#TheyKilledOurBoys

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Sehnsüchtig warteten wir auf gute Nachrichten bis zu dem Moment, an dem die Sonne am 18. Tag unterging. Von Iris Lanchiano

Jetzt hat die Nachricht alle erreicht. Eyal, Gilad und Naftali, die drei Jugendlichen, die in der Nähe von Hebron entführt wurden, sind tot. Sie wurden vermutlich gleich in den ersten Stunden ihrer Entführung von den beiden Hamas Mitgliedern Amer Abu Aysha und Marwan Kawasme auf dem Rücksitz eines Autos erschossen. Eyal, Naftali und Gilad waren per Anhalter bei Gush Etzion auf dem Weg zu ihren Familien. Als sie sich der Gefahr bewusst wurden, riefen sie bei der Polizei an mit den Worten: „Wir wurden entführt!“

Einen Tag bevor uns diese Nachricht erreicht hat, wurde noch bei einer Solidaritätskundgebung im Zentrum von Tel Aviv gemeinsam gehofft. Israelische Musiker wie Zvika Pik, Rami Kleinstein und Kobi Aflalo haben für die Heimkehr der Entführten gesungen. Ich war unter den tausenden Menschen, die ihre Anteilnahme zeigen wollten. Israel kam zusammen und teilte die Hoffnung. Die Religiösen und die Säkularen, die Linken und die Rechten, die Ultraorthodoxen und die Punks.

Die Mütter von Eyal, Gilad und Naftali haben sich für die Unterstützung bedankt und waren sichtlich gerührt von der Menschenmasse. Sie haben gelacht und waren voller Optimismus. Sie erzählten von ihren Söhnen. Von ihren Sommerplänen, ihren Hobbys, dass sie den Führerschein machen möchten und wie sie sehnsüchtig auf ihre Heimkehr warten. Sie gaben uns einen Einblick in das Leben von Eyal, Gilad und Naftali. Sie waren erst 16 und 19 und alle Mitglieder religiöser Jugendorganisationen wie der Bnei Akiva. Es wurde den Soldaten gedankt, die sich bei der Operation „Brothers Keepers“ jeden Tag Gefahren aussetzten, um die Jugendlichen zu finden. Reuven Rivlin, der neu israelische Präsident, appellierte an die Menschheit: „Die Entführung von Jugendlichen darf nicht als Akt der Tapferkeit gesehen werden. Zu keiner Zeit, an keinem Ort, in keiner Religion und in keiner Sprache. Nicht in Israel, nicht im Irak, in Syrien, im Sudan oder in Nigeria.“

Der Tag, an dem Eyal, Gilad und Naftali gekidnappt wurden, der 12. Juni, war der Beginn der Fußball Weltmeisterschaft in Brasilien. Bis zum Achtelfinale gab es noch Hoffnung. Doch dort, wo gestern noch alle zusammen gesungen und gehofft haben, wurden heute Kerzen angezündet. Entlang der Ibn Gvirol Straße, dort, wo bislang die Fußballspiele übertragen wurden, ist es ruhig geworden. Die Nachricht verbreitet sich schnell, und immer mehr Menschen kommen zum Yizhak Rabin Platz, um Kerzen anzuzünden und innezuhalten. Ein Jogger unterbricht seinen Lauf und lauscht den Klängen derjenigen, die sich im Kreis auf dem Boden versammelt haben, um gemeinsam Trauerlieder zu singen. Er wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, bevor er weiter in die tiefe Nacht hinausläuft.

Drei unschuldige Jugendliche wurden in einem Akt des Terrors umgebracht und verscharrt – da gibt es keinen Platz für Interpretation.

Ihre lachenden Gesichter waren die letzten 18 Tage allgegenwärtig. Ihr fröhliches Lächeln war auf Autobussen, Häuserwänden und Bildschirmen zu sehen. Oft mit dem Hashtag „#BringBackOurBoys“ verbunden. Die Suche nach Eyal, Gilad und Naftali hat ihre Spuren auf Facebook, Twitter, Instagram und Co. hinterlassen und aus „#BringBackOurBoys“ wurde „#TheyKilledOurBoys“. Jüdische Gemeinden auf der ganzen Welt haben sich solidarisiert und ihre Fotos ins Netz gestellt. Jedem, der die israelische Serie „Chatufim“ (Prisoner of War) gesehen hat, stiegen vermutlich die gleichen schrecklichen Bilder in den Kopf wie mir.

Zu wissen, dass weltweit versucht wird, diesen Fall zu relativieren und Erklärungen zu finden, macht mich wütender als die barbarische Tat selbst. Es macht mich noch wütender, dass diese Relativierungen stets um das Wort „Siedler“ gebaut werden: Drei unschuldige Jugendliche wurden in einem Akt des Terrors umgebracht und verscharrt – da gibt es keinen Platz für Interpretation. Und am wütendsten macht mich die Tatsache, dass die Gewalt im Nahen Osten weiterhin Routine bleibt. Auge um Auge, Zahn um Zahn.

Ihre Gesichter sind noch immer allgegenwärtig, sie werden uns noch lange anlächeln. Eyal, Gilad und Naftali.

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