Selbstbewusst und zielgerichtet

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Begegnung. Eine Pädagogin brachte eine Violine mit in die Krippe, fasziniert stand Orsolya vor dem Instrument./ © Jacqueline Godany

Sie pendelt zwischen der alten Heimat Budapest und der neuen Heimat Wien, weiß aber: Hier will sie bleiben. Hier pulsiert die klassische Musikszene, hier liebt die Violin-Solistin Orsolya Korcsolán es, durch die Innenstadt zu schlendern, in die Oper zu gehen und Sachertorte zu essen. Von Alexia Weiss

Sie weiß, was sie kann – und sie weiß, was sie will. Wenn Korcsolán die Geige ans Kinn legt, spürt man bereits die Kraft ihres Spiels. Wenn sie erzählt, was sie bewegt, was sie tut, was sie vorhat, spürt man ihre Entschlossenheit. Früh hat sie sich bereits durchgesetzt. Die Mutter wollte sie eigentlich in Richtung Klavier lenken. Doch sie selbst wollte nur eines: Geige spielen.

Wahrscheinlich hat das damit zu tun, dass die Pädagogin in der Krippe eine Violine mitbrachte, um Kinderlieder zu begleiten. Fasziniert stand sie damals vor dem Instrument, begierig es anzugreifen, obwohl das doch eigentlich verboten war. So hat es ihr jedenfalls später die Mutter erzählt. Ihre eigenen aktiven Erinnerungen reichen nicht so weit zurück, dennoch ist sie sich sicher: Hier wurde der Grundstein für ihre Karriere gelegt. Viele Jahre später soll sich die Geschichte wiederholen. Ihr heute siebenjähriger Sohn suchte sich ebenfalls selbst das Instrument aus, das er spielen wollte: das Cello.

So wie seine Mutter als Kind lernt auch er heute an einer Musikschule. Bereits im Alter von zwölf Jahren wechselte Korcsolán allerdings in eine spezielle Klasse der Franz-Liszt-Akademie, ein Angebot für den besonders begabten Musiknachwuchs. Als Üben und Schule nicht mehr zu bewerkstelligen waren, erhielt sie Privatunterricht.

Ihr Glück war perfekt, als Itzhak Perlman einer ihrer Lehrer wurde.

Auch der spätere Lebensweg war in ihrem Kopf bereits früh vorgezeichnet: Auf der ersten LP, die sie im Alter von 13 Jahren geschenkt bekam, waren Pinchas Zukerman und Itzhak Perlman zu hören. Wie er wollte sie an der Juilliard School in New York studieren. Sie schaffte nicht nur die Aufnahmeprüfung, sondern wurde auch durch ein Stipendium sowie eine Sponsorin unterstützt. Ihr Glück war perfekt, als Perlman einer ihrer Lehrer wurde. Ihre Master-Urkunde erhielt sie von Morgan Freeman überreicht. Stolz schwingt in ihrer Stimme, wenn sie davon erzählt.

New York oder doch zurück nach Europa? Die Entscheidung fiel leicht. 2001 heiratete sie ihre High-School-Liebe, einen ungarischen Musiker, der in der Zwischenzeit als Hornist bei den Wiener Symphonikern engagiert worden war. Wien sollte also für kurze Zeit ihre neue Heimat werden, kurz, da bald ein gemeinsames Abenteuer winkte: ein Engagement in Malaysia im dortigen symphonischen Orchester. „Da spielten Menschen aus aller Welt – es war ein erstaunlicher Ort. Wenn man zur Probe ging, die Tür schloss und sich umsah, hätte man überall sein können. Diese Jahre waren extrem wichtig für uns.“

Wissen weitergeben

In Malaysia begann Korcsolán auch zu unterrichten, etwas, was sie in naher Zukunft mit der Gründung eines privaten Violin-Studios, in dem sie Kindern Einzelunterricht geben wird, intensivieren will. „Es kommt nicht oft vor, dass aktive Solisten Anfänger und Kleinkinder unterrichten. Ich sehe es aber auch als meine Aufgabe zu lehren. Es ist so wichtig, schon früh einen guten Lehrer zu haben.“

In Malaysia kam 2006 auch ihr Sohn Nathan auf die Welt. Wäre es nur um die Lebensqualität gegangen, wäre die Familie in Asien geblieben. Das Meer, die stets sommerlichen Temperaturen, die Tätigkeit im Orchester, aber auch im mitbegründeten Kammermusik-Ensemble: All das wäre erfüllend gewesen. „Aber ich bin eines Tages aufgewacht und habe gesagt: Wir müssen zurück. Wegen unseres Sohnes. Es war schön dort. Aber für seine Bildung, seine kulturelle Erziehung war es wichtig, zurückzugehen.“

Es wurde wieder Wien. Ihr Mann, Gergely Sugar, hatte erneut bei den Symphonikern vorgespielt und wurde 2008 wieder engagiert. „Sie haben ja all die Jahre gesagt: Wir warten auf dich.“ Ein Jahr hatte der Sohn Zeit, in einem Wiener Kindergarten Deutsch zu lernen, bevor er in die Schule kam. „Zu Hause sprechen wir Ungarisch und auch Englisch, das war unsere Sprache in Malaysia. Und das halten wir auch weiter so, in der Schule hat man uns gesagt, wir sollen daheim in seiner Muttersprache mit ihm sprechen.“

In Wien hat sich Korcsolán ein Standbein als Violin-Solistin aufgebaut. Auftritte alleine sind ihr allerdings nicht genug, sie will auch etwas gestalten – und dem Jüdischen in der klassischen Musik Raum geben. Das tut sie nun erfolgreich in ihrer Pro Arte Judaica Foundation, die Kunstprojekte plant, die Finanzierung aufstellt und sie organisiert. Klezmer haben schon die vorangegangenen Generationen in ihrer Familie gespielt, erzählt Korcsolán. Sie hat sich zwar eine andere künstlerische Ausdruckform gesucht, schließt aber an die Familien­tradition an. Das Judentum wird in ihrem Leben immer einen wichtigen Platz einnehmen.

Zur Person

Orsolya Korcsolán, geb. 1976 in Budapest, Violinstudium zunächst an der Musikschule, später an der Franz-Liszt-Akademie in Budapest. Master-Abschluss an der Juilliard School in New York. Ein Jahr in Wien, danach mehrere Jahre in Malaysia, dort Teil eines Orchesters, Gründung eines Kammermusik-Ensembles, Musikunterricht. 2009 Rückkehr nach Wien, wo ihr Mann, ein Hornist, erneut von den Wiener Symphonikern engagiert wurde. Korcsolán bestreitet heute Soloauftritte und lanciert sowie organisiert Projekte im Rahmen ihrer Pro Arte Judaica Foundation. Sie ist zudem Botschafterin des Jüdischen Sommerfestivals Budapest. Im Herbst erscheint eine neue CD mit Stücken von Carl Goldmark und Erich Korngold. Die Musikerin ist verheiratet, Mutter eines Sohnes und derzeit Studentin an der Universität für jüdische Studien in Budapest, wo sie an ihrer PhD-Arbeit übe jüdische Musik schreibt.

orsolyakorcsolan.com

 

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