Eine Entdeckung von Rang: M. Agejews Untergangsepos stammt von einem jüdischen Autor. Von Alexander Kluy
Manchmal sind die Romane, die sich um einen Roman wickeln, noch komplexer, noch verwirrender und die Sinne täuschender als der eigentliche Text. Dies gilt ganz besonders für dieses außerordentliche, außerordentlich merkwürdige, außerordentlich ungewöhnliche, außerordentlich literarische Buch eines Russen, der sich „M. Agejew“ nannte und vielen lange Jahre Rätsel aufgab, handelte es sich doch um ein Pseudonym.
Nun ist dies nicht so selten, selbst im rätsellosen 20. Jahrhundert. Jahrzehnte lang verbarg sich hinter dem enigmatischen Kürzel „B. Traven“, Autor vieler noch immer bannender Abenteuerromane, ein deutscher Anarchist, den es nach Mexiko verschlug. Und Vladimir Nabokov, der Russe, der ab den späten 1930er-Jahren auf Englisch schrieb, liebte es, Romanfiguren einzuführen, die nicht nur um sich selber kreisten, sondern auch um den Leser und die Leserin.
Auch hinter „M. Agejew“ wurde jahrelang Nabokov vermutet, der Sohn eines russischen Politikers und Enkel eines russischen Justizministers, der 1917/18 nach England floh, 1922 weiter nach Berlin zog, wo er bis 1937 blieb, und als Autor, der als „Sirin“ erste Texte publizierte, bekannt wurde in den russischen Emigrantenzirkeln, die Ende der 1920er-Jahre in der deutschen Reichshauptstadt rund 300.000 Köpfe zählten (der Bezirk Charlottenburg wurde damals ob der hohen Ansiedlungszahl „weißer“ Russen „Charlottengrad“ genannt).