Luftblasen aus  der Boykottzone 

2108

Mehr als 13 Millionen Mal wurde er auf YouTube angeklickt: der Werbespot der israelischen Firma SodaStream mit der Schauspielerin Scarlett Johansson. Grund für die Aufmerksamkeit ist nicht nur der Star, sondern eine hochpolitische Kontroverse. Von Manja Altenburg

Seit Jahren ist Johansson als Botschafter für die internationale Hilfsorganisation Oxfam unterwegs. Sie möchte das Scheinwerferlicht auf Dinge werfen, „die für uns alle wichtig sind“, so der Hollywoodstar. Nun hat sie das Scheinwerferlicht auf ein Thema gerichtet, das so umstritten ist wie kaum ein anderes. Darum verlangte Oxfam von der 29-Jährigen, ihr Amt als Botschafterin der Organisation niederzulegen. Der Grund dafür ist, dass SodaStream ein Werk in einer jüdischen Siedlung im besetzten Westjor­danland betreibt. Das sei mit den Überzeugungen des Hilfswerks nicht vereinbar. Johansson zögerte nicht lang. Sie legte das Amt bei Oxfam nieder. SodaStream produziert Geräte, die in der heimischen Küche Leitungswasser mit Kohlensäure anreichern. Eine ihrer wichtigsten Produktionsstätten liegt im Industriepark Mishor Adumim im von Israel besetzten Westjordanland. Dort baut das Unternehmen „eine Brücke zum Frieden zwischen Israel und den Palästinensern“, schwärmt die Schauspielerin, die zu Jahresbeginn die erste „globale Markenbotschafterin“ der Firma wurde. In der Fabrik, so der Hollywoodstar, arbeiten israelische und palästinensische Nachbarn Seite an Seite, erhalten denselben Lohn, gleiche Sozialleistungen und haben dieselben Rechte.

Unterschiedliche Ansichten

Vergangenes Jahr produzierte SodaStream einen kurzen Film für den amerikanischen Markt. Vorstandschef Daniel Birnbaum erklärt darin seine Firma zur Wohltätigkeitsorganisation. Dort kann man u. a. sehen, dass palästinensische und israelische Arbeiter friedvoll miteinander arbeiten und den Muslimen ein Gebetsraum zur Verfügung steht. Das paradiesische Miteinander wurde weder bestätigt noch widerlegt von palästinensischer Seite. Aber dass es ihnen bei SodaStream gut gehe, bezeugen die palästinensischen Arbeitskräfte selbst. Sie sagen, dass man ihnen hier deutlich mehr zahlt, als sie je in palästinensischen Firmen verdienen würden. Werden sie auf eine mögliche Schließung der Fabrik angesprochen, reagieren sie bestürzt.

„Ein Boykott würde zur Entlassung palästinensischer Arbeiter führen und der palästinensischen Wirtschaft schaden.“
Dani Dajan

Immer wieder werden Rufe aus dem Ausland laut, man solle israelische Firmen in besetzten Gebieten boykottieren. „Ein Boykott würde zur Entlassung palästinensischer Arbeiter führen und der palästinensischen Wirtschaft schaden“, so Dani Dajan, der außenpolitische Gesandte des Siedlerrats Yesha. Die Folgen könnten die etwa 25.000 Palästinenser härter treffen als ihre Arbeitgeber in den Siedlungen, vermutet der frühere Vorsitzende des Siedlerrats. Nur wenige Kilometer weit weg von Mishor Adumim sieht man es genau anders. „Wir fühlen uns durch Europa ermutigt. Endlich zeigen sich die wahren Kosten der israelischen Besatzung“, sagt der frühere Präsidentschaftskandidat Mustafa Barguti. Er ist einer der Palästinenser, Anzahl steigend, die die internationale BDS-Kampagne (BDS: Boykott, Desinvestition und Sanktionen; Anm.) gegen Israel unterstützen. Als Vorbild fungiert der einstige Kampf gegen das Apartheidregime in Südafrika.

Kennzeichnungspflicht für Israel

Bisher zogen sich nur private Unternehmen aus Israel zurück, weil sie die Siedlungspolitik der Regierung Netanjahu ablehnen. Zu Jahresbeginn verkaufte der niederländische Pensionsfonds PGGM seine Anteile an fünf großen israelischen Banken. Die Kreditinstitute sind auch in den Siedlungen aktiv. Der niederländische Pensionsfonds ABP, zweitgrößter der Welt, überlegt, ob er dem Beispiel von PGGM folgt. Im vergangenen Jahr beendete das niederländische Wasserversorgungsunternehmen Vitens seine Zusammenarbeit mit den israelischen Wasserwerken Mekorot. Mekorot versorgt auch die besetzten Gebiete mit Wasser. Diese ersten Rückzüge europäischer Firmen hält die israelische Regierung für besorgniserregend. Sie treffen ganz Israel und nicht mehr nur die Siedlungen. Israelische Bauern aus dem Jordantal haben 2013 fast zwanzig Millionen Euro weniger durch ihre Exporte verdient. Mittlerweile beunruhigt diese Entwicklung auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Doch bisher ist die israelische Regierung sich noch nicht sicher, wie sie mit dieser Bedrohung umgehen soll. Verschärfend kommt hinzu, dass die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton derzeit an einem Gesetz arbeitet, um Produkte aus den besetzten Gebieten zu kennzeichnen, da Israel beim Handel mit der EU Zollvergünstigungen erhält. Ausgenommen sind davon jedoch ausdrücklich sämtliche Erzeugnisse aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten. Woher ein Produkt tatsächlich stammt, ist derzeit oft nicht auf den ersten Blick erkennbar.

Keine Option für Deutschland

Großbritannien und Dänemark kennzeichnen Siedlerprodukte bereits jetzt durchgängig. Für Bundeskanzlerin Merkel sind Boykottmaßnahmen gegen israelische Produkte keine Lösung. „Das ist für Deutschland keine Option“, betonte sie auch beim deutsch-israelischen Regierungstreffen in Jerusalem. „Wir glauben, dass Boykotte nicht die Antwort sein können, um den Friedensprozess voranzubringen.“ Obst und Gemüse aus den Siedlungen im Jordantal werden also nicht per Dekret aus den Regalen verbannt. In Israel steigen angesichts der Diskussion um Kennzeichnung und Boykott die Bedenken. Denn vielen der Boykottanhänger dienen die umstrittenen Gebiete nur als Vorwand. So meint der israelische Gesandte in Deutschland, Emmanuel Nahshon: „Das Ziel sind für sie nicht die besetzten Gebiete, das Ziel ist der Staat Israel.“ Israels Existenzrecht werde im Zuge einer solchen Diskussion immer wieder grundsätzlich in Frage gestellt.„Deshalb ist diese Debatte für uns so etwas wie ein rutschiger Abhang“, so Nahshon, „für uns ist das eine gefährliche
Entwicklung“.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here