Stromausfall?

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Seit einigen Monaten bietet better place in Israel sein landesweites Elektroauto-Programm an. Doch die Kunden warten ab, die Markteinführung verläuft zäh, das gesamte Top-Management musste gehen. Von Reinhard Engel

Moshe Kaplinsky gab sich ungerührt, beinahe trotzig. Der Generaldirektor des Elektromobilitätsunternehmens better place und ehemalige stellvertretende israelische Generalstabschef beharrte Mitte September noch darauf, dass seine Firma ihre Ziele erreichen werde: „Die Verkaufszahlen sind exzellent, wir haben bisher 500 Autos auf die Straße gebracht. Ich bin mir sicher, dass wir die angepeilten 4.000 Fahrzeuge im ersten Jahr auch schaffen werden.“

„Autofahrer in ganz Israel sollen die Elektrofahrzeuge nutzen können ...“

Das sehen nicht alle so. Der Start des landeweiten Elektroautonetzwerks erfolgte doch deutlich mühsamer als erwartet. Im August konnte Better Place gerade einmal 80 Verträge ausstellen, im Oktober lief es nicht besser. Bei den knapp 500 Kunden, die das Unternehmen gewinnen konnte, sind schon die eigenen Angestellten mit ihren Firmenautos mitgezählt.

Seit Mitte November ist Kaplinsky Geschichte. Er musste das Unternehmen verlassen, wie dessen Gründer Shai Agassi und seine Geschwister Dafna und Tal, die ebenfalls hohe Managementpositionen in der Firma hielten. Israelischen Medien zufolge hatte Idan Ofer die Notbremse gezogen. Sein Konzern Israel Corporation hält 28 Prozent an Better Place, er selbst noch einmal weitere acht. Und von den bisher investierten knapp 800 Millionen Dollar kommen von Israel Corp mehr als 200. Ofer wollte nicht länger zusehen, wie schnell er seine Investitionen abschreiben musste. „Cash burn rate“ heißt der hässliche Fachausdruck dafür im Bankenjargon, systematisches Verbrennen von Geld.

Vision mit kurzer Reichweite

Better Place ist ein teures, ehrgeiziges Programm, und das Kapital, das der Gründer Agassi, ein ehemaliger Topmanager der Softwarefirma SAP, dafür aufstellen konnte, kam neben Israel Corp. von Schwergewichten wie GE Capital oder den Großbanken HSBC und Morgan. Was brachte sie dazu, in dieses komplexe Konzept so viel Risikokapital zu investieren? Anders als viele regionale Versuche mit Elektroautos in Europa, die sich etwa auf Fahrzeugflotten von Kraftwerksbetreibern oder kommunalen Versorgern beschränken, zielt Better Place auf den Massenmarkt eines kompletten Landes. Autofahrer in ganz Israel sollen die Elektrofahrzeuge nutzen können, und zwar nicht bloß als Ministadtmobile, sondern als vollwertige Erstautos: ob zum täglichen Pendeln zur Arbeit oder für die jährliche Urlaubsreise.

Das macht eine komplexe Infrastruktur notwendig. Denn Israel ist zwar ein kleines Land, dessen wichtige Städte nicht weit voneinander entfernt liegen: Eine Fahrt von Tel Aviv nach Jerusalem gälte in so mancher westeuropäischen Hauptstadt als urbaner Kurztrip. Die Mehrzahl der Israelis fährt zwar täglich nicht einmal 60 Kilometer als Pendler im Berufsverkehr. Aber es gibt doch Reisende, die weiter unterwegs sind, etwa in den Süden nach Eilat am Roten Meer. Und da ist es dann mit den Batterie-Kapazitäten eines Elektrofahrzeuges schnell vorbei, selbst wenn diese Reichweiten von 160 bis 180 Kilometern erlauben.

