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Über Axel Springer, Zeitungsverleger, Meinungsmacher und gläubiger Christ, und sein Verhältnis zum Judentum. Von Alexander Kluy

Israel ist nicht irgendein Staat!“ Aber Axel Cäsar Springer (1912–1985), der aus Hamburg-Altona gebürtige Zeitungszar und konservative Meinungsmacher, ging in seiner pro-israelischen Grundüberzeugung noch weiter. Viel weiter. „Für mich“, so bekannte der tief gläubige Christ, „ist das Überleben des jüdischen Volkes und der Wiederaufbau des Staates Israel der Beweis, dass Gottes Versprechen in der Bibel sich erfüllen.“ Für die Deutschen eröffne sich die historische Chance, fuhr er fort, „dem Staat Israel fest zur Seite zu stehen“. Diese Positionen sind bis heute in den Anstellungsverträgen der im Springer-Hochhaus zu Berlin tätigen Redakteure explizit verankert: als Bekenntnis zur Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden und als „unbedingtes“ Eintreten für das Existenzrecht des Staates Israel. Dass das bis heute gilt, zumindest mit Abstrichen – in jüngerer Zeit konnte man etwa im publizistischen Flaggschiff Die Welt intellektuell leicht verharmlosende Kommentare über die antisemitischen Tiraden John Gallianos oder Charlie Sheens lesen –, bewies im August 2009 die Übergabe originaler Bauzeichnungen des KZ Auschwitz durch Kai Dieckmann, den Chefredakteur der Bild-Zeitung, an Benjamin Netanjahu, der diese an Yad Vashem weiterreichte.

Der Name Springer ruft noch heute heißkalte Reaktionen hervor, die von Hass und Ablehnung bis zu Kälte und Bewunderung reichen, in erster Linie wegen der real eingesetzten publizistischen Macht der Bild, die in Deutschland seit Jahrzehnten die meistgelesene und wohl einflussreichste Zeitung ist. Und ebenso lang ihre leidenschaftlichen Verächter hat.

2005 Austellung der jüdischen Gemeinden

2005 richtete die Jüdische Gemeinde zu Berlin Springer eine monografisch-biografische Ausstellung aus, das Jüdische Museum in Frankfurt am Main zeigt aktuell eine publizistisch-soziohistorische. Das größte, zugleich das Auftakt- und Begrüßungsfoto in jener Schau stammt von Springers Sohn, einem früh aus dem Leben geschiedenen Fotoreporter, der unter dem Pseudonym „Sven Simon“ tätig war. Es zeigt den da schon sehr reichen Verleger mit verschränkten Armen, konzentriertem Blick, mit Krawatte und in teurem Sakko im Halbprofil im Juli 1967 auf dem Ölberg – eine beeindruckende inszenatorische Leistung eines Moses hamburgiensis im Gelobten Land.

Wie kam es einerseits, dass Springers Medienimperium sich zu einem pro-israelischen und dezidiert auf Versöhnung setzenden entwickelte? Wieso traten seine Zeitungen wie Bild, Welt e tutti quanti unter seiner Ägide, gegen modische Zeit- und Denkströmungen hinweg, bedingungslos und auch bewundernd für das Existenz- und Selbstbehauptungsrecht Israels ein? Woher kamen der Kurs der Aussöhnung und die moralisch-intellektuelle Pflicht dazu, die Springer 1967 als fester, bis heute gültiger Bestandteil fixieren ließ?

Andererseits: Was machten in seinem engen Beraterstab Alt- und Garnichtsolangeher-Ex-Nazis, von denen mancher wie Paul Carell alias Paul Karl Schmidt (1911–1997) ein hartleibiger Antisemit war, der noch 1944 als Ribbentrops Pressechef sorgsam PR-Ratschläge ausarbeitete, wie die Deportation der Budapester Juden am besten, sprich: am zynischsten zu bemänteln sei? Wie ging dies mit Springers langen engen Freundschaften mit Juden wie Erik Blumenthal, Ernst Cramer, Teddy Kollek zusammen, mit seinen ab 1966 regelmäßigen Reisen nach Israel, mit seiner regen Spendentätigkeit dort?

Solange das Springer’sche Privatarchiv seitens der Familie für die Historikerzunft aktuell unzugänglich gehalten wird, müssen viele dieser Fragen offen bleiben. Und solange oszilliert, ja verschwimmt das Bild der Beziehung von Springer und Israel, von Springer, dem am Ende seines Lebens sendungsbewussten, vor allem: seiner Sendung bewussten, nahezu evangelikalen Christen mit endzeitlicher Israel-Projektion, und dem Judentum, in vielfacher Art und Weise, intellektuell, emotional, soziopolitisch und metaphysisch.

Was bekannt ist:

Axel Springer unternahm mehr als 30 Reisen nach Israel. Er war dort, als in Jerusalem die Mauern fielen, er kam, um während des Jom-Kippur-Krieges Solidarität zu zeigen. Er war mit Jerusalems Bürgermeister Teddy Kollek eng befreundet und hatte Umgang, teils freundschaftlichen, teils politisch motivierten, mit David Ben-Gurion und Golda Meir, Abba Eban und Moshe Dayan, mit Menachem Begin und Chaim Weizman. Israel seinerseits dankte dem Hamburger seine Loyalität in vielfacher Form und Gestalt: Ihm wurden Ehrendoktorate der Universitäten in Ramat Gan und Jerusalem verliehen, er wurde zum Ehrenmitglied des Weizman-Instituts in Rehovot gemacht und mit dem Ehrentitel „Bewahrer Jerusalems“ ausgezeichnet.

Es gebe Wunden, die niemals verheilen könnten, hat Axel Springer mit Blick auf das formuliert, was Deutsche der Judenheit zwölf Jahre lang angetan hatten. Wunden, die jene, die sie davongetragen hätten, nie vergessen würden: „Ob sie vergeben können, ist eine persönliche Entscheidung.“ Vergebung im höheren Sinn, so Springer, der in mittlerem Alter hartnäckig an Astrologie glaubte, bevor er sich – zeitgleich mit seiner positiven Konstruktion einer sich in ihm und seinen Medien konkretisierenden neuen deutsch-jüdischen Symbiose – in Mystik und die Lehren des Christentums vertiefte, könne ohnehin nur „in einem anderen Bereich gewährt“ werden.

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Der Springer-Biograf Michael Jürgs gab vor Jahren einmal auf eine wenig originelle Interviewfrage eine originelle Antwort. Gefragt, wie Springer seine eigene Rolle während der Studentenunruhen 1968 gesehen habe, gab er zu Protokoll: „Er sah sich einerseits als einer, der das Gute, Wahre und Schöne gegen diese unrasierten, ungewaschenen, widerwärtigen Menschen, die auf der Straße rumbrüllten, verteidigen musste. Wenn er aber Dutschke persönlich kennen gelernt hätte und der den Wunsch geäußert hätte, für ein Jahr mit seinen ganzen Studentenführern in einem Kibbuz zu arbeiten, hätte Springer ihnen allen die Flüge bezahlt.“

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