Exportprodukt Fußballer

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Eine ganze Reihe hochtalentierter israe­lischer Kicker spielt in Europas Topligen.

Von Reinhard Engel   

Gerüchte hatte es schon länger gegeben, Mitte Mai war es dann fix: Red Bull Salzburg, mehrmaliger österreichischer Fußballmeister, gab den Einkauf des israelischen Stürmers Munas Dabbur bekannt. Er hatte zuletzt bei den Grasshoppers in Zürich gespielt. Und er hatte getroffen: Bei Vertragsunterzeichnung sah seine Bilanz so aus: In bis dahin 89 Pflichtspielen für die Schweizer verbuchte Dabbur 48 Tore und 26 Assists. Allein in der aktuellen Saison führt er mit 18 Treffern in der Schweizer ersten Division, der Raiffeisen Super League, die Torschützenliste an – noch vor dem Österreicher Marc Janko, der für den FC Basel 16-mal eingeschossen hatte.

„Wir glauben, mit ihm die Qualität in unserer Offensive nochmals deutlich zu stärken. Er wird mit Jonny Soriano ein schlagkräftiges Duo bilden.“ - Jochen Sauer

Dabbur, 24, unterschrieb für fünf Jahre. Wenn also nichts dazwischen kommt, wird er bis 2021 für Salzburg stürmen. Über seine Transfersumme wollten die Salzburger allerdings nichts verraten. Sein Marktwert lag zuletzt laut Schweizer Medien bei rund sieben Millionen Euro. Jochen Sauer, Sportdirektor von Red Bull Salzburg, meinte gegenüber der Tageszeitung Kurier, man habe „weniger als fünf Millionen“ bezahlt.

isrl-fbAuch damit hätte Dabbur, ein arabischer Israeli aus Nazareth, innerhalb kürzester Zeit sein Talent vergoldet. Als er Ende 2014 von Maccabi Tel Aviv zu den Grasshoppers Zürich gewechselt hatte, wurde von einer Transfersumme von rund 400.000 Franken berichtet, das wären etwa 360.000 Euro gewesen. Jetzt war es ein Vielfaches. „Wir haben uns aber an unsere Vorgaben gehalten, das ist bei Weitem nicht der teuerste Transfer von Red Bull Salzburg“, verrät Manager Sauer der Austria Presseagentur. Dabei halten sich die fünf (bis sieben) Millionen selbst im Vergleich mit den zweistelligen Millionenbeträgen im europäischen Spitzenfußball noch einigermaßen in Grenzen.

Wozu brauchen die Bullen den Israeli?

„Wir glauben, mit ihm die Qualität in unserer Offensive nochmals deutlich zu stärken. Er wird mit Jonny Soriano ein schlagkräftiges Duo bilden“, kommentierte Sauer bei Vertragsabschluss. Dabbur trifft übrigens in Salzburg auf einen alten Bekannten: Óscar García, der katalanische Trainer, hatte ihn schon einmal in seinem Team, als beide für Maccabi Tel Aviv arbeiteten. In der Saison 2012/13 holten sie sogar gemeinsam den Titel. Dabbur, eigentlich Mittelstürmer, spielte auch bei Grashoppers auf dieser Position, in Salzburg könnte er eventuell auf Linksaußen wechseln.

Munas Dabbur ging im  Mai zu Red Bull Salzburg.
Munas Dabbur ging im
Mai zu Red Bull Salzburg.

Dabbur ist bei Salzburg nicht der erste israelische Fußballer. Vor ihm hatte schon Omer Damari an der Salzach gekickt, allerdings nur ein Jahr vom Schwesterverein RB Leipzig aus der Zweiten Bundesliga verliehen. Er hatte in der Saison 2014/15 für Austria Wien gespielt, ehe er nach Leipzig geholt wurde. Der Stürmer Damari kommt ursprünglich von der Jugend von Maccabi Petach Tikva, wurde dann aber mit Hapoel Tel Aviv Pokalsieger, ehe er nach Europa zog. Bei Austria Wien läuft seit dem Vorjahr der Mittelfeldspieler Roi Kehat auf – wenn er nicht gerade verletzt ist. Er unterzeichnete im Mai 2015 einen Vierjahresvertrag. Auch hier wurde über die Transfersumme geschwiegen. Der 24-jährige Spielmacher kommt von Hapoel Ironi Kirjat Schmona.

