Gibt es Hoffnung, irgendwann?

Drei neue Bücher über die einhundert- jährige konfliktreiche Geschichte von Juden und Arabern in Palästina und Israel.

1866
Muriel Asseburg, Jan Busse: Der Nahostkonflikt. Geschichte, Positionen, Perspektiven. C. H. Beck Verlag, 128 S., € 10,30

Der Nahostkonflikt geht mit scheinbar unvereinbaren Identitätskonstruktionen und gegensätzlichen Narrativen einher.“ Von einem solchen steifen Satz sollte man sich nicht abhalten lassen, das schmale Paperback Der Nahostkonflikt in die Hand zu nehmen. Und es lesen. Denn es handelt sich, wie so oft bei der Reihe „Beck Wissen“, um eine informative Handreichung, um eine informierte Einführung. Dass Muriel Asseburg, Politikwissenschaftlerin und beschäftigt bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, und Jan Busse, Dozent am Lehrstuhl für internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr in München-Neubiberg, an nicht wenigen Stellen komprimiert zu schreiben haben – und dabei nur selten in akademisch umständlichen Wissenschaftsjargon verfallen –, verdankt sich dem Umfangsdiktat. Wobei: Ist es dann wirklich nötig, am Ende fast eine Seite mit Hinweisen auf Dokumentarfilme zu opfern?

Ian Black: Enemies and Neighbours.
Arabs and Jews in Palestine and Israel,
1917–2017. Allen Lane, 620 S., € 41,90

Recht souverän und fast immer um Ausgewogenheit bemüht zeichnen sie den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nach. Der Untertitel umreißt den Fokus auf Geschichte, Positionen und Perspektiven. Das ist insgesamt recht gelungen. Je näher sie der Gegenwart kommen, desto mehr Fragen stellen sich. Die nach der Verhandlungsseriosität von Fatah und Hamas überhaupt etwa. Bei Asseburg-Busse erscheinen beide als in sich fest gefügt und so als ernstzunehmende Gesprächspartner. Angesichts des schmalen Umfangs verwundert es dann doch sehr, wie ausgreifend Asseburg und Busse am Ende dem Umreißen so genannter Optionen einräumen und nicht wenige Vorschläge, Pläne, Manifeste für und gegen eine Ein- oder Zweistaatenregelung ausbreiten. Von denen ein jeder so wenig umsetzbar und realitätsfern anmutet wie sein Vorgänger. Hier verlieren sich die Politikwissenschaftler dann doch etwas in akademischen Debatten überwiegend akademischer Konzepte, so hoch an der Zeit Zukunftskonzepte erscheinen, die nicht nur visionär, sondern tragfähig sein werden.

Bedauerlich ist, dass die nun vorliegende zweite Auflage nicht hie und da um ein Weniges aktualisiert wurde seit April 2016, als das Manuskript abgeschlossen wurde. Ihr Fazit ist ernüchternd, fast melancholisch, weil betrübt aussichtslos.

Je näher sie der Gegenwart kommen,
desto mehr Fragen stellen sich.
Die nach der Verhandlungsseriosität von Fatah und Hamas überhaupt etwa.

Sie treffen sich da mit Ian Black. Dessen allerletzter Satz in seinem neuen, umfangreichen, sehr gut lesbaren Buch Enemies and Neighbours ist lakonisch, um nicht zu sagen verdrossen, um nicht zu sagen bedrückend: „No end to their conflict was in sight.“ Eine Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht.

Peter Münch: Lieblingsorte:
Tel Aviv & Jerusalem.
Mit Fotografien von Beryl
Schennen. Insel Verlag,
240 S., € 12,40

Black nimmt sich Zeit. Zeit, zu erzählen und Details auszubreiten, die nicht selten anekdotisch aufleuchten und gerade so stärkeren Eindruck hinterlassen als kühle Analyse. Bis zum Jahr 2016 war der Engländer 35 Jahre lang Korrespondent der liberalen Londoner Tageszeitung The Guardian, zuständig für Jerusalem, dann für den gesamten Mittleren Osten. Er ist ein mehr als routinierter Reporter. Und zudem ein begabter historischer Erzähler. Er hat seine lange Geschichte in 26 Kapitel eingeteilt. Ein jedes ist im Schnitt 20 bis 22 Seiten kurz und dramaturgisch raffiniert aufgebaut, so dass man es nicht beim Häppchenlesen belässt. Auch wenn die Kürze dazu einlädt. Viele Protagonisten tauchen auf und ab, von Chaos und Regelungen, Unterdrückung, Auflehnung, Irgun und PLO, Arafat und Rabin ist die Rede, von Kämpfen, Konflikten, Bomben, Raketenbeschüssen und von Rache und Vergeltung. Allein die ersten hundert Seiten sind nur der Zeit bis 1949 gewidmet. Über die Zeit des Osmanischen Reiches in Palästina und die britische Mandatsverwaltung nach 1922 ist eine so prägnante, dabei lebendige Darstellung nicht leicht zu finden.

In wiederkehrender Regelmäßigkeit führt Black vor, wie sehr sich die Führungsfiguren der Palästinenser kontraproduktiv verhielten und mit welcher Vehemenz, bei der man durchaus geneigt ist, von zunehmend progressiver Intelligenzabsenz zu sprechen, sie ihre eigene Sache torpedierten. So streicht man sich beispielsweise eine Stelle an, an der Black schildert, dass Mitte der 1990er-Jahre in den Palästinensergebieten eine Tonne Zement 74 Dollar kostete. Davon gingen 17 Dollar umgehend auf Konten der palästinensischen Autonomiebehörde, weitere 17 Dollar wurden direkt auf ein Bankkonto Yassir Arafats abgezweigt, das er bei einem Geldinstitut unterhielt. Das in Tel Aviv war. Wohl in einem der Hochhäuser, die man gleich sieht, schlägt man Peter Münchs Reiseempfehlungsbuch auf.

Münch, seit 1990 bei der Süddeutschen Zeitung, war von 2009 bis 2017 deren Berichterstatter in Israel und legt zu seinem Abschied nun ein Büchlein vor über Tel Aviv und Jerusalem. Geschrieben sind die großzügig von vielen Fotografien Beryl Schennens begleiteten Kurz- bis Kürzestreportagen in einem flotten, manchmal etwas arg magazinigen Stil.

Es hätte nicht gebraucht, dass das Buch vom Verlag als Guide zu „unbekannten“ Orten beworben wird. Das klingt nicht nur leicht anmaßend, es ist es faktisch auch. Und doch, Funde macht man auch als Lehnstuhlreisender, etwa Cornel Pollaks winziges Antiquariat an der King George Street oder Avivit Kamisas Tierhandlung „Rottweiler Farm“, Florentin Ecke Ben Attar Street, entgegen des Namens ein Katzenhotel. Oder in Jerusalem das Austrian Hospice, diese kleine, grüne, ruhige, neutrale Oase, in der Juden, Muslime und Christen ei­nander bei Meinl-Kaffee und Apfelstrudel begegnen. Immerhin ein Anfang, um miteinander in ein friedliches Gespräch zu kommen. 

 

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