Sprudeln mit System

SodaStream ist eine der bekanntesten israelischen Marken. Dabei hat das Unternehmen eigentlich englische Wurzeln, notiert an der US-Börse Nasdaq und gibt sich neuerdings als ökologische Musterfirma.

2080
Ferdinand Barckhahn. Deutschland- und Österreich- Geschäftsführer

Es dauerte einige Zeit, bis SodaStream israelisch wurde. Das Unternehmen ermöglichte Privatleuten erstmals in den 1970er-Jahren, zuhause günstig Sodawasser zu erzeugen. Das war in England. Dabei hatte Sodawasser dort bereits eine lange Tradition, SodaStream hatte schon um die Jahrhundertwende begonnen, prickelndes Wasser zu erzeugen – zunächst als Nobelgetränk für den Adel und das Königshaus, später für die Gastronomie. Mitte der 80er-Jahre übernahm dann der Schweppes-Konzern, bekannt für sein Tonic, die Marke, konnte sie aber nicht so recht entwickeln. Unter anderem war die Technik unzuverlässig, es gab zahlreiche Reklamationen.
Zu dieser Zeit schlug sich auch ein englischer Handelsvertreter in Israel mit denselben Problemen herum, Peter Wiseburgh. Er ließ eine neue Technologie entwickeln, die keine Probleme machte, und er gründete auf dieser Basis 1991 in Israel ein eigenes Unternehmen: Soda-Club. Damit expandierte er in mehrere Länder, erst nach Südafrika, dann in die Schweiz und nach Deutschland. 1998 übernahm Wiseburghs Firma dann das englische SodaStream von Schweppes und benannte sich selbst um.
Daraus wurde inzwischen eine internationale Gruppe. Aktuell vertreibt der Weltmarktführer seine Produkte in 46 Ländern. Mit über 600 Millionen Litern sprudelnder Getränke in mehr als acht Millionen Haushalten rund um den Globus ist SodaStream eines der weltweit größten Getränkeunternehmen. Seit 2010 notiert Soda-
Stream an der US-Technologiebörse Nasdaq, im Mai berichtete der CEO Daniel Birnbaum für das erste Quartal 2017 deutliche Zuwächse bei Umsatz und Ertrag. So verkaufte SodaStream zwischen Jänner und März 2017 Sprudelgeräte und Sirups im Wert von 115 Mio. Dollar, ein Plus von mehr als 14 Prozent. Rechnet man das auf das gesamte Jahr hoch, so wäre das ein Jahresumsatz von 460 Mio. Dollar, erarbeitet von etwa 1.500 Beschäftigten in Israel, den USA und mehreren europäischen Ländern.

Kaufen und mieten. Das grundlegende Konzept bedeutet für den Kunden nicht bloß den Kauf eines Gerätes, sondern eine Art Mischform zwischen Anschaffung und Miete. Denn erworben wird nur das Standgerät, die Kartuschen mit dem CO2 gehören weiterhin SodaStream und werden nur gemietet: Bei der Rückgabe der alten, leeren Druckbehälter bekommt der Kunde neue und zahlt nur eine Differenz für den Inhalt. Mit einer Kartusche sollte er oder sie etwa 60 Flaschen Leitungswasser zu sprudelndem Sodawasser veredeln können.
Ergänzt wird das mit einem bunten Angebot an diversen Sirups, die das Wasser in Fanta, Cool Aid oder andere süße Softdrinks verwandeln. Dazu kamen zuletzt Biodicksäfte von Holunder bis Cassis (Schwarze Johannisbeere). Apropos alkoholfrei: Seit dem Vorjahr bietet Soda-
Stream auch einen in Italien erzeugten Sirup als Basis für selbstgesprudeltes Bier an. Dieses – genannt „Blondie“ – hat allerdings in der Fachwelt bei Blindverkostungen gegen echtes Bier recht schwach abgeschnitten.

„Mittlerweile hat sich Österreich zu einem der besten und wichtigsten Märkte für SodaStream überhaupt entwickelt – mit einer Haushaltspenetration von 7,5 % Ende 2016.“
Ferdinand Barckhahn

