Grober Missbrauch gepaart mit viel Häme

Ein Denkwerk der FPÖ nennt sich zukunftsreich – kommt aber ziemlich gestrig daher.

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Die hellgrauen Dekowände in Hübners Kursalon tragen den eleganten Schriftzug „Bundesministerium für öffentlichen Dienst und Sport“. Der zuständige Minister und Vizekanzler, Heinz-Christian Strache, hatte zur Auftaktveranstaltung seines „Denkwerk zukunftsreich“ geladen. „Diese Ideenfabrik soll dazu beitragen, dass unsere Heimat Österreich, wie es in der Bundeshymne heißt, zukunftsreich bleibt.“ Begrüßt wurden diplomatische Vertreter aus dem Kosovo, aus Serbien und Bulgarien sowie Belarus, Polen und Ungarn.

Die mehrheitlich älteren Besucher, etwa 700, beschwören ein Dé­jà-vu herauf. Nicht nur einzelne ehemalige FPÖ-Politiker, sondern auch die Jörg-Haider-Fans waren schon bei dessen Auftritten in den 80er- und 90er-Jahren zu sehen. Der Unterschied zu früher: Hatte damals die Stimmung etwas verstohlen Aufrührerisches an sich, strotzte jetzt das Publikum vor Selbstbewusstsein. Die FPÖ ist angekommen im Zentrum der Macht – und mit ihrer thematischen Dominanz in der Mitte der Gesellschaft.

Für die meisten billigen bis schäbigen Lacher sorgte der deutsch-jüdische Kolumnist Henryk M. Broder, der jüngst mit der Umarmung einer AfD-Politikerin Schlagzeilen machte.

Als Stargast der Diskussion zum Thema „Islamischer Antisemitismus“ fungierte der Politikwissenschaftler Michael Ley, der sein Büchlein mit dem Titel Tötet sie, wo ihr sie trefft vorstellte. Ley publiziert gemeinsam mit Vordenkern der Neuen Rechten und meint, dass die „Identitären“ gestärkt werden sollten. Ley will nicht zwischen einem radikalen und einem moderaten Islam unterscheiden, denn dieser sei weder „reformierbar noch liberalisierbar“. Der Begriff Islamismus sei „eine Erfindung der europäischen Gutmenschen und linken Politiker“. Auf dem Podium sitzt als einziger Muslim Birol Kilic, der Obmann der türkischen Kulturgemeinde in Österreich, der Ley vorwirft, die wenigen Zitate aus dem Koran verfälscht und verkürzt zu haben, um damit „den Hass zu schüren“. Ley lässt sich von diesem einsamen Kritiker, der aussichtslos um Differenzierung ringt, nicht beirren, er legt eifrig nach: „Der politische Islam weist einen ähnlichen Antisemitismus auf wie die Nationalsozialisten. Europa steht eine Islamisierung und eine Endlösung des Judentums bevor.“

Nach dieser erschreckenden Prognose über eine erneute „Endlösung der Judenfrage“ lohnt sich ein Blick in das Publikum. Ist die Gästeschar auch so besorgt ob dieser Aussichten? Einige Damen zupfen ihre Outfits zurecht; bei den beiden Herren in der vorderen Reihe sieht man nur die markanten Schmisse von der Seite, aber keine Regung. Diesmal sind die anderen die Bösen, wir können uns beruhigt zurücklehnen.

Diese mentale Umleitung funktioniert bestens: Jede islamfeindliche Ansage wird mit tosendem Applaus belohnt. Buhrufe handelt sich nur Presse-Chefredakteur Rainer Nowak als Moderator ein, wenn er den Vizekanzler fragt, warum ihm denn die islamische Version des Judenhasses so sehr am Herzen liege, könnte er doch in seiner Partei beim Antisemitismus laufend fündig werden. „Der Antisemitismus ist strikt abzulehnen, egal woher er kommt“, antwortet Strache. „Aber der Islam ist auf dem Vormarsch.“

Für die meisten billigen bis schäbigen Lacher sorgte der deutsch-jüdische Kolumnist Henryk M. Broder, der zu seinem größten Vergnügen jüngst in die Schlagzeilen geriet, als er sich von einer AfD-Politikerin umarmen ließ. In Wien bestand er darauf, als der „einzige Mann, den Alice Weidel je umarmte“ vorgestellt zu werden. Johlende Zustimmung erhielt Broder für seine selbstgefällig homophoben und beschämend frauenfeindlichen routinierten Späßchen, genauso wie für seine Häme gegenüber Deutschland: „Wenn man Deutschland überdachen könnte, wär’s eine geschlossene Anstalt.“ Ob dem Narzissten Broder je dämmern wird, dass er sich immer wieder zum jüdischen Clown von einem nicht ganz astreinen Publikum missbrauchen lässt? Apropos: Gastgeber Heinz-Christian Strache führte die Spaßgesellschaft vom Podium aus mit seinem breiten Lachen an – und umarmte schlussendlich den kleinen Mann mit dem schrulligen Hund auf dem weißen T-Shirt. 

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