Die Beispiele aus dem österreichischen Klubfußball – alle drei Israelis haben zuhause auch bereits Erfahrung im Nationalteam – stehen für eine viel größere Zahl von Spielerexporten in Richtung Europa. Israel kämpft mit einem ähnlichen Problem wie Österreich: Die eigene Liga ist relativ überschaubar – es gibt nur wenige international herzeigbare Vereine: Maccabi Tel Aviv, die Gelb-Blauen, die beiden Arbeitervereine Hapoel Tel Aviv (rot-weiß) und Hapoel Haifa (rot-schwarz) sowie die grün-weißen Maccabi Haifa. Dafür werden aber in der Jugendarbeit laufend Talente produziert, die es dann recht schnell ins Ausland zieht.

Die israelischen Spieler, die von europäischen Vereinen geholt werden, gelten als technisch und spielerisch hochbegabt und als schnell. Sie sind eher kleiner als die Riegel in den europäischen Ligen und auch meist nicht so athletisch. Eine Reihe professioneller israelischer Spielervermittler beobachtet laufend sowohl die Talente als auch die Schwachstellen bei den diversen europäischen Vereinen.

Umgekehrt ist Israel für internationale Fußballer mäßig interessant. Nur selten übersiedelt jemand für ein paar Jahre aus Europa nach Tel Aviv oder Haifa, und wenn, dann sind es eher Trainer als Spieler. Óscar García war so ein europäischer Coach, der in Israel eine Karrierestation einlegte. Ein anderer war Peter Bosz, ein Niederländer und langjähriger Feyenoord-Rotterdam-Mittelfeldspieler, wie García ebenfalls bei Maccabi Tel Aviv. Er wechselte vor Kurzem nach nur einem Jahr zu Ajax Amsterdam als Chefcoach und hat bei dem prestigeträchtigen niederländischen Rekordmeister einen Dreijahresvertrag unterschrieben.

Es hat schon in der Vergangenheit einzelne israelische Kicker in europäischen Topligen gegeben, etwa Eyal Berkovic, der unter anderem beim FC Southampton, bei Manchester City und West Ham United spielte. Haim Revivo war in Spanien bei Celta Vigo und später bei den türkischen Klubs Fenerbahce und Galatasaray. Yossi Benayoun wurde schon in der Jugend zu Ajax Amsterdam eingeladen und absolvierte später eine große europäische Runde von Racing Santander in Spanien über die englischen Spitzenklubs West Ham United und den FC Liverpool bis zu Chelsea, Arsenal und den Queens Park Rangers. Mittlerweile ist er zurück in Israel bei Maccabi Haifa.

Heute sind es deutlich mehr. Selbst wenn momentan Transferzeit ist und man noch nicht genau sagen kann, wer für die im Herbst startende Saison aller bleibt und wer geht, hier eine kleine Auswahl israelischer Fußballer in den ersten und zweiten europäischen Ligen: Die meisten finden sich in der belgischen höchsten Spielklasse, der Jupiler Pro League, nämlich neben dem FC-Brügge-Stürmer Lior Refaelov gleich drei Israelis bei KAA Gent: Rami Gershon, Kenny Saief und Ad Hatem Elhamed; bei Royal Mouscron-Péruwelz noch Ofir Marciano.

In der deutschen Bundesliga spielt beim FC Ingolstadt 04 Almog Cohen, für den sich einmal Rapid Wien ernsthaft interessierte. In der englischen zweiten Liga, die verwirrender Weise Football League Championship heißt, arbeiten bei Brighton & Hove Albion zwei Israelis: Tomer Hemed und Biram Kayal. In der niederländischen Eredivisie läuft Sheran Yeini bei Vitesse Arnheim auf, in der griechischen Super League bei PAOK Thessaloniki Eyal Golasa, und in der russischen Premier Liga spielt bei ZSKA Moskau Bibras Natkho, ein geborener Tscherkesse mit israelischem Pass. Sein aktueller Marktwert liegt bei zehn Millionen Euro, und er stand schon einmal höher, bei 15 Millionen.

Bild: © Jack Guez / picturedesk.com

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