Cornelius Obonya: „Ich möchte etwas zurückgeben“

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Der Film- und Bühnenstar spricht über seine Mutter, den Hörbiger-Clan, die Waldheim-Zeit und das freie Arbeiten mit Marta S. Halpert.

wina: Bei der Präsentation der Arik-Brauer-Hagaddah im Jüdischen Museum haben Sie nach Ihrem verabredeten Text noch ein paar persönliche Worte hinzugefügt. Würden Sie diese für uns wiederholen?

Cornelius Obonya: Soweit ich mich erinnere, habe ich gesagt, dass ich uns allen, die wir hier in diesem, unserem Land leben, wunderbar heitere, schöne, vor allem aber gemeinsame Pessachfeste und Sederabende bis in alle Ewigkeit wünsche.

Woher kommt diese hörbar echte Sympathie für jüdische Menschen und ihr Wohlergehen?

❚ Das kommt hauptsächlich von meiner Mutter, Elisabeth Orth, weil sie mich so erzogen hat, so hat aufwachsen lassen – und das ist ein großes Glück. Sie hat sich das selbst erkämpft, mit vielen Schmerzen aus der eigenen Familiengeschichte heraus. Wir sind im Grunde zweigeteilt gewesen: Meine Großeltern waren NS-Parteimitglieder, haben aber auch jüdischen Menschen geholfen. Und auch Leuten geholfen, die wieder Juden gerettet haben. Sie waren aber trotzdem nicht bereit, ihre Karriere aufzugeben, was sich heute sehr leicht dahersagt, für sie war es damals nicht so einfach: Sie waren mittendrin im Karriereschub, und sie konnten nichts anderes als Deutsch. Mangels Englischkenntnissen konnten sie also nicht nach New York fahren und dort Theater spielen, wie es manch andere gemacht haben. Sie hätten etwas ganz anderes machen müssen. Also ist es bis zu einem gewissen, geringen Grad entschuldbar – aber man muss nicht gleich einen Propagandafilm drehen. Vielleicht war das – vorsichtig formuliert – so eine gedankenlose Mitläuferschaft. Auch mit dieser bekannten Haltung, „ich bin Künstler, mich geht die Politik nichts an“.

„Meine Mutter hat sich ganz allein von vielem befreit, hat nachgeforscht und ihre eigene Haltung gefunden.“

Sie haben mit neun Jahren Ihren Vater, Burgschauspieler Hannes Obonya, verloren. Wer hat Sie außer Ihrer Mutter im Hörbiger-Clan noch beeinflusst?

❚ Das war immer nur meine Mutter. Sie hatte sich ganz allein von vielem befreit, hat nachgeforscht und ihre eigene Haltung gefunden. So konnte sie mir alles vollkommen normal weitergeben. Durch die vielen Freunde meiner Mutter, die ich später kennen lernen durfte, ergab sich dann alles ganz natürlich. Abgesehen von meiner Grundsympathie – aber mit wenig Wissen – kam dann die Waldheim-Zeit 1986 dazu. Damals gingen meine Teenagerjahre zu Ende, und die Waldheim-Affäre wurde zum Initialerlebnis: Mein ganzes politisches Wissen, meine gesamte politische Einstellung sind zu der Zeit entstanden. Deshalb ist für mich dieses „Niemals vergessen“ und „Nie wieder“ ein ganz natürlicher Zustand, der in diesem Land normal sein sollte, es aber leider noch immer nicht ist.

Erinnern Sie sich, ab wann das Thema NS-Vergangenheit Gesprächsstoff in Ihrer Familie war?

obonya❚ Ja, es war als Thema präsent, meine Fragen hat man mir sehr offen beantwortet und vieles erklärt. Wenn man offen über Dinge redet, versteht man diese auch. Ich durfte mir alle Bücher anschauen, auch Kriegsfotos, für die ich noch zu jung war. Mein Vater war ein sehr konservativer Mann, er gehörte auch einem NS-Reiterverein an. Als ganz Junger war er Mitglied der SA, einfach weil die ihm auch das Geld gegeben haben, das er gebraucht hat, das war der Trick. Er ist nicht im roten politischen Lager erzogen worden, trotzdem war seine spätere Ablehnung des NS-Staates und all seiner Folgen – genau wie für meine Mutter – ganz selbstverständlich, da gab es keine Divergenzen. Das heißt, mein Vater ist im Grunde das lebende Beispiel dafür, dass Wandlungen möglich waren: Erst war er mit 22 Jahren Frontsoldat, das heißt, er hat das Elend des Krieges mitbekommen, und hinterher hat er dann ein bisserl was verstanden.

Hat die Schule für Sie da etwas bewirkt?

❚ Eher nicht, ich wusste aber, dass ich nichts weiß. In der Schule war das kein Thema, aber vielleicht habe ich auch zu oft Schulen gewechselt. Ich erinnere mich, wie ich von einer Heinz-Conrads-Aussage schockiert war: Er begrüßte in seiner Sendung einen berühmten jüdischen Professor mit den Worten: „Sie waren ja weg […].“ Das hat so geklungen, als wäre der Vertriebene mal kurz auf Urlaub gewesen. Diese vollständige Ausblendung der Tatsachen – noch in den 70er-Jahren – war nach Waldheim nicht mehr möglich.

Sie sind ein facettenreicher und vielfach ausgezeichneter Bühnen- und Filmstar. Ihr großes Talent haben Sie lange vor der Rolle des „Jedermann“ in Salzburg in vielen verschiedenen Produktionen unter Beweis gestellt. Welche Rollen sind Ihnen am liebsten?

