„Dieser Tempel in Wien ist der richtige Ort, um zu sagen, die Juden gehören zu uns.“

Jean Claude Juncker stattete, im Rahmen seines Wienaufenthalts, auch der IKG einen Kurzbesuch ab. Marta S. Halpert konnte bei einem kurzen Pressetermin mit einigen wenigen Kollegen mit ihm über den wachsenden Antisemitismus in Europa und über die FPÖ sprechen.

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Foto: Daniel Shaked

Sie haben gestern hier in Wien gesagt, man müsse aufstehen, wenn Gefahr drohe und haben vor borniertem Nationalismus und stupidem Populismus gewarnt. Inkludieren Sie bei diesen Gefahren auch den erstarkten Antisemitismus in Europa? An welche konkrete Maßnahmen seitens der EU haben Sie da gedacht?

Juncker: Antisemitismus ist als solcher strikt zurückzuweisen und zu bekämpfen. Auch als Teil dieser Ausschlussbewegung, die es überall europaweit gibt: Man lehnt den Fremden ab, lehnt alle ab, die anders sind. Aber Juden sind ja nicht anders als die anderen Österreicher und Europäer. Die Europäische Union kann da, muss da pädagogisch wirken und muss das zu einem Dauerthema machen, dass man sich gegen Extremismus und Antisemitismus wehren muss.

Foto by Daniel Shaked

Deshalb bin ich auch hier in der Synagoge, weil ich zeigen wollte, dass uns die Sache am Herzen liegt und auch um Solidarität mit der jüdischen Gemeinde zum Ausdruck zu bringen. Juden dürfen weder in Österreich, noch woanders bedrängt werden. Sie wurden in der Vergangenheit mehr als bedrängt.

Deshalb gehört zur 100-jährigen Geschichte der Republik auch der Hinweis darauf, welche Entwicklungen es in Österreich in den 30-er Jahren gab (um zur endgültigen Katastrophe zu führen).

Antisemitismus, das hätte ich mir vor Jahren nicht denken können, der grassiert überall in Europa.

Und heute?
Es gibt Antisemitismus in Spurenelementen und auch eine abnehmende Scheu davor Juden zu beschimpfen.

Warum besuchen Sie diese Synagoge, Sie besuchen sonst auch keine Synagoge. Warum hier?
Das ist eine besondere Synagoge, die Geschichte schreiben könnte, wenn sie reden könnte. Und es kam mir sehr darauf an explizit in Wien die Synagoge zu besuchen, weil es auch in Österreich viel Antisemitismus gibt. Und auch hier viele politische Kräfte die Scheu ablegen, wenn es darum geht, sich mit den Juden auseinanderzusetzen.

Die Synagoge, dieser Tempel in Wien ist der richtige Ort, um zu sagen, die Juden gehören zu uns – und sie sind nicht anders als wir!

Salvini hat heute behauptet, Sie und Moscovici hätten die EU zerstört. Haben Sie eine Reaktion darauf?

Ich hoffe, dass er nie in die Lage kommen wird den Trümmerhaufen zu beseitigen!

Sie warnen vor einer Gefahr von rechts in Europa. Wie denken Sie über die FPÖ in diesem Zusammenhang?

Ich möchte mich nicht in inner-österreichisches Geplänkel einmischen, obwohl das kein Geplänkel ist. Ich bin der Meinung, dass man alle Kräfte bündeln muss, gegen jene, die sich mit Antisemitismus besonders hervortun. Ich überlasse das Ihrer Einschätzung, ob die FPÖ dazu zählt. Die FPÖ versichert immer wieder, dass sie nicht dazu gehört; die Bundesregierung versichert immer wieder, dass die Beziehungen zur jüdischen Gemeinschaft exzellent wären, insbesondere was das Kanzleramt betrifft. Dabei möchte ich das belassen.

Haben Sie FPÖ-Politiker jetzt in Wien getroffen?

Ich habe die getroffen, die da waren, wo ich auch war. Ich besuche nie Parteien. Ich war überrascht, dass bei der Gedenkfeier für 100-Jahre-Republik so wenige Minister da waren – die gehören ja noch zur Republik denke ich, oder?

Ende Mai 2019 finden die Wahlen zum Europäisches Parlament statt. Befürchten Sie da einen weiteren Rechtsruck?

Ich kann nicht ausschließen, dass auf der Ebene des Europäischen Parlaments einen Rechtsruck gibt. Deshalb plädiere ich ja dafür, dass man rechtzeitig aufsteht. Es ist schnell zu spät, wenn niemand aufsteht!

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