Luxus aus glasklarem Wasser‏

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Ein Kibbuz im Norden Israels gehört zu den renommiertesten Produzenten von Kaviar – mit weltweiten Exporten. Von Reinhard Engel  

Es sind Tiere aus einem anderen Zeitalter der Erde. Die kräftigen Störe mit ihrem Knochenpanzer sind angeblich 200 Millionen Jahre alt, ihre Vorfahren schwammen im Meer und in den Flüssen, als am Land Dinosaurier grasten oder jagten. Doch der Mensch hätte ihnen beinahe ein jähes Ende bereitet. Die Eier des Fisches gelten schon lange als besondere Delikatesse, und deren hoher Preis ließ die Fischer jegliche Rücksicht auf die Erhaltung der Art beiseiteschieben: Sowohl in Russland als auch im Iran verringerten sich die Störpopulationen rapide.

Da die kleinen Störfischlein Schuppen haben, ehe sich der Panzer verfestigt, dürfe man auch die Eier der großen Fische genießen.

Seit 2005 gibt es – von den USA ausgehend – eine ganze Reihe von internationalen Vereinbarungen zum Schutz gefährdeter Arten, die den Verkauf von Kaviar aus Wildfang verbieten. Zwar wurden diese inzwischen wieder etwas gelockert, doch die Auswirkungen auf die Gourmetwelt waren gravierend: Während früher einmal 90 Prozent des Kaviars von gefangenen Fischen stammte und zehn Prozent aus Aquakulturen, dürfte heute das Verhältnis deutlich zugunsten der gezüchteten Störe ausschlagen.

kaviar2„Ganz genaue Zahlen haben wir nicht, aber wir schätzen, dass der legale Weltmarkt von Kaviar etwa 160 Tonnen pro Jahr beträgt“, erzählt Yigal Ben Tzvi. Er ist einer, der es eigentlich wissen müsste, denn er steht als langjähriger Direktor einem der interessantesten kleinen Produzenten vor, der Fischzucht Caviar Galilee in Israel mit ihrer Marke Karat. Und sein hoch spezialisiertes kleines Acht-Mann-Unternehmen wird heuer immerhin fünf Tonnen besten Osietra-Kaviar erzeugen.

Caviar Galilee gehört mehrheitlich dem Kibbuz Dan ganz im Norden des Landes, schon beinahe an der libanesischen Grenze. Gegründet hatten den Kibbuz 1939 sozialistische Haschomer-Siedler aus Transsilvanien. Und bald fanden sie auch heraus, welche Vorteile der Standort bot: frisches, kaltes Wasser. Aus einem Nebenfluss des Jordan speist auch heute die Aquakultur ihre Becken. Die Hauptproduktion betrifft Frischfisch für den israelischen Markt: vor allem Forellen, aber auch Karpfen. Ein technisch erfolgreiches Zuchtprojekt mit Aalen hat man erst kürzlich wieder eingestellt, nachdem europäische Lieferanten die Preise dramatisch gesenkt hatten und die Rentabilität nicht zu schaffen war. In der hochprofitablen Forellenzucht arbeiten etwa 30 Menschen.

Seit Anfang der 90er-Jahre gibt es ein zweites Standbein, und auch das bringt inzwischen schöne Erträge. Mittlerweile sind zwei weitere Kibbuzim aus dem Süden daran beteiligt. Begonnen hatte es mit kleinen Störfischlein, die russische Immigranten mitgebracht hatten. Gezüchtet wurden diese ursprünglich für das Fleisch, das bei Russen beliebt ist. In Israel darf dieses – ebenso wie der Kaviar – nicht verkauft werden, denn der Stör ist wegen seines Knochenpanzers und der daher fehlenden Schuppen nicht koscher. Und um das Koscherzertifikat für den wichtigen inländischen Forellenverkauf nicht zu gefährden, wollte man sich im Kibbuz nicht mit dem Rabbinat anlegen. Der Kompromiss sieht daher eine Störproduktion ausschließlich für den Export vor.

