Ein Gespür für Zwischentöne

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Weltweit existieren seit vielen Jahren Zentren für Israel-Studien, wichtige Forschungs- und Vermittlungseinrichtungen, in denen die langfristige intensive Auseinandersetzung mit der Kultur dieses Landes im Fokus steht. Doch in Österreich wartet man noch vergeblich auf ein Institut dieser Art.

Von Doron Rabinovici

In manchen Ländern gibt es sie bereits: Zentren für Israel-Studien. Es mag einen nicht verwundern, wenn sie in den Vereinigten Staaten von Amerika bereits seit Längerem existieren. In New York finden sich gar vier verschiedene Lehrstühle und Institutionen, die eigene Vorlesungen zu Israel anbieten. Aber selbst im Ramallah der palästinensischen Autonomiebehörde nimmt sich ein Palestinian Forum for Israeli Studies, MADAR, seit dem Jahr 2000 dieser Aufgabe an. In Kanada, dem Vereinigten Königreich, Russland, Australien und Deutschland widmen sich universitäre Institute dem Judenstaat, um ihn jenseits der Klischees wahrzunehmen. Nicht die Aktualität und nicht das Akute stehen dabei unbedingt im Vordergrund. Israel ist nicht nur der Konflikt darum.

Eine Erforschung dieser Gesellschaft zu unterstützen, bedeutet, die Existenz der israelischen Nation anzuerkennen.

An der Münchner Universität wurde 2015 ein Zentrum für Israel-Studien eröffnet. Es beschäftigt sich mit den vielseitigen Gesellschaften des jungen Staates. Organisatorisch eingebettet ist es in der Abteilung für jüdische Geschichte und Kultur. In Wien agiert das Centre for Israel Studies, zu dessen Vorstand sich auch der Autor dieser Zeilen zählen darf, seit 2013 – wenn auch leider noch nicht universitär verankert.

Warum jedoch nicht? Es gibt schließlich auch die Fachrichtung der Anglistik, der Amerikanistik und der Japanologie. Die eigene Annäherung an Israel ist zudem von besonderer Bedeutung. Dieses Land kann nicht im Rahmen einer allgemeinen Auseinandersetzung mit dem Nahen Osten ergründet werden, weil es in diesem Gebiet allzu oft bloß als Feind und als blinder Fleck behandelt wird. Israel wird zuweilen nur als künstliches Gebilde oder als Stützpunkt des westlichen Imperialismus betrachtet. Eine Erforschung dieser Gesellschaft zu unterstützen, bedeutet, die Existenz der israelischen Nation anzuerkennen.

Aber in Deutschland und in Österreich geht es um noch mehr: Israel ist der Staat, der auch von jenen und für jene Juden gegründet wurde, die der Vernichtung entrinnen konnten. Israel ist nicht in, doch aus Europa. Israelische und österreichische Vergangenheit sind miteinander unentwirrbar verbunden. Die Gegenwart beider Länder ist weiterhin miteinander verstrickt. Die Auseinandersetzung mit Israel nicht zu wagen, heißt letztlich, jener mit den historischen Kontinuitäten hierzulande auszuweichen.

Hinzu kommt, dass die wissenschaftliche Perspektive sich den herkömmlichen dogmatischen Voreingenommenheiten verweigert. Bekanntlich gibt es eine Kampagne, die den Boykott israelischer Forscher, Künstler oder Autoren fordert. Zugleich wollen andere – wiederum aus verschiedenen dogmatischen Gründen – manche israelischen Koryphäen gar nicht zu Wort kommen lassen, weil sie ihnen aus Wiener Sicht nicht israelisch scheinen. So sehen sich die sensibelsten Geister im Judenstaat immer wieder einer doppelt grobschlächtigen Ignoranz gegenüber.

Umso wichtiger sind solche Zentren, in denen den Studien über israelische Kunst, Filme, Literatur, Soziologie oder Geschichte nachgegangen wird, denn sie schärfen das Gespür für die Zwischentöne, die einen auch den blutigen Konflikt um dieses Land besser begreifen lassen.

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