wichtig. Fragen Sie mich nach meiner persönlichen Leidenschaft, dann sind das Kunst und Kultur.

Thomas Drozda, Jahrgang 1965, studierte Betriebs- und Volkswirtschaft an der Johannes Kepler Universität in Linz. Er begann in der Abteilung für volkswirtschaftliche Studien der Nationalbank zu arbeiten, ehe ihn Bundeskanzler Franz Vranitzky 1993 als wirtschafts- und kulturpolitischen Berater in sein Kabinett holte. Mit 31 Jahren wurde er Leiter der Kunstsektion. Diesen Posten behielt er auch nach dem Kanzlerwechsel zu Viktor Klima im Jahr 1997. Von 1998 bis 2008 war Drozda als kaufmännischer Geschäftsführer des Burgtheaters tätig. 2008 wechselte er als geschäftsführender Generaldirektor zu den Vereinigten Bühnen Wien. Seit 25. Mai 2016 fungiert Thomas Drozda als Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien.

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