Der innere Iran

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Eine Ausstellung in Tel Aviv versuchte, dem Chor der Kriegswarner Bilder in die Hand zu geben. Von Thomas Edlinger

Wenige Tage nach der Eröffnung der Ausstellung Iran am 17. März 2012 gab es die vorprogrammierte Aufregung. Sicherheitsleute der schräg der Spaceship Gallery gelegenen, festungsartigen US-Botschaft forderten in Polizei-Begleitung die Entfernung einer bunten Raketenatrappe von der Dachterrasse der Galerie, die auf das Gebäude gerichtet war. Man einigte sich auf einen symbolischen Kompromiss. Die Ausrichtung der von Guy Briller bunt bemalten, leeren Röhre musste versetzt werden, die Nimrod Direct zielte danach an der Botschaft vorbei auf dem Himmel über dem Meer. Die falsche Rakete war öffentliches Zeichen einer Ausstellung, die sich als „Stopschild“ für einen drohenden Irankrieg verstand und Arbeiten jüngerer, unbekannter Künstler versammelte, aber auch ein Werk von Sigalit Landau zeigte.

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Der innere Feind

Der Magazinherausgeber, Autor und frisch bestellte Kurator des Bat-Yam-Museums, Joshua Simon, erklärt sein Ausstellungskonzept als Versuch der Rückeroberung der Politik mit den Mitteln der Kunst: „Vor der muslimischen Revolution galt der Iran gemeinsam mit der Türkei als Verbündeter. Später setzte sich die Angst fest, dass Israel durch das Erstarken der Orthodoxen im eigenen Land selbst zu einer Art Iran werden könnte. 1995, nach der Ermordung Jitzchak Rabins, tauchte der populäre Rocksong Good Morning Iran auf. Der Iran, insbesondere Ahmadineschad, spielt seitdem die Rolle des Feindes von innen.“

Plakativ bis subtil

Die Ambition einer fundamentalen politischen Kritik kollidierte aber an der Form. Zahlreiche Videos konnte man sich etwa auf für Kleinkinder designten Plastikstühlen ansehen – ganz so, als wollte damit der infantil-regressive Spaß an der Provokation nochmals betont werden. Neben Mockumentary-Videos über einen israelischen Militärangriffsplan auf Auschwitz oder eine Action-Persiflage von Rambos, die sich an die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashemheranpirschen, war auch eine von Anna Appel and Ari Libsker präsentierte Wachsstatue des Verteidigungsministers Ehud Barak zu sehen. Begleitet vom Titel „The most dangerous man in the world 2012“. Diesem plakativen Gestus korrespondierte eine Arbeit von Noam Edry über das Image Israels in Form von Souvenir-Shirts. „I went to the most hated place on earth (second to Iran), and all I got was this lousy t-shirt“ steht darauf. Allerdings erscheint die Wirklichkeit nicht viel anders als dieser Witz. Am 17. Mai veröffentlichte die BBC eine weltweit erhobene Studie, wonach Israel in der Rangliste der Länder mit dem negativsten Einfluss an dritter Stelle hinter dem Erstplatzierten Iran gereiht wurde.

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Neben diesen Stilübungen in Sachen Subversion hielt die Ausstellung aber auch einige subtile Werke parat. Haya Rukins Video To Kill the Sun zeigt eine junge Frau beim Schießen auf einen so fernen wie irrealen Feind: die untergehende Sonne. Malki Tesler transformiert die Frage der territorialen Konflikte auf einen Kinderspielplatz in Israel, indem sie kurzerhand eine Rutsche blockierte. Dieser menschliche Checkpoint zieht im Video die Aggression der Eltern auf sich, bis am Ende die Kinder mit der am Boden liegenden, sich nicht wehrenden Künstlerin ihr Spiel treiben. Am vielschichtigsten erschien aber das 2010 bei den Filmfestspielen in Venedig mit dem Orizoni-Preis ausgezeichnete Video Tse von Roee Rosen. Es begreift die masochistische Lust an der Auspeitschung als Basis für einen am Horrorfilm geschulten „Exorzismus“ des nationalistischen Volkskörpers, indem die aus realen Zitaten des Außenministers Avigdor Lieberman montierten, klammheimlichen Begehrensformen buchstäblich nach außen gestülpt werden.

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WINA info

Die Gruppen-Ausstellung Iran war im Frühjahr in The Spaceship, Hayarkon 70, Tel Aviv, zu sehen. KünstlerInnen: Guy Briller, Shelly Federman, Ofri Ilani & Yotam Feldman, Ari Libsker & Anna Eppel, Nimrod Kamer, Shahar Freddy Kislev & Dudu Geva, Sigalit Landau, Eli Petel, Itamar Rose, Chaya Ruckin, Roee Rosen, Maayan Strauss, Malki Tesler.

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