Hochwertig und teuer

Bald erkannten die Züchter, dass die Störe neben ihrem Fleisch auch die exzellenten Eier bieten, freilich erst nach langen Jahren der Hege und Pflege. Direktor Ben Tzvi erklärt: „Es gibt Weibchen, die sind schon mit sieben Jahren reif, andere erst mit 14. Ich würde sagen, der Schnitt liegt bei zehn Jahren.“ Nicht zuletzt daraus erklärt sich der hohe Preis des Endprodukts: Karat Caviar kostet bei US-Großhändlern pro Viertel-Kilogramm mehr als 1.000 Dollar, in der Gastronomie mindestens das Doppelte. Und der israelische Kaviar hat auch in den USA seinen Ritterschlag von Spitzenköchen bekommen: Sowohl im Le Bernardin als auch im Daniel, zwei auf Fisch spezialisierten Luxusrestaurants in New York, wird er als besonders hochwertig bezeichnet und serviert.

Wie viele Fische Ben Tzvi gerade in seinen Becken mit klarem Gebirgswasser schwimmen hat, will er aus Konkurrenzgründen nicht sagen. „Das ist nicht entscheidend. Wichtig ist, welche Menge von Kaviar man erzeugt. Und unsere Produktion nimmt nach wie vor zu: Von heuer fünf Tonnen auf sieben im kommenden Jahr.“ Das habe eben mit der langen Vorlaufzeit bei der Zucht zu tun, und nun kommen immer mehr Jahrgänge in ihre produktive Phase. Erst wenn die Tiere, seit 2007 bereits sämtlich hier geschlüpft, einige Jahre alt sind, kann man überhaupt mit Sicherheit das Geschlecht feststellen. Dann werden die Männchen geschlachtet und als gefrorene Filets exportiert, vor allem nach Russland.

Die Weibchen untersucht ein Tierarzt regelmäßig auf ihre Geschlechtsreife. Wenn sie dann so weit sind, geht es ihnen ebenfalls an den Kragen. Etwa zweieinhalb Kilo Rogen finden sich im Bauch eines 25 Kilo schweren Fisches. Von der Methode des Melkens lebender Störe, wie es etwa deutsche Züchter praktizieren, hält der Agronom Ben Tzvi nicht viel: „Das ergibt keine gute Qualität.“ Auch manche Tierschützer halten diese Methode eher für Quälerei denn nachhaltiges ökologisches Wirtschaften.

kaviar3Was sind die wichtigsten Märkte für israelischen Kaviar? „Vor allem die USA und danach Europa“, erzählt der Direktor. „Und in Europa ist sicher Frankreich bedeutender als Deutschland und die anderen Länder.“ Aber auch in asiatische Staaten wird bereits geliefert. Karat bietet auf seiner Website keinen Direktverkauf an, das Unternehmen verlässt sich auf vertrauenswürdige Importeure und Gastronomiegroßhändler in den einzelnen Märkten, die dann wiederum die Restaurants und feinen Delikatessenläden beliefern. In Österreich spielt laut Branchenkennern israelischer Kaviar noch keine Rolle.

Als größte Konkurrenten sieht Ben Tzvi Produzenten in den USA, in Italien und in China, neben den klassischen Lieferländern Russland und Iran. Aber auch neue kleinere Erzeuger sind in den letzten Jahren aufgetaucht, etwa in Saudi Arabien. „Bei der Qualität können sie nicht mithalten. Wir liefern nur den besten, den Osietra-Kaviar aus russischem Stör.“ Für jüdische Gourmets in den USA haben manche Rabbiner übrigens eine kreative Auslegung der Speisegesetze gefunden: Da die kleinen Störfischlein Schuppen haben, ehe sich der Panzer verfestigt, dürfe man auch die Eier der großen Fische ohne schlechtes Gewissen genießen. ◗

Bilder: © Galilee Caviar  

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