Deutschland mag den Antisemitismus erfolgreich abgelegt haben. Doch das entstandene Vakuum wurde sehr rasch und mit Erfolg mit einem bis heute anhaltenden Antiamerikanismus gefüllt. Von Marta S. Halpert
Rund 200.000 Menschen jubelten ihm Ende Juli 2008 in Berlin zu. Heute kommt Präsident Obama nicht einmal in die Nähe der deutschen Hauptstadt, denn er weiß zu genau, mit welch harschen Protesten und Vorwürfen er zu rechnen hätte: Die USA spionieren, richten hin und suchen nur nach militärischen Lösungen. Die antiamerikanischen Verschwörungstheorien blühen im Chaos des Weltgeschehens: In der Ukraine hätten sie Janukowitsch weggeputscht und eine ihnen genehme jüdisch-stämmige Führung eingesetzt. Diese und andere kruden Behauptungen hört man in Deutschland ebenso wie in Österreich. Die kurzlebige Liebesaffäre der Deutschen mit Obamas Amerika ist vorbei, und die Abneigung ist stärker geworden als bei anderen Europäern: Eine Meinungsumfrage von Pew Research ergab, dass es keine Anzeichen für steigenden Antiamerikanismus im größten Teil Westeuropas gibt, wo noch Mitte des letzten Jahrzehnts sehr viel Animosität festzustellen war, „nur in Deutschland hat sich das Bild von Amerika signifikant verschlechtert“. Laut einer Infratest-dimap-Umfrage beschreiben 70 Prozent der Deutschen Amerika als „machtgierig“, 64 Prozent als „überheblich“, aber gleichzeitig auch „fortschrittlich“ (66 %) und „demokratisch“ (60 %), und trotz allem halten sie nur 27 Prozent für „vertrauenswürdig“.