Sie sehen sich als die „echten Juden“, als die Nachkommen von Noah, Moses und Aaron – die Black Hebrews im „Peace Village“ in Dimona. Von Daniela Segenreich-Horsky
Wir haben viele Beweise dafür, dass die Israeliten der Bibel schwarz waren“, erklärt Amaliah, „deswegen haben wir hier in unserer Bibliothek eine Ausgabe der Heiligen Schrift mit Illustrationen, in denen die Personen, die in den Erzählungen vorkommen, als Afrikaner dargestellt sind. Und es gibt auch eine Beilage, in der die Textstellen angeführt sind, auf denen diese Annahmen basieren.“ Die Bibliothek befindet sich im „Peace Village“ der Black Hebrews in der Wüstenstadt Dimona, und Amaliah, eine Dame mittleren Alters mit grauem, langem Haar, einem bunten Turban und einem gemusterten, langen Kleid, ist hier im Dorf zuständig für die Besucher. Sie kam erst in den Achtzigerjahren aus den Vereinigten Staaten nach Israel, etwa 15 Jahre nachdem die ersten Gruppen der schwarzen Hebräer aus Chicago eingewandert waren. Sie waren 1967 ihrem Anführer Ben Ammi Ben Israel auf dem Weg nach Israel gefolgt. Er hatte damals die Vision, dass es Zeit für die Nachfolger der biblischen Israeliten wäre, ins Gelobte Land zurückzukehren. Schließlich hatten sie in gewisser Weise schon immer von Zion und Jerusalem geträumt, und viele ihrer Lieder zeugen noch von dieser alten Sehnsucht. Auch halten sie, ebenso wie die heutigen Juden, den Shabbat sowie alle Gebote und Feiertage der Tora. Allerdings sind sie strikte Veganer, tragen nur Baumwolle, kein Leder, und haben sich, anscheinend aus biblischen Zeiten, das Recht auf Polygamie beibehalten.
Israel, Afrika, Amerika und zurück
Die Rückkehr in die verlorene Heimat sollte auch eine spirituelle Reise sein, eine Reise, die ihren Weg in die Diaspora zurückverfolgen sollte: nach der Zerstörung des zweiten Tempels vom damaligen Israel nach Afrika und viele Jahrhunderte später als Sklaven von Afrika nach Amerika. Deswegen, und auch um sich für das Heilige Land zu läutern, blieben die ersten Auswanderer auf ihrem Weg von Chicago für zwei Jahre in Liberia. Dort nahmen die amerikanischen Staatsbürger, die den Komfort von Staubsaugern, Waschmaschinen und Supermärkten gewohnt waren, ein Leben in einfachsten Verhältnissen auf sich. Sie wohnten in Zelten und Hütten, mussten Wasser und Lebensmittel auf Fußmärschen von weither holen und kochten ihre Mahlzeiten auf primitiven Kochern im Freien. Gavriel Butler, der damals erst knapp neun Jahre alt war, erinnert sich noch genau: „Es war ein großes Abenteuer für uns Kinder. Wir hatten viel Freiheit, spielten den ganzen Tag draußen und bastelten Spielzeug aus Bambus. Manchmal hatte man plötzlich den ganzen Körper voll von Riesenameisen oder man war in der Früh, nachdem man im Freien geschlafen hatte, völlig durchnässt vom Tau.“ Es gab aber auch Giftschlangen und monsunartige Regengüsse, die die Zelte und Hütten wegschwemmten.
Nach zwei Jahren im Dschungel Liberias fühlten sich die Afroamerikaner, die sich als die Nachfolger des verlorenen Stammes Juda und das Gelobte Land daher als ihre rechtmäßige Heimat ansahen, endlich bereit, nach Israel weiterzufliegen, doch in Jerusalem sah man das anders und wollte sie nicht einreisen lassen. Gavriel war mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in der zweiten Gruppe von etwa dreißig Black Hebrews, die in Israel ankamen: „Wir haben drei Tage am Flughafen campiert, bis meine Mutter und die anderen Frauen, die sich nach zwei Jahren in Afrika überall zurechtzufinden konnten, einfach begonnen haben, die Babywindeln zu waschen und in der Ankunftshalle aufzuhängen. Da hat man sie dann doch raus gelassen …“
Nur ein Zelt, Esel und Kamele
In dem ihnen zugewiesenen Viertel am allerletzten Zipfel von Dimona gab es laut Gavriel damals nur „ein einziges Zelt, Esel und Kamele“. Als er in die Volksschule von Dimona eingeschult wurde, kam er nach seinem ersten Schultag weinend nach Hause: „Ich wollte nie wieder hin, weil die anderen Kinder mich ‚Nigger‘ gerufen hatten. Doch meine Mutter hat mir erklärt, dass meine Klassenkameraden wahrscheinlich noch nie so jemanden wie mich, mit schwarzer Haut, gesehen hätten und dass ich etwas ganz Besonderes, ein echter Star wäre. Also bin ich am nächsten Tag wieder hingegangen.“