New Generation

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Junge Juden – was sie machen, wie sie denken, wo sie leben. Von Alexia Weiss und Esther Graf

Ethel Merhaut hat ihr bisheriges Leben in Wien verbracht. Nach der Matura an einer öffentlichen Schule entschied sie sich für die Musik. In Kürze schließt sie ihr Gesangsstudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst ab. Nächstes Jahr will sie ihren Magister in Theaterwissenschaft in der Tasche haben.

Vergangenen Sommer hat sie im Rahmen des Festivals Oper Klosterneuburg die Barbarina in Mozarts Die Hochzeit des Figaro gesungen. Heuer wird sie im Juli in Tel Aviv am International Vocal Artist Institute (IVAI) Master Classes und Konzerte bestreiten.

Wo sie sich in fünf Jahren sieht? „Natürlich habe ich Traumrollen, eine Manon von Massenet, ein Fiordiligi von Mozart, aber auch später eine Tatjana von Tschaikowsky. Ich bin ein lyrischer Sopran, also keine Königin der Nacht, sondern eher eine Pamina. Und ja, ich würde sehr gerne spannende Rollen in großen Opernhäusern singen und mit großartigen Musikern zusammenarbeiten.“

Jüdisch zu sein, sieht sie als einen Teil von sich. „Es ist ein Gefühl, das man in sich hat, auch verwoben mit Wien. Ich bin ja auch russisch und habe ein bisschen etwas vom Schtetl in mir, aber auch ein bisschen was von Schnitzler und von Zemlinsky und Torberg.“

Daniel Gallner wuchs in Wien auf, maturierte an der ZPC-Schule, studierte Volks- und Betriebswirtschaft an der Wirtschaftsuni Wien und später Immobilienmanagement an der Technischen Uni. Eineinhalb Jahre lebte er nach dem ersten Studienabschluss in China, wo er schon in den Bereich Immobilienentwicklung hineinschnupperte. 

Was er mit seinem Partner und mittlerweile zehn Mitarbeitern bei Stadtquartier macht? „Wir vermitteln und kaufen Altbestand in Wien, sanieren den, vermieten oder verkaufen weiter.“ Mit 2tangos.com wiederum hat er eine Plattform geschaffen, „die zwei Leute verbindet, damit sie sich gegenseitig etwas beibringen. Zum Beispiel Backen versus Skateboardfahren.“ Noch ist dieses Projekt nicht kommerziell.

Mit seiner Berufswahl ist Gallner zufrieden: „Ich bin happy mit dem ganzen Paket. Das bringt sehr viel Selbstständigkeit mit sich. Und die Immobilienbranche ist sehr interessant dieser Tage.“

Jüdisch zu sein, bedeutet ihm viel, auch wenn er zwar traditionell, aber nicht religiös ist. „Das Judentum hat sich in meiner DNA eingeprägt.“ Auf seine Jobwahl hatte es allerdings keinen Einfluss. „Aber natürlich bin ich immobilientechnisch auch in der jüdischen Gemeinde gut vernetzt.“ 

stadtquartier.at

2tangos.com

Daniel Bessler wurde in Wien geboren und besuchte hier das Lycée. Wirtschaftsstudium in England, danach zog es ihn zurück nach Wien. Er begann im Bereich Public & Private Sector Consulting zu arbeiten, merkte aber, „dass mir das nicht so viel Freude macht“.

Bereits seit Ende der Schulzeit legte er immer wieder als DJ auf, elektronische Musik. Davon inspiriert, nahm er in einer Agentur einen Job im Bereich Eventmanagement und Marketing an. Inzwischen hat er sich in diesem Bereich selbstständig gemacht. „Ich veranstalte Kundenevents und mache Kampagnen, sowohl für Institutionen wie die Europäische Kommission als auch für politische Parteien und private Unternehmen.“

Das beziehe alle Teile seiner Persönlichkeit mit ein. „Man hat eine flexible Zeiteinteilung und kann sich auch weiterbilden.“ Was er sich für die Zukunft vorstellt? „Weniger Abendveranstaltungen und dafür größere Kampagnen und Events.“

