Rettende  Tropfen aus Israel

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© Reinhard Engel
© Reinhard Engel

Im heißen Sommer 2013 wären viele österreichische Weinbauern nicht ohne Dürreschäden davongekommen – hätten sie keine Bewässerung gehabt. Der Weltmarktführer für Tröpfchenanlagen ist ein israelisches Unternehmen, Netafim, das einem europäischen Fonds gehört.
Von Reinhard Engel

Auf alle Fälle hätten wir heuer Schäden gehabt ohne Bewässerung“, erzählt Julius Hafner III., Koscherwein-Produzent im burgenländischen Mönchhof. „Die Trauben wären viel kleiner geworden, aber sicher hätte es auch kaputte Stöcke gegeben.“ Hafner bewirtschaftet 22 Hektar Weingärten nahe dem Neusiedler See, davon verfügen 15 Hektar über Tröpfchenbewässerung. „Die hat noch mein Vater installiert“, erzählt der Weinbauer.

Der Schutz gegen allzu große Trockenheit besteht aus schwarzen Plastikschläuchen, die sich etwa in Kniehöhe die Reihen der Weinstöcke entlangziehen. An ihnen befinden sich in regelmäßigen Abständen Löcher mit dünnen Membranen, durch die das Wasser dosiert auf die Wurzeln hi­nuntertropft. Die Membranen sorgen präzise für die vorgegebene Wassermenge. Sollten sich diese feinen Gitter verstopfen, baut sich ein Vakuum auf und die Sandkörner oder Kalk­partikel werden selbstständig weggeschwemmt. Die Schläuche liegen nicht am Boden, damit sie nicht beim Bearbeiten der Böden verletzt werden.

„Die Trauben wären viel kleiner geworden, aber sicher hätte es auch kaputte Stöcke gegeben.“
Julius Hafner, Koscherwein-Produzent

„15 Jahre haben wir diese Anlage schon, die Schläuche trotzen seither der Witterung, und dabei hat es kaum Reparaturen gegeben. Nur in der Nähe der Häuser finden wir immer wieder Marder- oder Mausbisse. Dann muss man halt ein Stück herausschneiden und ein neues einsetzen. Insgesamt ist das ein super System.“ Gefragt, ob er wisse, wo sein Vater die Anlage gekauft habe, wendet sich Hafner an seine Mutter. Diese findet schließlich eine alte Rechnung, auf der steht ein Firmenname: Netafim.

Julius Hafner, Koscherwein-Produzent © Hafner
Julius Hafner,
Koscherwein-Produzent
© Hafner

Damit war Hafner Senior Kunde beim Weltmarktführer für Tröpfchenbewässerung. Netafim publiziert zwar aktuell keine Unternehmenszahlen, aber die gesamte Gruppe, die global aktiv ist, setzte vor zwei Jahren mit 2.200 Mitarbeitern rund 750 Mio. Dollar um. Die Schläuche, Pumpen und Steuerungssysteme werden in 14 Fabriken erzeugt, nur drei davon befinden sich in Israel.

Besitzer des Unternehmens ist der europäische Beteiligungsfonds Permira. Er hatte Netafim im Jahr 2011 um 800 Mio. Dollar gekauft. Permira ist auf mehrere Branchencluster spezialisiert: auf Medien, Einzelhandel und Industrie. Er ist etwa beim deutschen Privatsender Pro 7-Sat 1 investiert, bei der spanischen Textilkette Cortefiel/Springfield oder beim Modelabel Hugo Boss. In der Lebensmittelindustrie gehört der Tiefkühlspezialist Iglo zu seinen Firmen. Und in der Vergangenheit hielt Permira unter anderem Beteiligungen am steirischen Elektronikchiphersteller austriamicrosystems oder am ungarischen Chemieriesen BorsodChem, diese wurden inzwischen wieder verkauft.

Begonnen hatte es freilich viel kleiner – und simpler.     

