Kaffee mit Kardamom

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Was in Wien die Kaffeehaustradition ist, lässt sich in Israel nicht am Ort, sondern an der Zubereitung des Kaffees festmachen. Orientalische Gewürze und Eigenheiten der Zubereitung lüften ethnische Traditionen. Kaffee kann Menschen voneinander trennen oder zusammenführen. Sicher ist aber: Bei einer Tasse Kaffee lässt es sich gut kennen lernen.

Regen in der Negev-Wüste. Eigentlich ein Grund zur Freude. Nicht aber, wenn man einen Ausflug mit Übernachtung im Zelt geplant hat. Was fast schon Pflichtprogramm ist für jeden Israelbesucher, ist eine Übernachtung in einem Beduinenzelt inklusive Sonnenaufgang über dem Toten Meer auf der Masada-Festung. Da ich dieses Touristenprogramm schon hinter mir und noch meine keuchende Ankunft beim letzten Mal in Erinnerung hatte, genoss ich den Ausblick von unten, während sich meine Freunde aufmachten.

Des Israeli bester Freund ist der Finjan. In Europa bekannt als der kleine Kochtopf, in dem man griechischen oder türkischen Kaffee zubereitet. Darin wird der Muntermacher zusammen mit Wasser und verschiedenen Zutaten gekocht. Für Soldaten ist der Finjan fast so wichtig wie die Zahnbürste.

Ich beobachtete unseren Busfahrer, wie er es sich mit einer Zeitung im offenen Kofferraum des Busses gemütlich machte. Er winkte mich zu sich rüber und fragte, ob ich einen Kaffee möchte. „Das ist ein ganz besonderer Kaffee, den bekommst du sonst nirgendwo.“ Ich nahm sein Angebot an, und er schaltete den Campingkocher ein. Er streckte mir die Hand entgegen: „Gjodi.“ – „Freut mich, Iris.“

Juden, Drusen, Araber, Christen. Das ist alles nebensächlich.

Gjodi war groß und dunkel, doch seine stechenden blauen Augen sind mir sofort aufgefallen. „Ich habe schon oft gehört, dass man Drusen nachsagt, sie haben schöne, helle Augen.“ Mit einem Augenzwinkern sagte er: „Das haben uns die Briten hinterlassen.“ Seine Familie lebt schon seit vielen Generationen in Israel. Er erzählte mir von einer Parallelgesellschaft, in der die Drusen in ihren Dörfern im Norden leben. Der gesellschaftliche Druck zwingt viele Drusen dazu, nur untereinander zu heiraten. „Meine Frau und ich sind seit vielen Jahren getrennt. Wir haben drei Kinder zusammen. Und wir leben noch immer unter einem Dach, damit die Leute im Dorf nicht reden.“

Der offene Kofferraum war eingerichtet wie ein kleines Wohnzimmer. Eine Matratze, damit er sich ausruhen kann, während er auf seine Reisegruppen wartet, ein kleines Radio, ein Campingkocher, Süßigkeiten zum Naschen und eine Wasserpfeife. Er streckte mir den Schlauch der Wasserpfeife entgegen: „Magst du probieren? Das ist Apfel-Minze-Geschmack.“ Gastfreundlichkeit ist das oberste Gebot bei den Drusen. „Wenn du mal in unser Dorf kommen möchtest, mache ich die Labane auf drusische Art.“ Unter den Israelis ist vor allem das drusische Dorf Jarka bekannt. Viele fahren dorthin, um billig einzukaufen und ihr Auto reparieren zu lassen.

1000x1000Unser Kaffee war fertig. Leicht naiv fragte ich: „Ah, macht ihr den so wie die Beduinen?“ Nach Gjodis Blick konnte ich erahnen, dass er mir gleich eine Predigt halten würde, was der Unterschied zwischen deren und ihrem Kaffee sei. „Vergiss deren Kaffee, unserer ist viel besser. Die Gewürze machen es aus. Deren Kaffee ist viel zu süß. Die verwenden Zimt und Ingwer. Wir verwenden Kardamom.“

Gjodi ist ein weltoffener Mensch, durch seinen Beruf lernt er ständig Menschen aus der ganzen Welt kennen. „Juden, Drusen, Araber, Christen. Das ist alles nebensächlich. Die Hauptsache ist der Mensch und sein Herz. Meine Kinder können heiraten, wen sie wollen.“ Gjodi liebt die Natur im Norden und das vibrierende Leben in Tel Aviv, seinen Sohn nannte er Galil, nach Galiläa. Ich fragte ihn, wie sein Verhältnis zu den Arabern in seiner Umgebung sei. „Was uns verbindet, ist die Sprache, aber viele Araber mögen uns nicht, weil wir ins israelische Militär gehen. Für sie sind wir Verräter. Ich hasse diesen ganzen unnötigen Konflikt.

Wenn ich gefragt werde, ‚Ma ata?‘ (was so viel heißt wie ‚Was bist du?‘ und den ethnischen Hintergrund erfragen möchte oder die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe), sage ich immer: ‚Ich bin Israeli.‘“

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