Der Poloreiter aus der Bronx

Ralph Lauren feiert dieses Jahr das 50-jährige Jubiläum seiner wichtigsten Bekleidungsmarke.

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Ralph Lauren wurde 1939 als Ralph Lifshitz in der Bronx geboren. Seine Eltern stammten aus Pinsk in Weißrussland. © Emmanuel Dunand / picturedesk.com

50 Jahre sind eine lange Zeit in der Modebranche mit ihrem schnellen Wandel, ihren Erfolgen und Niederlagen. Ralph Lauren konnte im September dieses Jubiläum für seine wichtigste Marke feiern, Polo. Sie gehört mittlerweile zur Ralph Lauren Corporation, einem an der New Yorker Börse notierten Konzern für Bekleidung, Heimtextilien und Accessoires, der zuletzt in weltweit mehr als 1.000 eigenen und fremden Markengeschäften 6,6 Milliarden Dollar umgesetzt hat.

Begonnen hat es freilich deutlich bescheidener. Lauren wurde 1939 als Ralph Lifshitz in der Bronx geboren. Seine Eltern Frieda und Frank stammten aus Pinsk in Weißrussland, aus einer religiösen jüdischen Familie. Der Vater war Anstreicher und Maler von Wandgemälden, er brachte es in der neuen Heimat zu bescheidenem Wohlstand, etwa einem kleinen Ferienhäuschen.

Ralph besuchte zunächst die Marsha Stern Talmudical Academy, wechselte dann aber in eine öffentliche High School. Anschließend studierte er einige Semester Wirtschaft am Baruch College der City University of New York, ohne Abschluss. Nach einem zweijährigen Militärdienst heuerte er als Verkäufer bei Brooks Brothers in New York an.

Doch er entwickelte eigene Ideen. 1967 entwarf er als Ein-Mann-Unternehmen seine erste Krawattenkollektion, superbreite Seidenbinder in knalligen Farben. Er verkaufte sie selbst an New Yorker Herrenausstatter, und die ungewöhnlichen Designs wurden ein Hit.

Umfassender Mode- und Lifestyle. 1968 gründete er seine erste Designkollektion und nannte sie Polo. Er hatte ein Faible für die unterschiedlichsten Sportarten, und die Exklusivität sowie der Oberschichtappeal des Pferdesports sprachen ihn besonders an. Übrigens kaufte er Brooks Brothers die Namensrechte dafür ab, die mit Polo nicht recht etwas anfangen konnten.

Mit einer erfolgreichen Präsentation beim New Yorker Kaufhaus Bloomingdale’s gelang es ihm sogar, dort einen eigenen ersten Shop in Shop für eine einzelne Designermarke einzurichten. Der Erfolg gab beiden Seiten recht. Den kleinen Poloreiter als Logo hatte Lauren ursprünglich auf den Manschetten der Hemden angebracht, aber bald wanderte er an die Brust. Und mit seiner vielfärbigen Kollektion von Polosportshirts wurde dieser schnell bekannt. Der Werbeslogan von damals lautete, noch bezogen auf Sportclubs: „Every team has its color – Polo has seventeen.“

Doch Laurens Absicht war es nicht, Sportvereine auszustatten (viel später tat er es dann doch für mehrere US-Olympia-Teams), sondern einen umfassenden Mode- und Lifestyle zu entwickeln. Dabei orientierte sich der talentierte Aufsteiger zunächst an dem, was ihm als amerikanische Elite vorschwebte, zu der er aufschließen wollte. Erst später prägte sich für die Mischung aus konservativen Anzügen, legerer Collegekleidung und blasierter Langeweile in den luxuriösen Ferienhäusern in den Hamptons der Begriff „Preppy“ ein. Als typisch dafür kann seine Ausstattung des Fitzgerald-Films The Great Gatsby gelten. Hauptdarsteller Robert Redford dokumentierte seinen eigenen steilen Aufstieg in Laurens cremefarbenen Flanellanzügen wie mit seinem teuren Fuhrpark. (Auch Lauren selbst ist ein Autonarr und sammelt teure Sportwagen und Oldtimer.)

