Martha Grahams Spuren in Tel Aviv

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Die weltweit bekannte Batsheva Dance Company wird in diesem Jahr fünfzig Jahre alt. Deshalb gab es zu ihren Ehren eine schicke Gala in der Oper, die an den Anfang erinnerte.Von Gisela Dachs

Auf Hochzeiten, Partys, bei allen möglichen Zeremonien und Schulaufführungen geht eigentlich nichts ohne Tanz. In Tel Aviv gilt das vielleicht noch mehr als anderswo. Hier haben nicht nur die öffentlichen Volkstänze am Strand eine lange Tradition, sondern mittlerweile auch die Ensembles, die für modernen Tanz stehen. Wie die Batsheva Dance Company. Oder vor allem sie.

Die Galavorstellung anlässlich ihres 50.Geburtstags begann lange vor dem eigentlichen Beginn der Show. Ein Solotänzer bewegte seinen Körper ganz vorne auf der Bühne zu Chachacha-Musik, während sich der Saal bei vollem Licht füllte. Also eher beiläufig, quasi als Pausenfüller, aber man konnte die Augen nicht von ihm lassen. Fast eine halbe Stunde nahm er das anschwellende Publikum mit seinen Bewegungen gefangen. Sein Radius beschränkte sich auf höchstens einen Meter. Als er dann abtrat und es dunkel wurde, wünschte man sich vor allem eins: mehr davon.

In Jeans und T-Shirt eröffnet Naharin den Gala-abend zu Ehren seines Ensembles in der Oper.

Der kreative Kopf, der da dahintersteckt, heißt Ohad Naharin. Der Choreograf war zwölf, als er mit seiner Mutter erstmals die Batsheva-Truppe tanzen sah. Dann begann er, allerdings erst mit 22, selbst zu tanzen. Jetzt ist er 62 und leitet das Ensemble nun schon seit einer ganzen Weile. In Jeans und T-Shirt eröffnet Naharin den Galaabend zu Ehren seines Ensembles in der Oper. Draußen gab es vorher Drinks auf rotem Teppich. Drinnen sitzen jetzt neben den Ehrengästen auch viele (ehemalige) Tänzer, ingesamt 400 zählen mittlerweile dazu, einschließlich der jetzigen, die ihr Können gleich unter Beweis stellen. Alle ihre Namen werden am Ende der Vorstellung auf eine Tafel projiziert, die Tänzer zuvor mit einem Geburtstagsgruß bemalt hatten. Damit es einem nicht langweilig wird, während die lange Liste mit Namen an einem vorbeizieht, klettern Tänzer immer von hinten auf die Tafel und springen dann auf abenteuerliche Weisen wieder in den (unsichtbaren) Abgrund.

Naharin ist bekannt dafür, dass er gerne die Grenzen zwischen Tanz und Schauspiel auslotet. An diesem Abend aber geht es neben Kostproben aus dem Repertoire des Ensembles vor allem auch um dessen Geschichte. Deshalb wird auch ein Dokumentarfilm gezeigt; er erzählt von den Anfangszeiten, lässt die ersten Mitglieder zu Wort kommen. Sie sind nicht mehr jung. Vom Tanzen ließe sich nur die Erinnerung an das Tanzen selbst mit ins Alter nehmen, heißt es da wehmütig – nicht wie einen Liedertext, den man in seiner Schublade aufbewahren könne oder ein Bild, das man an die Wand hänge.

Martha Graham gehörte persönlich zu jener kleinen Jury, die in einem Tel Aviver Studio am 24. November 1963 die ersten israelischen Talente gesichtet hat.

Natürlich aber gibt es Aufnahmen der ersten Aufführungen und viele Geschichten. Wie sich die französische Philantropin Bethsabée (ab 1951: Batsheva) de Rothschild, zu dieser Zeit bereits in Israel lebend, zur Gründung der heute weltberühmten Tanztruppe entschieden hatte, nachdem ihr niemand anderes als Martha Graham die Erlaubnis erteilt hatte, ihre Choreografien aufzuführen und zu interpretieren. Die Batsheva Company war damals das einzige Ensemble weltweit, das die exlusiven Rechte dazu besaß. (An dem Galaabend erinnert man daran, dass die berühmte amerikanische Erfinderin des modernes Tanzes einst von Jean Cocteau neben Chaplin, Stravinsky und Picasso auf dessen – kurze – Liste wahrer Künstlergenies aufgenommen worden war.) Und Martha Graham gehörte persönlich zu jener kleinen Jury, die in einem Tel Aviver Studio am 24. November 1963 die ersten israelischen Talente gesichtet hat. Sie habe immer bewusst die Konkurrenz zwischen begabten Tänzern angefacht, auf diese Weise dachte sie, das Beste aus ihnen herauszuholen. In Israel war Martha Graham zu dieser Zeit eine echte Neuentdeckung. Bis dahin kannte man vor allem die Werke von Gertrud Kraus, der gebürtige Österreicherin, die noch rechtzeitig vor den Nazis geflüchtet war und sich vielen mit ihren unvergessenen Solos – im Untergeschoß des alten Mugrabi-Kinos, das damals zur Oper gehörte – ins Gedächtnis eingegraben hatte.

An diesem Ort fand dann auch die erste Premiere der neuen Batsheva Company statt. Sie galt als durchschlagender Erfolg. Anfangs bestand das Repertoire vor allem aus Tanzstücken der Graham: Errand into the Maze, Diversion of Angels, Embattled Garden, Cave of the Heart und Learning Process. 1974 schrieb Graham mit Jacob’s Dream ein eigenes Stück für die Batsheva-Kompanie. Auch Naharin gehörte zu Grahams Schülern.

Fünfzig Jahre nach ihrer Gründung hat sich die Truppe in ein globales Markenzeichen verwandelt. Ursprünglich wollte die Baroness Batsheva de Rothschild nicht, dass sie nach ihr benannt werden sollte. Doch der Grafiker machte dann aus ihren Vornamen ein Omen. Er entwarf das Logo aus dem hebräischen Buchstabe Bet (wie bei Bat), der elegant mit der Zahl Sieben (Sheva) verschmilzt. Von einem kleinen Wunder ist im Jubiläumskatalog die Rede: Eine Nation, die Volktänze gekannt hatte ebenso wie die hassidischen und jementischen Tänze ihrer Vorfahren, habe sich zu einem globalen Imperium zeitgenössischen Tanzes entwickelt.

Dass aber auch die ganz normalen Tel Aviver und Tel Aviverinnen gerne tanzen und sich nicht scheuen, mit Profis auf die Bühne zu steigen, bewies die Einlage, bei der sich die Tänzer und Tänzerinnen spontan Partner und Partnerinnen aus dem Publikum aussuchten. Deren bunte Abendkleidung stach heraus aus dem minimalistischen Schwarz-Weiß des Ensembles, aber ansonsten fügten sie sich ziemlich gut ein.

http://www.batsheva.co.il

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