❚ Ich spiele wahnsinnig gern die Bösen, die Verbrecher, die schrägen Typen, aber auch die scheinbaren Verlierer, die haben meist eine interessantere Facette.

Der „Jedermann“ hat viel mit Religion zu tun, wie sieht das bei Ihnen persönlich aus?

❚ In meinen Dokumenten könnte OB, also ohne Bekenntnis stehen. Ich habe keine Religionszugehörigkeit in diesem Sinne, das ist meine private Entscheidung. Meine Frau ist Protestantin, und unser achtjähriger Sohn wächst auch so auf, denn wir möchten, dass ihm beigebracht wird, wie in der großen Gemeinschaft draußen gelebt wird. Später kann Attila Ruben selbst entscheiden.

Kam je ein anderer Beruf für Sie in Frage?

❚ Nur als Pubertierender, da fand ich die Archäologie sehr interessant. Aber leider habe ich nicht die Ruhe dafür.

Sie haben die Freiheit im Beruf gewählt, gehören derzeit keinem Ensemble an. Frei arbeiten ist eine sehr unösterreichische Tugend, wie geht es Ihnen damit?

❚ Hervorragend, ich habe es keine Sekunde bereut. Ich war ein gut beschäftigtes Mitglied des Burgtheaters, und ich wollte das Musical The Producers im Ronacher unbedingt spielen. Das war auf ein Jahr geplant, und ich wollte Urlaub nehmen, weil ich bis dahin nur einige Drehtage beantragt hatte. Aber es wurde mir gesagt, ich müsste für diese Zeit aus dem Vertrag ausscheiden. Ich wollte das unbedingt machen, ich hatte ja die Audition gewonnen, das wäre wirklich blöd gewesen. Das gab den Hauptausschlag. Ich war drei Jahre am Volkstheater engagiert, sechseinhalb Jahre an der Schaubühne in Berlin und neun Jahre am Burgtheater. Ich wollte schlicht und ergreifend etwas anderes ausprobieren.

Trotz Ihrer vielen beruflichen Verpflichtungen und einer jungen Familie finden Sie immer noch Zeit, für wohltätige Anliegen unentgeltlich aufzutreten. Man durfte Sie sowohl bei Ohel Rahel als auch bei Hemayat hören, sehen und genießen. Warum machen Sie das?

❚ Ich möchte etwas zurückgeben. Das ist aber ein schwieriges Feld, denn das könnte als eine Art „Miniaturschuldabtragen“ verstanden werden, von einer Schuld, die ich persönlich gar nicht haben kann. Es hat mit Sicherheit irgendetwas damit zu tun, dass die jüdische Gemeinde in Wien gemessen an dem, was sie vor dem Holocaust war, heute verschwindend klein ist. Und wenn man als öffentliche Person dann die Möglichkeit hat, für einen Verein wie Ohel Rahel oder für eine Organisation der Roma und Sinti etwas zu geben, was man selber hat, dann ist das eine Grundhaltung, dies auch zu tun. Es gibt diesen verbindenden Punkt in der Geschichte meiner Familie und unseres Landes – und das alles ist noch nicht so lange her: Ich gehöre zur zweiten Generation, für mich gehört das noch dazu. Das macht man eben – ich kann es nicht anders beschreiben.

ZUR PERSON
Cornelius Obonya, geboren 1969 in Wien, besuchte das Max-Reinhardt-Seminar und lernte bei Gerhard Bronner, Emmy Werner und Andrea Breth. Zahlreiche Auftritte im Film und am Theater, u. a. am Volkstheater, am Burgtheater Wien und an der Schaubühne Berlin. Seit 2013 ist er der neue „Jedermann“ bei den Salzburger Festspielen. Er ist mit der Regisseurin Carolin Pienkos verheiratet; der gemeinsame Sohn heißt Attila Ruben.

2 KOMMENTARE

  1. Sehr geehrter Herr Obonya!
    Wir, meine Familie und ich, haben Sie auf der kleinen Salzburger Jedermann Bühne von SERVUS-TV erleben dürfen. Danach nahmen Sie sich auf für ein Foto mit den Kindern Zeit. Danke nochmals dafür!
    Auf Grund Ihrer Biografie wundert es mich gar nicht, dass Sie nicht abgehoben, sondern sehr nahbar sind. Ich finde, dass diese Haltung gerade in der heutigen Zeit als Beispiel für unsere Gesellschaft sehr wichtig ist. Ich schätze auch Ihre freigeistige Meinung, die sicherlich für das eigene Leben und die sich ergebenden Erfahrungen extrem wertvoll sind.
    Am liebsten würde ich Sie in meine Volksschulklasse zu einer Dichterlesung einladen. Denn auch Kultur zu vermitteln, ist mir in meinem Bereich, für den ich berufen bin, sehr wichtig!
    Für viele weitere Theaterrollen und andere Darbietungen wünsche ich Ihnen Toi,Toi,Toi
    Schöne Grüße
    Elisabeth Schubert

    • Sehr geehrte Frau Schubert, ich antworte spät, aber doch, denn Ihre Reaktion ist leider auf dieser site nicht an mich weitergeleitet worden.
      Danke Ihnen für Ihre Worte, das freut mich sehr…..über eine lesung in einer Klasse können wir reden. Bitte senden Sie mir ein mail über meine website http://www.corneliusobonya.com

      Herzlichen Gruß…CO

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