Mit Teamchef Andi auf Erfolgskurs

Mit Andreas Herzog wird erstmals ein österreichischer Trainer die israelische Nationalmannschaft auf internationale Bewerbe vorbereiten.

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Herzog schoss 2001 das entscheidende Tor gegen Israel. Nun hat er die Seite gewechselt. © Eibner/EXPA/picturedesk.com

Spekulationen und Gerüchte waren schnell in Umlauf gesetzt worden. Mit erstem Juli trat Willi Ruttensteiner, der ehemalige Sportdirektor des Österreichischen Fußballverbandes, seinen neuen Job in Israel an, in derselben Position. Israels Verbandspräsident Ofer Eini hatte die Bestellung des 55-jährigen Oberösterreichers einen „wichtigen Schritt“ für den israelischen Fußball genannt. Aber wen würde Ruttensteiner als Trainer vorschlagen? Schnell machte vor allem ein Name die Runde: Marcel Koller. Mit dem Schweizer, der die österreichische Nationalmannschaft vor Franco Foda trainiert hatte, hatte ja Ruttensteiner einige Jahre zusammengearbeitet.
Doch es kam ganz anders. Seit wenigen Wochen ist Andreas Herzog als erster Österreicher der Trainer der israelischen Nationalmannschaft. Er habe dem Verband einen Dreiervorschlag mit Herzog an der Spitze vorgelegt, so Ruttensteiner nach der Entscheidung. Die Wahl im höchsten Gremium der IFA, der Israel Football Association, sei klar auf Herzog gefallen.
Dieser hat nicht allzu viel Zeit zur Vorbereitung. Denn schon im Herbst stehen dem israelischen Team in der neuen Nations League zwei wichtige Spiele bevor: gegen Albanien und gegen Schottland. Und zuletzt waren dessen Erfolge recht überschaubar gewesen. Unter Herzogs Vorgänger Elisha Levy hatte Israel in der WM-Qualifikation nicht mehr als den vierten Gruppenrang erreicht – hinter Spanien, Italien und Albanien. Das war übrigens für Österreich unter Koller nicht viel anders: Platz vier hinter Serbien, Irland und Wales. Nach dem Abgang von Levy folgten einige Monate Interregnum mit einem Aushilfstrainer, hinter den Kulissen wurde allerdings eifrig international nach einem neuen Betreuerteam für die Nationalmannschaft gesucht. Israels Nationalteam liegt derzeit auf Platz 93 der Weltrangliste, also gibt es genug Handlungsbedarf in Richtung EM 2020 und WM 2022.

»Jetzt geht es darum, mit den Israelis den größtmöglichen Erfolg zu haben.«
Andi Herzog

Für Andi Herzog ist es der erste große eigenverantwortliche Trainerposten. „Ich spüre vollstes Vertrauen und gehe mit großem Engagement an die Sache heran“, sagte er in einem Interview mit Sky Sport Austria, wo er zuletzt als TV-Fußballexperte tätig war.
Herzog und Ruttensteiner kennen einander aus der gemeinsamen Zeit beim ÖFB, wo Herzog als persönlicher Assistent von Teamchef Josef Hickersberger arbeitete – das war in den Jahren 2005 bis 2009. Anschließend – von 2009 bis 2011 – trainierte er als Teamchef das Unter-21-Nationalteam. Dann wechselte er in die USA, wo er bis 2016 als Co-Trainer unter Jürgen Klinsmann das dortige Nationalteam betreute. Er wurde auch als möglicher Nachfolger für ÖFB-Teamchef Koller genannt, das Rennen machte aber dann der langjährige Sturm-Graz-Coach Foda.

Andi Herzog lernte in jungen Jahren schon den Umgang mit dem runden Leder. © Eibner/EXPA/picturedesk.com

