Ruth Beckermann, für ihre Dokumentarfilme seit den frühen 1980er-Jahren bekannt, hat Sachbücher und Fotobände publiziert sowie Ausstellungen gemacht. Ihre Videoinstallation the missing image wurde am 12. März auf dem Albertinaplatz eröffnet. Redaktion und Fotografie: Ronnie Niedermeyer
WINA: Im Zentrum deiner neuen Installation steht eine Filmaufnahme, die in Wien unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs entstanden ist. Was war für dich schwerer zu verkraften, als du diese Bilder zum ersten Mal gesehen hast: dass Juden dazu genötigt wurden, auf allen vieren die Straße zu schrubben, oder dass die Bevölkerung sie auch noch dabei verhöhnte?
Ruth Beckermann: Beide Aspekte finde ich schrecklich und erschütternd, und zwar unabhängig der Tatsache, dass die Betroffenen Juden waren. Einerseits geht es hier um Demütigung: In dem Moment, wo Menschen auf die Knie gezwungen werden, sind sie schmutzig und erniedrigt. Das ist der Beginn der Ausgrenzung. Dann findet auch noch die Verhöhnung statt: Die Leute erfreuen sich daran, ihre Nachbarn im Dreck zu sehen. Diese Schmach war übrigens eine Erfindung der Wiener. Solche Szenen gab es im Deutschen Reich nicht, sondern ausschließlich hier bei uns.