Feuerwerk der Emotionen

Johanna Arrouas: Die Künstlerin mit sephardischen Wurzeln ist im Sprech- und im Musiktheater hoch im Kurs.

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© Reinhard Engel

Johanna Arrouas spielte die Carrie Pipperidge mit dem ihr eigenen Temperament und konnte auch stimmlich überzeugen“, schreibt ein Kritiker und fügt kurzerhand hinzu: „Sie spielt Julie an die Wand.“ Dieses zweifache Lob bezieht sich auf die beiden weiblichen Rollen in der aktuellen Volksopern-Produktion Carousel von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein, der Musicalfassung von Ferenc Molnárs Erfolgsstück Liliom. Das Pikante an dem Kritikerlob: Arrouas spielte in der Premierenvorstellung zwar „nur“ die Freundin der Hauptdarstellerin, übernahm aber in der Folge auch die Rolle der Julie. „Seit ich Karl-Heinz Hackl in der Rolle des Hutschenschleuderers Liliom an der Burg gesehen hatte, liebte ich dieses Stück. Ich wollte eigentlich gleich die Julie spielen, als ich hörte, dass die Volksoper Carousel plant. Ich war aber für die Carrie vorgesehen – doch zum Glück bat man mich, auch die Rolle der Julie einzustudieren, weil bei uns alles doppelt besetzt wird“, lacht die junge Sängerin.

»Musik und Theater sind unterschiedliche Ausdrucksweisen, um eine Geschichte zu erzählen.«

Dass Musik immer zu ihrem Leben gehören würde, wusste Johanna seit ihrer frühesten Kindheit, trotzdem studierte sie nach der Matura im Lycée Français kurz Astronomie, bevor sie am Konservatorium der Stadt Wien die Fächer Chanson, Musical und Operette mit Auszeichnung abschloss. „Die Astronomie war eher ein Schlenkerer, weil mein Vater viele Jahre Physik- und Chemielehrer am Lycée war. Ich wollte immer schon auf die Bühne, und wir konnten bereits im Studio Molière unsere Leidenschaft ausleben. Dort habe ich schon mit meinem Schulkollegen Alexander Charim, jetzt Regisseur in Berlin, Projekte realisiert.“ Es gab aber auch ein starkes familiäres Vorbild: Die Großmutter väterlicherseits war in Fès, der drittgrößten Stadt Marokkos, eine bedeutende künstlerische Persönlichkeit, die als Pianistin nicht nur Josephine Baker bei ihren Konzerten begleitete, sondern auch die Elite des Landes unterrichtete. Diese Großmutter hat Johannas Vater eine streng religiös-jüdische Erziehung angedeihen lassen. „Mein Urgroßonkel war sogar Großrabbiner von Fès. Der Glaube ist meinem Vater abhanden gekommen, aber das jüdische Brauchtum haben wir alle irgendwie gepflegt“, erzählt Arrouas. „Pessach hat mein Vater mit Freunden vom Lycée gefeiert und immer auch selbst aus der Haggadah vorgelesen.“ Johannas Vater studierte in Frankreich, und bei seinem ersten Lehrerposten in Marseille lernte er eine Medizinstudentin aus Österreich kennen, die dort ihr Auslandssemester absolvierte. „So kamen sie nach Wien, hier wurden ich und meine Zwillingsschwester geboren.“

Viel Emotion. Johanna begann schon mit acht Jahren, Cello zu spielen, und macht das jetzt noch bei Hausmusikabenden. Trotzdem begann ihre Karriere am Sprechtheater, dem sie noch immer treu ist. In zahlreichen anspruchsvollen Rollen bei den Festspielen Reichenau erntete sie großes Lob, u. a. in Schnitzlers Weg ins Freie oder Doderers Dämonen. Heuer spielt sie die Stella in Tennessee Williams’ Endstation Sehnsucht. „Als Erstes habe ich mich als Statistin am Burgtheater beworben und bekam auch kleine solistische Auftritte. Dann engagierte mich Hans Gratzer an das Theater in der Josefstadt.“ Seit der Saison 2005/06 gehört Arrouas zum Ensemble der Wiener Volksoper. Hier bewies sie schon ihre große künstlerische Bandbreite: Zwischen neun und elf Rollen warteten in einer Spielzeit auf sie: von Kálmáns Herzogin von Chicago bis zur Tochter Hodel in Anatevka.

Der Wechsel zwischen Sprech- und Musiktheater liegt ihr in mehrfacher Hinsicht. „Theater ist immer etwas Ganzes: Das Singen und Spielen, die Musik und das Theater sind für mich nur unterschiedliche Ausdrucksweisen, um eine Geschichte zu erzählen“, so die Mutter eines Zweijährigen. „Wahrscheinlich könnte ich ohne Musik nicht leben, gleichzeitig empfinde ich es aber beflügelnd, komplexere literarische Texte zu sprechen, sich Gedanken zu machen, eine Rolle zu erforschen.“ In Kürze singt sie an der Volksoper die sexsüchtige Spanierin in Carl Millöckers Gasparone und freut sich, dass sich ihr lyrischer Sopran in Richtung Oper entwickelt: „Hauptsache, es gibt viel Emotion, egal ob traurig oder lustig!“ 

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