»Laurens Welt ist eine, in der Cowboys im Smoking Pferde durch den Schnee führen; historische Traktoren werden von Supermodels gelenkt …«
Financial Times

Im Lauf der Jahre fügte Lauren noch andere Themen hinzu: rund um die Jeans den amerikanischen Westen; das romantisch verbrämte Europa des alten Adels; Hippie- und Popkultur. Zum 50er von Polo fasste ein Modekritiker der Financial Times diese eklektische und durchaus schräge Stilmischung bildhaft zusammen: „Laurens Welt ist eine, in der Cowboys im Smoking Pferde durch den Schnee führen; historische Traktoren werden von Supermodels gelenkt; Männer tragen auf Safari Mascherl; und England ist das Land von Downton Abbey und Wimbledon. Es geht um deutlich mehr als nur um Bekleidung. Es geht um eine gesamte Kultur.“

Bei all dieser Widersprüchlichkeit wurde Laurens Unternehmen äußerst erfolgreich. Und parallel zu den vielen Stilen entwickelte er eine ganze Reihe von weiteren Marken auf unterschiedlichen Fertigungs- und Preisniveaus. Erst kam Damenmode hinzu, dann splittete er die Marke auf von der günstigen Jugendware namens Chaps bis zum teuren handgenähten Purple-Label, das an die englische Maßarbeit der Savile Row erinnern sollte. Dazwischen tummelten sich Polo, Polo Sports, Lauren Ralph Lauren oder Denim & Supply Ralph Lauren. Und Heimtextilien. Und Schuhe. Und Taschen. Und Schmuck. Und Düfte.

Dass das nicht unendlich lang gut gehen konnte, war absehbar. Ralph Lauren rutschte – wie andere bekannte US-Brands, etwa Tommy Hilfiger oder Michael Kors – in eine Doppelschere. Einerseits nahm die Preissensibilität der Kunden zu – sie kauften verstärkt in Outlet-Centern oder via Internet ein, nicht mehr in den Boutiquen mit ihren hohen Margen. Und die aufgesplitterte Marken- und Produktvielfalt kostete. Der Design-, Produktions- und Logistikaufwand fraß immer mehr der Erträge auf. Die Aktie von Ralph Lauren stürzte ab.

2016 wurde ein Sanierungsmanager von außen engagiert. Stefan Larsson hatte zuvor in führender Position für Hennes & Mauritz gearbeitet. Er begann eine harte Restrukturierung, ließ Marken auf, reduzierte die Produktvielfalt und die Lagerbestände. Aber er sollte nicht lange überleben. „Ich mochte ihn“, sagte Ralph Lauren nach dessen Ablöse in einem Interview sanft. „Er war intelligent. Aber er wollte die gesamte Firma umbauen, und das wollte ich nicht.“ Dennoch hielt Lauren auch mit einem neuen CEO, Patrice Louvet, einem ehemaligen Procter-&-Gamble-Manager, an den Grundsätzen der Sanierung fest. Diese scheint nun gelungen zu sein, jedenfalls erholte sich der Aktienkurs im letzten Jahr wieder deutlich.


The Jewish Gatsby

Immer wieder wurde in amerikanischen Medien auf die Parallele zwischen dem Namenswechsel von Gatz zu Gatsby und jenem von Lifshitz zu Lauren angespielt. Der erfolgreiche Aufsteiger will nicht mehr an seine einfache Herkunft erinnert werden. Lauren dementierte wiederholt, dass er mit der Änderung seine jüdische Herkunft hätte verstecken wollen. Er sei einfach als Jugendlicher zu oft wegen seines Namens gehänselt worden, mit bösen Wortspielen, in denen stets das Wort shit vorkam.

Lauren heiratete 1964 Ricky Ann Low-Beer, deren Eltern Margaret Vytouch und Rudolph Löw-Beer aus Österreich stammten. Dass aber ihre Mutter keine Jüdin war, verschwieg er seinen Eltern lange Zeit. Ricky Lauren hat Literatur studiert, war Fotografin, Buchautorin und Psychotherapeutin. Die Ehe ist glücklich und hält bis heute, die beiden Söhne und die Tochter wurden – in einer Reformgemeinde – jüdisch erzogen.

Heute arbeitet David Lauren, der Jüngere, im Topmanagement des Unternehmens, als Executive Vice President of Global Advertising, Marketing, and Communications. Sein älterer Bruder Andrew hat sich als Schauspieler und Filmproduzent etabliert. Tochter Dylan ist Unternehmerin in New York. David Lauren hat übrigens in eine prominente amerikanische Familie hineingeheiratet. Seine Frau Lauren Bush, Enkelin des früheren Präsidenten George H. W. Bush, ist Modedesignerin und war zuvor auch als Model erfolgreich gewesen, mit Covers auf renommierten Modemagazinen wie Vogue, Vanity Fair oder Glamour.

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