Rama Burshtein, Jahrgang 1967, ist in einem säkularen Elternhaus in Jerusalem aufgewachsen und besuchte dort die prominente Sam-Spiegel-Filmschule. Mit 26 wurde sie religiös, ohne aber auf ihre Leidenschaft für das Kino zu verzichten. An ihrer Stelle ist ihr erster Spielfilm. Einblicke in die ultraorthodoxe Gemeinde in Tel Aviv, der sie mit ihrem Mann und vier Kindern angehört. Von Gisela Dachs
Rama Burshtein schneidert ihre Kleider selbst. Sie sind lang und weit geschnitten; dazu trägt die 46-jährige Israelin einen weißen Turban. In der Tel Aviver Filmproduktion, in der sie mich empfängt, arbeiten lauter junge Israelinnen mit weit ausgeschnittenen T-Shirts oder Spaghettiträgern. Burshtein wohnt nicht weit von hier, aber sie überbrückt Welten, wenn sie hierher kommt und in ihren Berufsalltag eintaucht.
Zuhause ist sie die ultraorthodoxe Ehefrau eines ultraorthodoxen Mannes, mit dem sie vier Kinder hat. Draußen in der säkularen Kinowelt hat sie sich als Filmemacherin einen Namen gemacht. Ihr erster Spielfilm An ihrer Stelle war der meistgesehene Film der letzten zehn Jahre in Israel, er gewann sieben hiesige „Oscars“ und bei den Filmfestspielen 2012 in Venedig den Preis für die beste Hauptdarstellerin. Seither fliegt Rama Burshtein zu allen möglichen Premieren nach Europa und Amerika, um dann wieder an ihren Herd zurückzukehren, „um Schnitzel für die Kinder zu machen“, wie sie betont. Kein einfacher Spagat.
Ihr Film zeigt das kleine ultraorthodoxe Milieu in Tel Aviv. Fast alle Szenen spielen sich in einer Wohnung ab, in einer Art Parallelgesellschaft mitten in der pulsierenden Großstadt. Es geht um eine junge Frau, deren ältere Schwester bei der Geburt ihres ersten Kindes stirbt. Nun soll sie den Witwer heiraten – was sie am Ende auch tut, allerdings aus ihrer freien Entscheidung heraus. Doch Filmkritiker, vor allem in Europa, warfen der Regisseurin vor, dass sie dieses Milieu schönzeichne und es – gerade als Frau – am kritischen Blick mangeln lasse.