Gershom Gorenbergs Buch über die Zukunft des Zionismus – ein Plädoyer zur Wiederbelebung einer linken Idee. Von Stephan Grigat
Gershom Gorenberg hat ein Plädoyer für eine Wiederbelebung des linken Zionismus geschrieben, das gerade vor dem Hintergrund der neuen Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der palästinen- sischen Autonomiebehörde von Interesse ist. Es liefert zudem eine linkszionistische Bestandsaufnahme jener Entwicklungen, die seit dem Osloer Abkommen, das vor genau 20 Jahren unterzeichnet wurde, den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern geprägt haben.
Einen effekthascherischen Titel als Israel schafft sich ab hätte sich der Verlag für die deutsche Ausgabe des im Englischen als The Unmaking of Israel publizierten Textes des liberalen, religiös-linkszionistischen Gorenberg kaum ausdenken können. Doch Gorenberg geht es nicht darum, den israelischen Staat zu delegitimieren und die internationale Gemeinschaft der Israelbasher mit wohlfeiler Munition zu versorgen, er argumentiert viel mehr für eine Reformulierung des zionistischen Grundgedankens.
Was bei europäischen „Israelkritikern“ allzu oft als durchschaubare Bemäntelung ihrer antiisraelischen Ressentiments fungiert, ist bei Gorenberg ein nachvollziehbares Motiv für seine Kritik: die Sorge um die Zukunft des jüdischen Staates, die er durch die fortdauernde, ausgesprochen kostspielige Besatzung der Westbank und durch die von diversen israelischen Regierungen geförderte Ausbreitung unterschiedlicher Spielarten eines militanten religiösen Extremismus bedroht sieht.
Kritik an Ultraorthodoxen und radikalisierter Siedlerbewegung
Gorenberg war lange Redakteur des renommierten Magazins Jerusalem Report und schreibt für Medien wie die linksliberale Haaretz und die New York Times. Seine bisherigen Bücher haben die Debatten in Israel und im englischsprachigen Raum maßgeblich beeinflusst. The Unmaking of Israel ist über weite Strecken eine instruktive Reflexion der Widersprüche, die im Zionismus notwendigerweise angelegt sind, und eine Kritik sowohl am radikalisierten nationalreligiösen Teil der Siedlerbewegung als auch an den Ultraorthodoxen, deren Einfluss in der israelischen Gesellschaft in den letzten Jahren merklich zugenommen hat. Letzteres hat zu einer veritablen Gegenbewegung von säkularen, aber auch von orthodoxreligiösen Israelis wie Gorenberg geführt, die sich für eine konsequente Trennung von Religion und Staat einsetzen.
Gorenberg erlaubt sich den Luxus, konsequent aus der Perspektive der israelischen Gesellschaft zu argumentieren. Er abstrahiert weit gehend von den feindlichen Nachbarn und vollkommen von den Debatten, die in Europa über Israel geführt werden. Schon deswegen wurde das Buch von jenen Feinden Israels begierig aufgegriffen, die souverän über den dezidierten Zionismus Gorenbergs hinwegsehen, um nur ja wieder einen jüdisch-israelischen Kronzeugen mehr bei ihrer hemmungslosen Delegitimierung Israels anführen zu können – was der Autor durch eine ganze Reihe missverständlicher Formulierungen leider auch noch befördert.
Aber Gorenberg argumentiert nicht gegen den Zionismus, sondern zu dessen Verteidigung. Im Widerspruch zu antizionistischen Propagandisten weist er anhand von Dokumenten der Jewish Agency von 1947 und 1948 nach, dass es keine Direktiven zur Vertreibung der arabischen Bevölkerung gegeben hat, sondern ganz im Gegenteil detaillierte Planungen, wie das lokale Gesundheits- und Bildungswesen für die arabische Minderheit in einem zukünftigen israelischen Staat organisiert werden könnte. Entgegen der antizionistischen Hetze hebt er die Fortschritte hervor, die Israel seit seiner Gründung in so gut wie allen gesellschaftlichen und politischen Bereichen gemacht hat. Er wendet sich nachdrücklich gegen jede Form einer „Einstaatenlösung“, von der viele Israelhasser heute träumen. Gorenberg betont, dass Israel auch bei einem Rückzug aus der Westbank nicht darauf verzichten muss, sich als jüdischer Staat zu definieren, und fordert, die Armee „unter jüdischer Hegemonie zu belassen“. Entgegen der antizionistischen Fantasien der Protagonisten eines „postnationalen Zeitalters“ will Gorenberg, dass der israelische Staat bei der Einwanderung auch in Zukunft zwischen Juden und Nichtjuden unterscheidet. Während er also das Rückkehrgesetz des israelischen Staates, das jedem Juden die Einwanderung nach Israel garantiert, als einen Kern des Zionismus verteidigt, wendet er sich zu Recht gegen das „Rückkehrrecht“ der palästinensischen Flüchtlinge und ihrer Nachkommen, dessen Umsetzung zwangsläufig das Ende des jüdischen Staates bedeuten würde.