Ein Sabre in Wien

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Ein Arzt mit Gefühl: Zwi Stein liebt die Menschen, ob es nun Familie, Freunde oder seine Patienten sind. Von Alexia Weiss

Als Zwi Stein seinen Militärdienst in Israel beendete und die Möglichkeiten auslotete, wo er Medizin studieren könnte, hätte er wohl nicht gedacht, dass er schließlich den Großteil seines Lebens in Österreich verbringen würde. Eigentlich wollte er in Jerusalem studieren, doch dort kamen auf die 40 vorhandenen Plätze zehnmal so viele Bewerber. Den zugesagten Studienplatz in den USA am Albert-Einstein-Institut auch tatsächlich wahrzunehmen scheiterte am dafür benötigten Visum. So blieben, da Zwi Stein auch Deutsch sprach, die Optionen Frankfurt, Zürich und Wien. Es wurde zunächst Deutschland, wo er ein Jahr lang blieb, es ihm aber nicht gefiel. So ging er schließlich nach Wien – ohne Geld, aber seinem Traum, Arzt zu werden, einen Schritt näher. „Es war keine leichte Zeit. Als Ausländer weit weg von zu Hause musste ich neben dem Studium auch immer hart arbeiten, um das Nötige für Miete und Essen zu verdienen.“

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Auf Plantagen

Mit wenig Geld auszukommen, das war Zwi Stein allerdings schon aus Israel gewohnt. Seine Eltern waren in jungen Jahren Anfang der 1930er-Jahre von Deutschland nach Palästina ausgewandert. „Sie zählten zu den Idealisten der damaligen Zeit“, erzählt der Arzt heute. Einfach sei es nicht gewesen. „Mein Vater arbeitete auf Plantagen und beim Straßenbau, meine Mutter im Dienst in einer kleinen Hotel-Pension. Und gewohnt haben wir in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, mit einer kleinen Küche und Bad und WC in einem. Da lebten meine Eltern, meine Großmutter und zwei Onkel, und als ich fünf Jahre alt war, kam noch meine Schwester dazu. Das Leben war sehr schwer – aber auch schön.“

Seine Kindheit
„Schöne, aber schwere Zeit“ als Kind in Haifa
„Schöne, aber schwere Zeit“ als Kind in Haifa

Schule, Geigenunterricht, Spielen auf der Straße. Spielzeug bastelten sich die Kinder selbst. Gesprochen wurde zu Hause Hebräisch mit dem Vater, Deutsch mit Mutter und Großmutter. Draußen war Deutsch nicht sehr beliebt, „aber es wurde gesprochen. In Haifa waren viele Jeckes.“ Das Haus wurde religiös geführt – „nicht so wie die Chassidim, jedoch mit viel Wärme und mehr als nur koscher“.

Als er nach Europa kam, führte er trotz vieler Schwierigkeiten seinen religiösen Weg weiter. Ein Vorsatz, der, wie er heute betont, Disziplin und Charakterstärke verlangte. Während des Studiums habe er fast nur nichtjüdische Bekannte gehabt – so viele Juden habe es damals ja nicht gegeben an der Uni. „Ich habe jedoch immer gute Erfahrungen gemacht. Die schönste Erfahrung war aber, eine Familie zu gründen.“ Der Arzt ist mit der Autorin Evelyne Stein-Fischer verheiratet, die beiden haben zwei erwachsene Kinder.

Inzwischen besteht sein Freundeskreis sowohl aus israelisch-jüdischen als auch aus Menschen verschiedenster Länder und Religionen. Seine Zugehörigkeit zu seinen Wurzeln hat er jedoch beibehalten. Samstags geht Zwi Stein in die Misrachi zum Gebet – zu Fuß, obwohl er in Währing wohnt.

Militärdienst, bevor er für das Studium nach Wien kam
Militärdienst, bevor er für das Studium nach Wien kam

Den Wunsch, Arzt zu werden, hatte er schon sehr früh – im Alter von fünf Jahren. Am liebsten wäre er Chirurg geworden, „vielleicht auch deshalb, weil bei Patienten nach einem Eingriff die Heilung am sichtbarsten ist.“ So begann er seine Spitalslaufbahn auch zunächst im Lorenz-Böhler-Unfallkrankenhaus, wechselte dann zu den Barmherzigen Brüdern und schließlich an das Krankenhaus Lainz. Dort bekam er auch das Angebot, den Augenfacharzt zu machen. Er nahm an und spezialisierte sich besonders auf Mikrochirurgie rund um das Auge, von Lidoperationen bis zur Rekonstruktion der Tränenwege nach Verletzungen. Und wenn heute so mancher Patient sage, er habe „goldene Hände“, dann erfülle ihn das weniger mit Stolz, sondern mit dem, was ihm wichtig sei: „auf die bestmögliche Art zu helfen“.

Seit 1996 betreut er Patienten auch in seiner Praxis in Döbling als Wahlarzt. „Ich wollte keinen Kassenvertrag, weil ich der Meinung bin, dass man einen Menschen nicht in nur fünf Minuten behandeln kann, und als Wahlarzt habe ich mehr Zeit.“ Auch im Spital habe er die Patienten nicht einfach durchgelotst. „Menschen sind mir wichtig – egal, ob das die Putzfrau ist oder der Primar.“

Seit 1989 sammelt Zwi Stein daher auch einmal im Jahr vorrangig im Bekanntenkreis für ein Kinderheim in Haifa. Für die Hadassah stellte er vor einiger Zeit Venedig-Impressionen zur Verfügung. Die Fotos wurden ausgestellt – und schließlich 40 von 40 Stück verkauft. Das Fotografieren zählt zu seinen Hobbys – ebenso wie das Reisen. Er war schon in der Antarktis und auf den Galapagos-Inseln. Am liebsten fährt er aber zu seiner Familie nach Israel, denn als das fühlt er sich nach wie vor: als Israeli. Ein Sabre eben. ◗

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