Hakenkreuze und Hakenkreuze

Hakenkreuzbeschmierungen im öffentlichen Raum bleiben oft Monate lang bestehen. Facebook löscht manchmal schnell – erwischt aber zuweilen falsche Postings. WINA hat sich die Rechtslage näher angesehen.

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Hannah Lessing, die Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik, staunte nicht schlecht. Auf der Facebook-Seite eines Bekannten hatte sie zwei Fotos gesehen, die Hakenkreuzbeschmierungen in einem Wiener Park zeigten. Konkret hatte jemand Tafeln des Miep-Gies-Parks (er erinnert an eine der Helferinnen, die Anne Frank und ihrer Familie halfen unterzutauchen) mit dem NS-Symbol beschmiert. Lessing teilte die zwei Aufnahmen auf ihrem Facebook-Account, um darauf hinzuweisen, was so alles im öffentlichen Raum möglich ist. Doch am nächsten Tag hatte das soziale Medium eines der beiden Fotos entfernt und Lessing benachrichtigt, sie hätte mit dieser Veröffentlichung gegen Gemeinschaftsstandards verstoßen.
Besonders bitter ist eine solche Erfahrung mit dem Wissen, dass im Gegensatz dazu eindeutig antisemitische Gruppen von Facebook trotz Meldungen weiterbestehen. In Lessings Fall dürften wiederum Meldungen anderer User zur Löschung beigetragen haben. Woraus sich einige Fragen ergeben: Welche Gesinnung hat jemand, der ein Foto meldet, das Unrecht dokumentiert und damit anprangert? Und warum kommt Facebook diesem Löschaufruf nach, vielen anderen aber nicht?

 »Hakenkreuze sowie Hakenkreuzbeschmierungen fallen nicht unter das Symbolgesetz und somit nicht in den Zuständigkeitsbereich des BMI.«
BMI-Presseabteilung

WINA wollte sich hierzu die rechtliche Lage ansehen. Daraus ergab sich der zweite überraschende Moment dieser Begebenheit. Denn das zunächst kontaktierte Justizministerium gab zu den rechtlichen Vorgaben bezüglich der Veröffentlichung von Hakenkreuzen in Print- und elektronischen Medien sowie zur Veröffentlichung von Hakenkreuzbeschmierungen anklagenden Bildern lediglich die Antwort: „Die ausschließliche Entscheidung darüber, ob ein Sachverhalt unter das Verbotsgesetz fällt, obliegt der unabhängigen Rechtssprechung, die jeden Einzelfall gesondert zu prüfen hat.“
Betreffend weiterer verbotener Symbole verwies man im Justizministerium an das Innenressort. Dort wiederum gab man ausführlich Antwort auf die Frage, welche weiteren Symbole so wie bisher schon das IS- und das Al-Kaida-Zeichen künftig im Rahmen des Symbolgesetzes verboten sein sollen (Zeichen der „sunnitisch-islamistischen Muslimbruderschaft, der rechtsextremen türkisch-nationalistischen Grauen Wölfe, der separatistisch-marxistischen Kurdischen Arbeiterpartei PKK, der palästinensischen islamistischen Hamas, des militärischen Teils der Hisbollah, der kroatischen faschistischen Ustascha sowie sonstiger Gruppierungen, die in Rechtsakten der Europäischen Union als terroristische Organisationen angeführt werden; die Bezeichnung dieser Gruppierungen soll durch Verordnung der Bundesregierung erfolgen). Bezüglich des Themas Hakenkreuze hielt die Presseabteilung des Innenministeriums aber fest: „Hakenkreuze sowie Hakenkreuzbeschmierungen fallen nicht unter das Symbolgesetz und somit nicht in den Zuständigkeitsbereich des BMI.“ Und sie verwies auf das Justizministerium.
Klare Anworten gab dagegen die NGO ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit. Demnach ist das Aufsprayen eines Hakenkreuzes mit dem Vorsatz der Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz untersagt. Dafür kann eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren verhängt werden, bei besonderer Gefährlichkeit der Täter bis zu 20 Jahre. Eine Diversion ist bei diesem Delikt nicht möglich. Gibt es keinen wiederbetätigenden Vorsatz, ist eine Ahndung nach dem EGVG (Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen) möglich – dieses verbietet die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts im Sinn des Verbotsgesetzes. Die Strafe beträgt in diesem Fall bis zu 2.180 Euro.

Absicht der Wiederbetätigung. Veröffentlichungen von Hakenkreuz-Bildern sind dann verboten, wenn sie wiederbetätigend sind und mit dieser Absicht erfolgen. Wichtig sei also die Kontextualisierung der Veröffentlichung. Und da sind wir auch schon bei der Veröffentlichung von Fotos von Hakenkreuzbeschmierungen: Der Kontext ist entscheidend. Liegt keine wiederbetätigende Absicht, sondern im Gegenteil ein Aufzeigen solcher Aktivitäten vor, ist keine Sanktionierung vorgesehen. Das wäre dann auch auf Veröffentlichungen in sozialen Medien wie Facebook anzuwenden, denn die Verantwortlichkeit von Plattformbetreibern bestimme sich nach dem anwendbaren Recht.
Dafür, dass Hannah Lessings Posting gelöscht wurde, gibt es also keine rechtliche Grundlage. Das war eine Ermessensentscheidung von Facebook. Was aber kann man tun, um dennoch auf solche Vandalismusakte hinzuweisen? Am ratsamsten ist es, ZARA und, wenn es um Antisemitismus geht, das Forum gegen Antisemitismus (FGA) zu kontaktieren und den Vorfall zu melden. Beide Stellen freuen sich auch über Fotos, die das Beobachtete dokumentieren.

zara.or.at
fga-wien.at

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