In Österreich und Deutschland konnte SodaStream erhebliche Marktanteile erreichen, selbst gegen alteingesessene Konkurrenten wie ISI oder andere weniger bekannte Hersteller. Dahinter steht neben der Technologie auch ein ausgeklügeltes, extrem breites Vertriebsnetz. Maschinen bzw. Nachfüllbehälter kann man etwa bei Billa oder Spar bekommen, bei Media Markt und Obi, bei Red Zack, Adeg, Merkur und Müller. Insgesamt stehen landesweit 3.500 Umtauschstellen zur Verfügung.
SodaStream gibt es schon seit 1995 in Österreich, seit 2008 wird die Landesgesellschaft von Deutschland aus geführt. Am intensivsten war das Wachstum in den letzten Jahren, erzählt Ferdinand Barckhahn, Geschäftsführer von SodaStream Österreich und Deutschland: „Mittlerweile hat sich Österreich zu einem der besten und wichtigsten Märkte für SodaStream überhaupt entwickelt – mit einer Haushaltspenetration von 7,5 Prozent Ende 2016. Zum Vergleich: 2013 waren es noch 2,5 Prozent; der Markt konnte also in nur drei Jahren verdreifacht werden. Ziel für 2020 ist es, eine Haushaltspenetration von 20 Prozent zu erreichen.“ Das hieße aus der Fachsprache übersetzt, dass dann in jedem fünften Haushalt zwischen Boden- und Neusiedlersee ein Sprudelgerät im Einsatz wäre. Die Gastronomie wird übrigens nicht bearbeitet.
Die Gründe für diesen regionalen Erfolg können nicht nur beim intensiven Marketing des Unternehmens liegen. Laut Untersuchungen sind erstens einmal die österreichischen Kunden von der Qualität ihres heimischen Leitungswassers überzeugt. Geschäftsführer Barckhahn: „Während sich z. B. die Konsumenten in Deutschland häufig fragen, ob denn das örtliche Leitungswasser wirklich bedenkenlos getrunken werden kann, ist dies in Österreich aufgrund der extrem hohen Trinkwasserqualität praktisch ausnahmslos selbstverständlich.“ Und zweitens gibt es langjährige Mixtraditionen mit Sodawasser, seien sie alkoholfrei wie der gespritzte Apfelsaft oder mit reschem Wein wie der Weiße Gespritzte.
In die internationalen Schlagzeilen – und zwar nicht unbedingt positiv konnotiert – kam SodaStream durch die BDS-Bewegung: Boycott, Divestment and Sanctions. Denn die größte Fabrik der Gruppe produzierte jahrelang im besetzten Westjordanland, im Gewerbegebiet Mishor Adumim der großen Siedlung Ma’ale Adumim. Dort arbeitete eine ethnische und religiös bunt gemischte Belegschaft angeblich ohne Probleme miteinander: 500 der 1.300 Mitarbeiter der dortigen Fabrik waren palästinensische Araber aus dem Westjordanland, 450 arabische Israelis (einschließlich palästinensischer Araber mit registriertem Wohnsitz in Ost-Jerusalem) und 350 jüdische Israelis.
Heftige Proteste gegen diesen Standort – vor allem in Großbritannien – führten schließlich dazu, dass das Unternehmen mit einer Neuinvestition aus der West Bank in den Süden Israels auswich. Zwar wurden dafür „wirtschaftliche Gründe“ genannt, das Management wollte den BDS-Aktivisten keinen Sieg zugestehen. Tatsächlich durchlief das Unternehmen in dieser Zeit eine Schwächephase. Der Neubau im Industriepark Idan Hanegev nahe Rahat gab dem Unternehmen auch gleich die Möglichkeit, mehrere andere kleine, teils veraltete Standorte in Israel zu schließen.
Die Diskussion über die Arbeitskräfte war damit aber noch längst nicht zu Ende. Denn der SodaStream-CEO Birnbaum hatte es sich ja nicht nur mit den Israel-Gegnern angelegt. Seine gemischte Belegschaft und die Ideologie der friedlichen Zusammenarbeit, die das Unternehmen nach außen manifestierte, fand auch in der israelischen Politik nicht nur Freunde. Bei der Verlagerung in den Negev erhielt Birnbaum deutlich weniger Arbeitsgenehmigungen für palästinensische Stammarbeiter, als er angefordert hatte: 74 statt 300. Diese Mitarbeiter pendelten mit Firmenbussen über die Grenze, wurden jeden Abend wieder nach Hause gefahren. Aber auch diese Papiere wurden bald widerrufen und nach langen Verhandlungen erst im Frühjahr 2017 wieder erneuert. Laut Unternehmen bleiben die Produktionshallen insgesamt multikulturell belebt: Neben den Palästinensern aus den besetzten Gebieten arbeiten dort unter anderem lokale Beduinen, russische Einwanderer und israelische Araber miteinander.
Auf der internationalen Ebene präsentiert sich SodaStream als umweltfreundliches, nachhaltig orientiertes Unternehmen. Seine globalen Kampagnen setzen vor allem auf den Ersatz von Plastikflaschen durch sein eigenes System der wieder befüllbaren Glasflaschen. Und sogar auf der politischen Ebene wird der Konzern in Europa neuerdings aktiv. Er lässt von Anwaltskanzleien Gesetzesentwürfe zum generellen Verbieten von Plastikflaschen erarbeiten. Seit der Kritikpunkt Produktionsstätte in den besetzen Gebieten weggefallen ist, wird auch die israelische Herkunft stärker betont. Deutschland- und Österreich-Geschäftsführer Barckhahn: „Auf der Verpackung von SodaStream-Produkten wird seit Frühjahr 2017 explizit darauf hingewiesen, dass die Produkte aus Israel stammen und dort produziert werden.“

© Copyright 2017 by Tilman Schenk | www.tilman.schenk.tv

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here