Seitenwechsel. Andreas Herzog, der im Herbst 50 wird, ist gebürtiger Wiener und begann seine Fußballerkarriere in der Jugend von Admira Wacker, wechselte aber bald zu Rapid. Sein erstes Spiel als Profi absolvierte er mit 18, bekannt wurde er aber als Mittelfeldspieler bei der Vienna, neben Peter Stöger. Bald durfte er auch in der Nationalmannschaft auflaufen.
Es folgten erfolgreiche Auslandsjahre, vor allem bei Werder Bremen, wo er 1994 gleich Meister und Pokalsieger wurde. Bei Bayern München gab er nur ein kurzes Zwischenspiel, wurde aber nach seiner Rückkehr zu Bremen 1999 wieder deutscher Meister. 2001 kehrte er in die heimische Bundesliga zurück, spielte einige Saisonen für Rapid. Seine letzte Station im Profifußball war Los Angeles Galaxy in den USA. 2004 trat er als Aktiver zurück. Die Statistiker von weltfußball.de listen nüchtern folgende Zahlen auf: 557 Vereinsspiele, davon 264 in der deutschen und 181 in der österreichischen Bundesliga, mit 59 beziehungsweise 40 erzielten Toren. Herzog absolvierte darüber hinaus 103 Länderspiele und schoss dabei 26 Tore.
An eines davon erinnert man sich auch in seiner neuen sportlichen Heimat: Herzog wurde am 27. Oktober 2001 mit einem entscheidenden Tor bekannt. Damals erzielte er im Ramat-Gan-Stadion von Tel Aviv buchstäblich in allerletzter Minute, in der 92., aus einem Freistoß das 1:1 gegen Israel. Das erlaubte Österreich den Einzug ins WM-Play-off, dort war aber im Spiel gegen die Türkei endgültig Schluss. Herzog darauf angesprochen heute: „Das ist schon lange her. Jetzt geht es darum, mit den Israelis den größtmöglichen Erfolg zu haben. Vielleicht gelingt uns zusammen jetzt das, was ich ihnen damals verwehrt habe.“
Seine Aufgabe in Israel ist jener eines österreichischen Nationaltrainers nicht unähnlich. Trotz Begeisterung unter den eigenen Fans verfügt die israelische Liga im internationalen Vergleich nur über wenige starke Mannschaften und arbeitet mit kleinen Budgets. Maccabi Tel Aviv, die Gelb-Blauen, die beiden Arbeitervereine Hapoel Tel Aviv (rot-weiß) und Hapoel Haifa (rot-schwarz) sowie die grün-weißen Maccabi Haifa zählen zum kleinen Kreis der Spitzenteams. Dafür werden aber von ihnen in der Jugendarbeit laufend Talente produziert. Diese zieht es allerdings recht schnell ins Ausland, wo höherer Verdienst und bessere Karrierechancen locken. Auch das ist mit Österreich vergleichbar.
Hierzulande geläufig sind etwa die Namen von Munas Dabbur, der bei Salzburg spielt, und von Alon Turgeman bei der Wiener Austria. Aber auch in einer Reihe europäischer Erst- und Zweitligamannschaften kannte und kennt man israelische Profis: In der Vergangenheit gab es einzelne israelische Kicker in europäischen Topligen, etwa Eyal Berkovic, Haim Revivo oder Yossi Benayoun. Das waren aber nur wenige, heute sind es deutlich mehr. Nicht zuletzt mit ihnen – neben den lokalen Stars – wird Herzog seinen Kader schmieden müssen. In Belgien spielen etwa Ofir Davidzada und Kenny Saief, in Deutschland Almog Cohen, in Großbritannien Ofir Marciano, Tomer Hemed und Beram Kayal. Und auch in der niederländischen ersten Liga, in Griechenland, Portugal, Irland und Russland finden sich einzelne israelische Topspieler. Herzog ist schon aktiv geworden, Kandidaten für sein Team live zu beobachten, für einzelne Positionen Vorauswahlen zu treffen.
Herzogs eigener Vertrag läuft vorerst bis Ende 2019, bei einer erfolgreichen EM-Qualifikation verlängert er sich automatisch bis zum Turnier. Angeblich gibt es eine weitere Option, falls es mit der Teilnahme bei der EM noch nicht klappen sollte. Dann darf Israels Verband Herzogs Vertrag bis einschließlich der Quali für die WM 2022 in Katar weiter verlängern. Zu seiner Gage schreiben israelische Medien von 350.000 Euro pro Jahr. Das ist im internationalen Vergleich recht bescheiden. Es sagt freilich noch nicht wirklich viel aus. Zwar kann sich Herzogs Bezahlung nicht mit den Millionenverdiensten der Trainer von Portugal, Spanien, Frankreich, Russland oder Deutschland messen. Bei der letzten WM 2018 verdienten etwa die Trainer von Serbien, Costa Rica oder Panama ungefähr gleich viel. Aber sie hatten dennoch auch dafür mit ihren Teams die Qualifikation geschafft. Und Deutschland mit dem teuersten Coach der WM musste recht rasch seine Koffer packen.

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