Über den Wolken

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Joni Deutsch. Von der Entwicklungsgenetik bei Fischen zum Pilotenschein. Sein Zuhause ist nicht das Labor, sondern der Weltmarkt für Business-Jets./ © Reinhard Engel

Jonathan „Joni“ Deutsch ist eigentlich studierter Genetiker. Doch dann machte er den Pilotenschein und vermittelt heute mit seinem Wiener Unternehmen weltweit gebrauchte Business-Jets. Von Reinhard Engel

„Ok, danke, super. Bitte schick mir die genauen Typenbezeichnungen gleich per Mail.“ Jonathan „Joni“ Deutsch strahlt übers ganze Gesicht. Gerade hat ihm ein Informant am Handy erzählt, dass jemand gleich drei gebrauchte Business-Jets sucht. „Das Entscheidende in unserem Geschäft sind Know-how und Kontakte. Das war zum Beispiel jemand aus einer Wartungsfirma, der mir den Tipp gegeben hat.“

Angespannter Markt

Joni steigt gerade vor der Schwechater General Aviation aus seinem Auto, als der vielversprechende Anruf hereinkommt. Hier besucht er die Manager der Jet-Alliance-Werft und fragt nach den Wartungsarbeiten, die sie an einem Flugzeug durchgeführt haben, das er auf der Website seiner Firma Mesotis Jets anbietet. „Der Flieger war jetzt einige Monate nach Indien vermietet“, erzählt er. Das war für den Besitzer, der ihn verkaufen möchte, nur eine Übergangslösung, um sich in dieser Zeit zumindest die laufenden Kosten zu ersparen. Joni hat sich vor einem Jahr selbstständig gemacht, und der Markt ist seit dem Beginn der Krise 2008 noch immer äußerst angespannt. „Ein Privatflugzeug ist, wenn die Geschäfte nicht gut gehen, das am wenigsten Notwendige, das lässt sich am ehesten einsparen“, weiß er. Aber so einfach geht das nicht. Denn die Flugzeuge stehen mit den Anschaffungspreisen in den Bilanzen der Unternehmen oder kreditgebenden Banken, und niemand will die Verluste auch wirklich realisieren, man schiebt sie lieber vor sich her. „Durch das Überangebot an gebrauchten Maschinen gehen die Preise immer weiter nach unten, es ist wirklich hart. Auf der anderen Seite bekommt man jetzt Flugzeuge so billig wie nie zu vor. Man muss sie nur kaufen und auch selbst erhalten wollen.“

Dieses Risiko gehen aber immer weniger Unternehmer ein. Also bietet Deutsch neben dem Verkauf auch an, gebrauchte Flugzeuge für Bedarfsfluglinien zu mieten. „Flugstunden werden nach wie vor benötigt, und wenn diese Flugzeuge gemietet werden, fließen Erträge und die Bilanzen müssen nicht wertberichtigt werden. Das hilft den Banken und den Unternehmen.“

Beinahe virtuell

Jonis eigenes Unternehmen ist beinahe virtuell. Er sitzt mit seinem einzigen Angestellten, einem erfahrenen Piloten, der 14 Jahre in den USA gelebt hat, in loftartigen Firmenräumen am Wiener Fleischmarkt. „Wir sind ja eigentlich mehr außer Haus“, erzählt der Jungunternehmer. „Denn bei Flugzeugverkäufen muss man mit mehr Leuten sprechen als mit dem Eigentümer. Piloten und Servicetechniker kennen die Maschinen viel besser.“

Bislang kann Jonis Firma Mesotis Jets die Familie ernähren. „Wir müssen aber pro Jahr mindestens ein Flugzeug verkaufen, besser zwei oder drei.“ Im ersten Jahr waren es zwei leichte, gebrauchte Business-Jets, die Joni von einem englischen Unternehmen an eine nigerianische Öl- und Gasfirma vermittelte. Und dann übernahm er noch die Auslieferung und Zulassung eines neuen, größeren kanadischen Flugzeugs (Global Express XRS), ebenfalls für eine nigerianische Öl-Magnatenfamilie. „Die haben uns in diesem Jahr wirklich herausgerissen, in Europa hat es düster ausgesehen.“

Joni hatte eigentlich ganz andere Berufspläne. Nach der Matura am Lycée Français de Vienne ging er für ein Jahr nach Israel. Dort arbeitete er erst in einem Kibbutz in der Wüste Negev und dann als Freiwilliger im Meeresbiologischen Insitut in Eilat. „Ab dann wollte ich Meeresbiologie studieren“, erinnert er sich. Doch schon kurz nach der Inskription an der Wiener Uni kam es ganz anders. „Ich bin mit der Genetik in Berührung gekommen, und das war ganz schnell meine neue große Liebe. Ich war fasziniert davon, dass schon in jeder einzelnen Zelle der gesamte komplexe Bauplan eines Lebewesens enthalten ist.“ Er studierte in Rekordzeit und schrieb seine Magisterarbeit über die Entwicklungsgenetik bei Fischen.

„Als Wissenschaftler habe ich mich trotzdem nicht gesehen“, so Joni Deutsch heute. „Da kann einem passieren, dass man vier Jahre an einem großen Forschungsprojekt arbeitet, und dann gibt es plötzlich keine Mittel mehr und ein Lebenstraum zerplatzt.“ Er selbst hatte noch einen Traum im Köcher. Schon als Bub wollte er Pilot werden, und darüber hinaus gab es in der Familie einschlägige Traditionen. Jonis Vater Simon arbeitete in der israelischen Armee als Flugzeugmechaniker, während des Yom-Kippur-Kriegs hielt er im Negev und auf dem Sinai Sky Hawks einsatzbereit. Und sein Urgroßvater Eliezer Deutsch hatte während des Ersten Weltkriegs in einem Doppeldecker Postpakete an die russische Front in Galizien geflogen.

Beinahe gescheitert

Ein erster Versuch, sich in die Lüfte zu erheben, schlug schmerzlich fehl. „Ich habe die Aufnahmeprüfung für die Pilotenausbildung der Austria Airlines nicht geschafft und weiß bis jetzt nicht wirklich, warum.“ Also musste er den mühsameren – und teureren Weg wählen: Das Geld für die erste Etappe der Flugschule streckte ihm noch der Vater vor, aber dann zahlte er die nächsten Module schon selber: Instrumentenflug, kommerzieller Pilotenschein. Und auch seine Jobs hatten bereits mit der Traumbranche zu tun. „Ich war zwar fertiger Genetiker, habe aber für die Unternehmensgruppe Jet Alliance internationale Triebwerksversicherungen verkauft.“ Es folgten mehrere Jahre im Handel mit gebrauchten Flugzeugen – und damit legte er auch schon den Grundstein für die spätere eigene Firma.

Weltmarkt

Jetzt ist der Weltmarkt – in einem sehr speziellen, kleinen Segment – sein Zuhause, ob in der Firma am Laptop, ob bei potenziellen Kunden in Europa, den USA oder in Afrika. Und natürlich sitzt er regelmäßig selbst im Cockpit kleinerer Propellermaschinen – privat und mit Freunden. Im Rahmen von Mesotis Jets nächstem Produkt Aircraft Management möchte er aber bald auch selbst als kommerzieller Pilot Jets fliegen.

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