„Die jüdische Gemeinde darf sich nicht verinnerlichen“

Dorothy Singer leitete zwei Jahrzehnte lang die Buchhandlung im Jüdischen Museum. Im Herbst 2018 eröffnet der erweiterte Book Shop Singer mit Café und Kulturzentrum Ecke Rabensteig/Seitenstettengasse.

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© Ronnie Niedermeyer

WINA: Wie ist erstmals der Wunsch entstanden, im Buchhandel tätig zu sein?
Dorothy Singer: Da ich schon immer gerne gelesen habe, war ich oft in Buchhandlungen und Büchereien unterwegs. Als sich die Frage nach einer Ausbildung gestellt hat, war das das Erste, das mir in den Sinn kam. Ich bin dann irgendwie in diesem Kosmos hängen geblieben, obwohl ich das ursprünglich nur als Einstieg in das Berufsleben gedacht hatte. Eine Zeit lang habe ich bewusst andere Jobs gemacht.

Warst du in der Gastronomie tätig? Im Rahmen des neuen Book Shop Singer soll ja auch ein „Café Singer“ entstehen.
Ja, aber nicht wirklich lange und auch nur als Kellnerin. Ein Lokal zu leiten, ist noch einmal etwas anderes. Die Kombination von Buchhandlung und Buffet war immer schon ein Wunsch von mir – und jetzt wird es noch so viel mehr …

»Ein koscheres Café zu betreiben,
sehe ich als kreative Herausforderung.«

Essen und trinken müssen die Leute immer. Gelesen wird scheinbar aber immer weniger. Ist der Buchhandel heutzutage noch profitabel?
Der Buchhandel umfasst ja die ganze Kette vom Autor über Verlag, Produzent und Zwischenhandel. Es ist ein sehr großer Markt, von dem wir hier sprechen, und insgesamt durchaus noch profitabel. Wir Buchhandlungen sind das letzte Glied; es gilt natürlich das, was den Einzelhandel allgemein betrifft – überleben können wir nur, wenn unsere Kunden das unterstützen. In der Dorotheergasse hatten wir zuletzt zwei gute Jahre, und ich weiß das von anderen, ähnlich strukturierten Buchhandlungen auch. Wie es den Filialbetreibern geht, entzieht sich meiner Kenntnis. Jedenfalls sollte man als Buchhändlerin immer flexibel bleiben.

Was für Synergien ermöglicht der neue Standort am Rabensteig?
Die exponierte Lage an der Ecke Rabensteig/Seitenstettengasse ist ideal. Es ist ein historisch wertvoller Ort und hat insgesamt eine große Fläche, die wirklich breite Nutzung erlaubt. Die Buchhandlung mit dem Infopoint der Israelitischen Kultusgemeinde bilden das Zentrum, das Café mit koscherem Buffet sehe ich als kreative Herausforderung – wie auch den Ausstellungsbereich, an dessen Konzept gearbeitet wird. Eigene und eingeladene Veranstaltungen werden zusätzlich für kulturellen Austausch sorgen, momentan bin ich zum Beispiel auf der Suche nach einem leistbaren, guten Pianino. Demnächst werden wir daher einen Kulturverein am Rabensteig präsentieren, und ich lade jetzt schon alle ein, die meinen, etwas zum Gelingen dieses Projekts beitragen oder ein Teil dessen werden zu wollen.

Es soll also mehr als nur eine Buchhandlung werden – ein Ort sozusagen, an dem man einander trifft, um jüdische Kultur zu erleben. Welche Vorbilder gibt es dafür?
Genau, das Motto lautet „read & meet, drink & eat“ – direkte Vorbilder gibt es nicht.

„Vorbilder“ ist vielleicht nicht das richtige Wort – woher holst du dir die Inspiration?
Es ist das, was ich an Erfahrung nach zwanzig Jahren Buchhandlung im Jüdischen Museum mitnehmen und in dieses Objekt am Rabensteig 3 einbringen werde. Als jüdische Gemeinde dürfen wir uns nicht zu stark verinnerlichen. Mein Wunsch ist, in den nächsten Jahren hier die Grundlage für einen weiteren lebendigen Hafen jüdischer Kultur aufzubauen.

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