Akkus zu Handytarifen

Für die Abdeckung des ganzen Landes hat Better Place ein zweigeteiltes System entwickelt. Einerseits bieten dezentrale Ladestationen – bei den Kunden zuhause, bei Bahnstationen, vor Einkaufszentren oder auf Kinoparkplätzen – tausende von Möglichkeiten, die Autos langsam mit Strom aufzuladen. Wenn jemand aber weiter fährt, muss er seinen leeren Akku innerhalb weniger Minuten gegen einen vollen wechseln können. Das darf nicht länger dauern als ein herkömmlicher Stopp an einer Tankstelle.

Erst kürzlich eröffnete Kaplinsky noch in der Nähe von Eilat eine derartige Akkuwechselstation. Dort fährt man das Auto auf eine Rampe, und von unten tauscht – automatisch – eine Art Kran die Akkupacks. Die Technologie kommt von der Luftwaffe und wird dort zum Anbringen von Waffen oder Zusatztanks auf Kampfjets eingesetzt.

Better Place hat auf die schwache Nachfrage bereits mit einem günstigeren Leasingtarif reagiert.

Die Kunden erwerben diese Akkus aber nicht beim Autokauf, sie mieten diese nur. Denn Better Place bietet Inklusivverträge zum Nutzen der Autos an, vergleichbar jenen der Mobilfunkbetreiber. Es gibt unterschiedliche Pakete je nach durchschnittlichen Kilometerleistungen. Dabei bleiben aber viele Unbekannte offen: Wie stark werden die Benzinpreise steigen, um das auch ökonomisch interessant zu machen? Wie teuer wird der Strom noch werden, ehe das günstige Gas aus dem Meeresgrund zur Verfügung steht? Jedenfalls hat Better Place auf die schwache Nachfrage bereits mit einem günstigeren Leasingtarif reagiert. Noch steht die Antwort der israelischen Autofahrer aus.

Israel-Touristen können das neue Fahrgefühl noch nicht ausprobieren. Zwar hat Better Place mit der größten Autovermietung des Landes, Eldan, einen Kooperationsvertrag abgeschlossen. „Im Moment haben wir diese Autos noch nicht in unserem Fuhrpark“, so Adaya Berkovich von Eldan. „Und leider können wir auch noch keinen genauen Zeitpunkt sagen, wann das sein wird.“

WINA Test

Kräftig und weich

wina konnte jenes Auto bereits testen, das Better Place seinen Kunden anbietet. Energie Steiermark, der steirische Strom- und Gasversorger, betreibt in Graz eine kleine Testflotte mit Elektroautos, darunter ist auch der Renault Fluence. Das Fahrgefühl unterscheidet sich von jenem mit einem herkömmlichen benzinbetriebenen Modell grundlegend: Da ist einmal das fehlende Motorgeräusch: Elektroautos sind wirklich leise.So leise, dass man darauf achten muss, von Fußgängern oder Radfahrern auch gesehen zu werden, denn hören können sie einen nicht. Die Beschleunigung erweist sich als überraschend gut, fast wie bei einem kräftigen Sechszylinder: Elektromotoren verfügen über ein hohes Drehmoment von unten heraus.

Damit enden die positiven Eigenschaften aber auch schon. Denn der Renault Fluence ist eine große, aber etwas simple Limousine, weich gefedert und einfach verarbeitet – fast wie ein etwas schlankerer US-Amerikaner. Gegenüber europäischen Mittel- oder Oberklassefahrzeugen wirkt er billig. Der größte Nachteil liegt im Heck, und der Grund dafür sind die Batterien: Für ein 4,75 Meter langes Auto ist das Gepäckabteil mit 300 Litern winzig – kaum größer als jenes eines VW-Polo oder Renault Clio. Zum Vergleich: Im benzingetriebenen Fluence kann man 530 Liter verstauen. Mit diesem ist der elektrische Fluence auch eng verwandt. Die beiden Stufenhecklimousinen laufen in einer gemeinsamen Renault-Fabrik im türkischen Bursa vom Band.

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