Und wie er es mit seinem Judentum hält? „Auch wenn man es vielleicht auf den ersten Blick nicht sieht, ist die jüdische Kultur doch in mir stark verankert. Oft denke ich mir, das tust du jetzt, das denkst du jetzt, weil du jüdisch bist. Das kann man nicht abstreiten, auch wenn man säkular und nicht religiös aufgewachsen ist.“

danbessler.com

Marina Baranova stammt aus Kharkov in der Ukraine. Im Alter von 18 Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Seit sie denken kann, spielt sie Klavier, bekam ihren ersten Unterricht mit fünf Jahren und dachte als Kind, dass außer ihrer Familie auch alle anderen Menschen Musiker seien. Ihre geliebte Stadt München verließ sie, um an der Musikhochschule Hannover bei Wladimir Krajnew zu studieren.Auf die Frage, was ihr daran gefällt, Pianistin zu sein, antwortet Marina: „So habe ich eine wunderbare Ausrede für meine nicht lackierten Fingernägel …, aber jetzt mal im Ernst: Auf der Bühne ist man im geistigen Sinne nackt. Dieser Beruf fordert eine extrem bewusste Existenzweise, bei der man den Mut haben muss, eigenen Ängsten in die Augen zu schauen, ein gesundes Selbstvertrauen zu entwickeln und trotzdem offen zu bleiben und immer wieder die gesammelte Erfahrung ‚auf den Kopf‘ zu stellen. Ich liebe die Vielseitigkeit dieses Berufes: Ich kann sowohl solistisch als auch kammermusikalisch und mit Orchestern spielen.Marina Baranova fühlt sich dem Judentum tief verbunden. Dies spiegelt sich auch in ihrem Klavierspiel wieder.Sie spielte mit Giora Feidman, und der junge jüdische Komponist Wlad Marhulets widmete ihr ein Stück für Klavier und Orchester.

Tanya Kahana wurde in Tel Aviv geboren und lebt seit ihrem ersten Lebensjahr in Berlin. Bereits im Alter von zehn Jahren begann sie, ihre Stimme Figuren in Kinofilmen, Fernsehserien, Hörspielen, Werbung und Computerspielen zu leihen. Seit mehreren Jahren ist sie die Stimme des Frankfurter Radiosenders You FM.

„Ich versetze mich gern in die vielen verschiedenen Charaktere, die ich spreche“, erklärt Kahana die Leidenschaft für ihren Beruf, „ich arbeite meist parallel an mehreren verschiedenen Projekten, so habe ich viel Abwechslung. Mitunter spreche ich auch mal eine Rolle mit israelischem Akzent.“ Im Schnitt arbeitet sie täglich in zwei bis drei Studios. Zum Synchronsprechen kam sie über ihre Mutter, die in der Medienbranche als Sprachberaterin für Hebräisch und Jiddisch tätig war.

Auf die Frage, was es für sie bedeute, jüdisch zu sein, sagt Tanya Kahana: „Diese Frage empfinde ich als merkwürdig. Das Jüdischsein ist ein ganz natürlicher Teil von mir. Zu den hohen Feiertagen gehe ich in die Synagoge, feiere die Feste mit meiner Familie. Der größte Teil meines Freundeskreises ist jüdisch, und der Austausch mit ihnen ist mir, gerade unter dem Aspekt, dass sie auch mit jüdischen Traditionen und Werten aufgewachsen sind, sehr wichtig.“

tanyakahana.de

Benjamin Vamosi wuchs in Stuttgart auf und kam 2006 für das Studium der Europäischen Kunstgeschichte nach Trier. Im Juli 2011 hat er

dort zusammen mit seinem Zwillingsbruder und einem Studienkollegen eine Galerie für zeitgenössische Kunst eröffnet. Alle sechs bis acht Wochen organisieren sie eine Ausstellung und publizieren einen Begleitkatalog. Nicht nur eine Werkschau zu zeigen, sondern auch „kuratorisch zu arbeiten“ ist der Anspruch der jungen Galeristen. Benjamin liebt an seiner Tätigkeit „die Selbstständigkeit im Umgang mit den Künstlern und das Kennenlernen neuer innovativer Künstler.“ Mit ihrem Kunstangebot wollen sie die Kulturlandschaft der Stadt beleben. Dies gelang unter anderem bereits mit einer Sonderausstellung zur Heilig Rock Wallfahrt 2012, die in Zusammenarbeit mit dem Bistum Trier durchgeführt wurde.

Wenn sie sich mit Religion überhaupt auseinandersetzen, dann stehe das Interreligiöse in der Galerie im Fokus im Gegensatz zum Jüdischen, betont Vamosi, denn Religion ist für ihn etwas Intimes. „Natürlich ist das Judentum starker Teil meiner Persönlichkeit“, sagt er, „dennoch sollte man die Intimität der Religion und das Arbeiten in der Galerie voneinander trennen.“

neosyne.de

 

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