Als Gründervater von Netafim gilt der Ingenieur Simcha Blass. Er war in den 30er-Jahren aus Russland ins damalige britische Mandatsgebiet Palästina eingewandert. Der Firmenlegende nach hatte er das Prinzip der Tröpfchenbewässerung durch Zufall entdeckt. Er hatte in einem Zitrushain einen besonders kräftigen Baum gesehen und herausgefunden, dass in der Nähe seines Stammes eine Wasserleitung aus Keramik vorbeiführte, die leckte – und den Zitronenbaum dadurch sanft, aber stetig bewässerte.

Blass, der als genial, aber schwierig galt, ließ seine Entdeckung mehrere Jahrzehnte lang in einer Schreibtischlade liegen und arbeitete mit seinem kleinen Ingenieursbüro für die israelische Regierung. Erst in den 50er-Jahren kramte er sie wieder hervor, als einige Kibbuzim im Süden des Landes verzweifelt nach neuen Produkten suchten, um ihr karges landwirtschaftliches Einkommen mit eigenen Unternehmen aufzubessern.

Hightechwetterstationen.

Mehrere Jahre lang lieferte Netafim nur an israelische Kunden, dann begannen die Exporte. „Unser erster Auslandsmarkt – daran erinnert man sich heute kaum noch – war der Iran“, so ein ehemaliger Netafim-Manager. „Ich spreche vom Iran des Schahs, und wir waren Ende der 70er-Jahre schon dabei, eine Netafim-Fabrik dort aufzubauen. Zahlreiche iranische Techniker reisten nach Israel zur Einschulung.“ Dann kam die Revolution dazwischen und das Projekt versandete.

Doch das konnte die Expansion des Unternehmens nicht mehr stoppen. Die simple, aber äußerst funktionstüchtige Technologie wurde bald in ihrem großen Nutzen erkannt. Netafim lieferte nach Nord- und Südamerika, in zahlreiche europäische Staaten, in den letzten Jahren verstärkt nach Asien. Und auch wenn in dieser Branche noch weitere israelische Unternehmen und einige Südeuropäer tätig sind, auf globaler Ebene liegt Netafim an der ersten Position. Das Unternehmen bietet längst komplexe Systeme an, bei denen Sensoren und Hightechwetterstationen mit den Büros der Landwirte online verbunden sind. Diese modernen, industriell ausgerichteten Betriebe können Gemüse in Costa Rica produzieren, Palmöl in Indien, Kartoffeln in China oder Obst in Polen.

Gut bewässert. Von den 50.000 Hektar Rebflächen in Österreich sind rund
15 Prozent bewässert. Netafilm hat davon wiederum 70 Prozent Marktanteil.

In Österreich verkauft die niederösterreichische Handelsfirma Pagra seit vielen Jahren Netafim-Produkte. Dort schätzt man, dass Netafim an den etwa 9.000 Hektar, die in Österreich auf diese Weise bewässert werden, einen Marktanteil von 70 Prozent hält. „Genaue Zahlen im Weinbau gibt es nicht“, erzählt Josef Glatt von der österreichischen Landwirtschaftskammer. „Die Bewässerung ist nicht meldepflichtig.“ Er vermutet, dass von den 50.000 Hektar österreichischer Rebflächen „etwa zehn bis 15 Prozent“ derartige Anlagen installiert haben. „Das ist vor allem auf den steinigen Terrassen der Wachau oder im burgenländischen Seewinkel der Fall. In manchen Gebieten regnet es ohnehin genug, etwa in der Steiermark, da brauchen sie es nicht.“ Glatt ist überzeugt, dass im heurigen heißen Sommer „jeder aufgedreht hat, der eine Anlage besitzt und genügend Wasser zur Verfügung hatte“.

Weinbauer Hafner konnte mit eigenen Brunnen und einem kleinen 10-PS-Pumpenmotor seine Ernte sichern. „Das ist um vieles günstiger, als wenn man von oben beregnet hätte.“ Niemand würde den Seewinkel mit der Wüste vergleichen wollen, aber schon gegen erste Anzeichen hilft die Technologie aus der heißen Region.

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