Do you wanna be black? – Amy Winehouse

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Das jüdische Museum sucht die jüdischen Traditionen im jugendlichen Leben von Amy Winehouse. Von Thomas Edlinger

 

Glamouröse Kleider, die Lieblingsgitarre, Zeitschriftencovers zur Beglaubigung der Staraura, personalisierte Backstagepässe mit dem Namen darauf. Die Erinnerung an Popstars kommt selten ohne solche fetischisierten Memorabilia aus, die bezeugen sollen: Das alles war ich, das habe ich berührt, das alles ist Alltag und doch auch etwas Magisches. In der kleinen, biografisch orientierten Schau über Amy Winehouse gehören zu diesen Objekten auch Koffer.

Fetische der Popwelt. Festivalpässe und Konzerttickets der Jazz-Ikone.
Fetische der Popwelt.
Festivalpässe und Konzerttickets
der Jazz-Ikone.

Der Koffer in einem jüdischen Museum ist immer mehr als bloß ein Gepäcksstück. In vielen Ausstellungen steht er für die Diaspora, die gelungene oder verhinderte Emigration, und auch für die im Zuge der Schoa geraubten oder vernichteten Habseligkeiten der Opfer. Hier finden sich zwei geöffnete Koffer und eine Truhe. In offenen Schaufenstern lagern ein silberner Metallkoffer mit CDs und eine Truhe mit Malutensilien. Ein alter Koffer schließlich, gefüllt mit Familienfotos und Büchern aus dem persönlichen Besitz des Popstars, ist an zentraler Stelle wie ein Schatztruhe der Erinnerungen aufgebahrt.

Tatsächlich kamen auch die Wienhauses aus Weißrussland einmal mit dem Koffer in London an. Harry Wienhause flüchtete 1891 vor Pogromen in Minsk und dachte zunächst, nicht an der Themse, sondern schon in New York gelandet zu sein. 120 Jahre später sollte seine Urenkelin wie einige andere Popikonen schon mit 27 Jahren an einer Alkoholvergiftung sterben.

Die Ausstellung will das renitente, begabte und mit jüdischen Traditionen aufgewachsene Mädchen aus Camden aufspüren.

Die Liebe von Amy Winehouse zur Mode der 1950er-Jahre ist gut dokumentiert. Sie traf sich noch dazu bestens mit der wachsenden Retro- und Neo-Soul-Begeisterung der Nullerjahre, die auch mit einem Wunsch nach einem entsprechend glamourösen Auftreten einer Diva verbunden war. Diese lieferte toupierte Turmfrisuren und Tonnen von Schminke, räumte Grammies ab und verkaufte Millionen Alben an dankbare Fans. Sie stolperte, gut sichtbar für dankbare Medien, betrunken von Stadienbühnen und weigerte sich in ihrem größten Hit, in die Rehabklinik zu gehen. Kurz gesagt: Sie war einer der letzten globalen Stars, die Pop in den Nullerjahren noch hervorbrachte.

Blick hinter die Fassade
Amys Lieblingsgitarre. Memorabilia wie diese zeigen, das alles ist Alltag und doch auch etwas Magisches.
Amys Lieblingsgitarre. Memorabilia wie diese zeigen, das alles ist Alltag und doch auch etwas Magisches.

Die Ausstellung kümmert sich darum nicht, sondern will hinter der Fassade der Berühmtheit das renitente, begabte und mit jüdischen Traditionen aufgewachsene Mädchen aus Camden aufspüren, das Teil der Jewish Lads’ und Girls’ Brigade war, am liebsten im Londoner East End abhing und sich schon früh für die Bühnenpräsenz am Theater und in der Musik interessierte. „Amy war stolz auf ihre jüdischen Wurzeln“, sagt ihr Bruder Alex. Als Beweis dafür wird auch ein jüdisches Kochbuch gezeigt. Die sich selbst als Familienmensch bezeichnende Sängerin, erfahren wir, sei keine gute Köchin des jüdischen Penicilin, der Hühnersuppe gewesen, „aber sie konnte gut Fleischbällchen“. Man solle sie, sagt Amy Winehouse, so in Erinnerung behalten, „wie ich bin“ – aber das ist gerade im imagefixierten Popbusiness leichter gesagt als getan.

Kleid von Luella Bartley: Von Amy beim Glastonbury Festival 2008 getragen.
Kleid von Luella Bartley:
Von Amy beim Glastonbury
Festival 2008 getragen.

Der Titel der aus London übernommenen Ausstellung Amy Winehouse: ein Familienporträt ist doppeldeutig. Bezieht er sich auf ein historisches Porträt der Familienanbindung oder ist die Familie der Urheber des Porträts ihres berühmtesten Mitglieds? Zwar findet man auch einen Stammbaum der Winehouses, aber der erhellt die Biografie der Musikerin nicht wesentlich. Amys Bruder Alex und dessen Frau Riva haben ursprünglich das Jewish Museum in London mit diversen Objekten für die Ausstellung beliefert – unter anderem auch mit den Lieblingsplatten des Stars. Hier finden sich kaum Bezüge zu einer jüdischen weißen Poptradition zwischen Lou Reed und Leonard Cohen, sondern – neben der Liebe zu großen Croonern wie Frank Sinatra – vor allem Belege für das berühmte Lou-Reed-Credo „I wanna be black“: Aretha Franklin, Otis Redding, Miles Davis, Dinah Washington, Thelonious Monk, The Roots.

Vielleicht groovten diese Klassiker einfach nur besser im Kinderzimmer eines Londoner Teenagers um die Jahrtausendwende. Vielleicht aber wollte die Teenagerin wie Millionen andere auch, sich fremde Wurzeln wie The Roots zu eigen machen. Sie wäre nicht der erste Fan gewesen, der sich von dem schon von Norman Mailer konstatierten Hipsterselbstverständnis des „White Negro“ angezogen gefühlt hätte. Ihre Begeisterung für afroamerikanischen Jazz und Pop bezieht sich aber nicht nur auf die Musik, sondern auch auf die spirituelle Dimension: „Gospel ist so wichtig. Es gibt nichts Reineres als die Beziehung, die man zu seinem G-tt hat.“

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