Auf fast alle wartete der Tod

Den Aspangbahnhof gibt es schon lange nicht mehr – seine Funktion hat vor Jahrzehnten der Verkehrsknotenpunkt Rennweg übernommen. Das Areal, das die Stadt Wien nach und nach zu einem neuen Wohnviertel umgestaltete, hat allerdings eine grausame Geschichte: von hier starteten in der NS-Zeit insgesamt 47.035 Wiener Jüdinnen und Juden ihre Zwangsreise in die Hölle und meist in den Tod.

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Neues Wiener Mahnmal gegen das Vergessen. Eine intensive künstlerische Begegnung mit Ort und Geschichte.

Seit 1983 erinnert ein Gedenkstein an die Gräuel, die an diesem Ort ihren Anfang machten. Wer den nicht wahrnehmen wollte, konnte ihn aber leicht übersehen. Ab September entkommt jedoch niemand mehr der Geschichte des Ortes: ein 30 Meter langes Mahnmal zeigt auf einen Blick, was hier passiert ist. Das Künstler-Duo PRiNZpod entwarf Schienenstränge aus Beton, die in einen schwarzen Kubus führen. Dass die erste Assoziation ein Sarg ist, ist gewollt, wie Künstlerin Brigitte Podgorschek betont. „Man soll es verstehen – selbst, wenn man sich nicht damit auseinandersetzen will.“
Ergänzt haben PRINZpod das sehr eingängige Mahnmal, an dessen Gleissträngen die Zahlen der von hier Deportierten sowie der Überlebenden (rund zwei Prozent) prominent angebracht wurden, um eine zwei Meter hohe Tafel. Diese informiert über die insgesamt 47 Züge, die Menschen von hier in den wahrscheinlichen Tod brachten. Zwei verließen den Bahnhof 1939, das Gros der Deportationen fand aber zwischen 1941 und 1942 statt. Die Ziele lagen im Osten – Opole in Polen etwa, Minsk (mit der Endstation Maly Trostinec, wo die Opfer sofort erschossen wurden und die Leichname in vorbereitete Gruben fielen), Theresienstadt, Izbica oder Sobibór. Ein Zug hatte Auschwitz als Ziel.
Das neue Mahnmal befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohnbauten und einem Spielplatz. Die aus Beton geformten Schienen könnten da durchaus zum Spielen einladen. Das weiß Podgorschek auch und betont: „Das Denkmal steht im öffentlichen Raum. Wenn darauf jemand balancieren oder spielen will, dann gehört das dazu.“ Auch Kinder und Jugendliche würden sich aber, spätestens, wenn sie die Zahlen sehen, fragen, was das Mahnmal aussagen wolle – und sich so am Ende ebenfalls mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzen, ist die Künstlerin überzeugt. Sie sei prinzipiell dagegen Kunst im öffentlichen Raum – das Projekt entstand im Rahmen von KÖR – zu schützen. Das Mahnmal werde auch mit der Zeit verwittern. Aber auch das gehöre dazu.

 

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