„Und manchmal geht dann eine Tür auf“

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Poetisch betrachtet sei ihre Aufgabe schier unermesslich, sagt Teresa Indjein. Als Leiterin der kulturpolitischen Sektion des Außenministeriums ist sie Homebase und Chefin der weltweiten kulturellen Aktivitäten des offiziellen Österreich. Über diplomatische Kultur auch in Zeiten der Krisen sprach sie mit Anita Pollak.

WINA: Wie sieht Österreichs Kulturauftrag im Ausland und damit auch Ihre Aufgabe aus?

Teresa Indjein: Es bedeutet, über das Netzwerk unserer diplomatischen Vertretungsbehörden Österreichs Kultur und Wissenschaft in die Welt zu tragen, mit unserer Kultur über Österreich zu erzählen und damit Brücken in die Welt zu bauen, Freunde zu gewinnen, uns um Dialog zu bemühen und in der Welt auch Neues zu finden, das wir wieder hereintragen können. Das wäre die Aufgabe in einem großen abstrakten Bild. Strategisch bedeutet es, dass wir in unserer Wiener „Zentrale“ Programme und Formate ausarbeiten, um unseren Kollegen draußen die Arbeit zu erleichtern. Das Netzwerk umfasst 31 Kulturforen und Kooperationsbüros, 65 Österreich-Bibliotheken, neun Österreich-Institute, zwei Wissenschaftsbüros und das Open-Austria-Büro in San Francisco. Und, das ist essenziell wichtig: Alle unsere Botschaften erfüllen einen Kulturauftrag.

„Für Österreich als Kulturnation sind die Künste  das Marketingtool Nummer eins.“
-Teresa Indjein

Kann Österreich als neutraler Staat mit der Kultur etwas bewirken, was die Diplomatie sonst nicht könnte?

Ich glaube, die Kultur kann alles, weil KünstlerInnen alles ansprechen können, das ist eine sehr wichtige Funktion. Für Österreich als Kulturnation sind die Künste auch das Marketingtool Nummer eins. Die österreichische Kulturdiplomatie ist, finde ich, sehr kreativ. Wichtig ist uns dabei auch das Arbeiten im Dialog, das Überwinden von Vorurteilen, das Schaffen von neuen Begegnungen. Es gibt immer so viel zu lernen, die Kulturdiplomatie will eben auch über sich hinauswachsen, für die Begegnung mit dem Neuen, dem anderen. Man lernt dabei auch manchmal über die Grenzen dessen, was man verstehen kann.

Wie steht es mit dem Kulturauftrag in Krisengebieten und in Krisenzeiten?

Wenn es zu schwersten Krisen kommt und eine Botschaft geschlossen werden muss, ist das sehr traurig. Aber gerade in schwierigen Zeiten kann man sich um die Kulturbrücken bemühen und nicht die KünstlerInnen bestrafen, die möglicherweise traurig über die Politik in ihrem Land sind. Zum Beispiel hat das Kulturforum in Istanbul durch die aktuellen Umstände schwierigere Arbeitsbedingungen, aber wir haben dort unsere Partner, Kulturschaffende und Kulturinstitutionen. Mit der Stimme der Kunst, der Literatur kann man alles ausdrücken. Im Iran haben wir das einzige westliche Kulturforum, das über verschiedene Zeiten dort agiert. Es hat sogar ein eigenes Orchester. Die Kultur muss auf den langen Atem setzen, muss mit Geschichte denken, denn es ist auch Beständigkeit, die Vertrauen schafft. Und manchmal geht dann eine Tür auf.

Was die Kulturarbeit Österreichs in Israel betrifft, so gerät der neutrale Staat ja irgendwie auch in den Konflikt hinein. Es gibt etliche Projekte in Palästinensergebieten, aber natürlich auch in der aussterbenden österreichischen Emigrantenszene. Wie geht man da vor?

Das wird im Dialog erarbeitet, etwa ist die Begegnungsreise zwischen dem Rabbiner Schlomo Hofmeister und dem Iman Ramazan Demir als Projekt von hier aus gegangen, d.  h. finanziert und organisiert worden. Zwei israelische Projekte, Givat Haviva und das Arab Jewish Community Center, haben einen von uns vergebenen Innovationspreis erhalten, den Intercultural Achievement Award. Der österreichische Verein Shalom Alaikum ist auch von uns mit einem Preis ausgezeichnet worden.

Wir haben vor Kurzem einen Frauenschwerpunkt gestaltet und historisch geschaut, wer waren die Pionierinnen, Frauenpersönlichkeiten in Österreich, die Besonderes geleistet haben. Viele von ihnen waren Jüdinnen. Da gibt es unglaubliche Lebenswege. Wir haben dazu ein Buch gemacht samt Anregungen, welche Projekte daraus in der Kulturarbeit im Ausland initiiert werden könnten. Das Programm heißt Kalliope Austria – Frauen in Gesellschaft, Wissenschaft und Kultur. Und dazu gibt es eine begleitende digitale Wanderausstellung.

Wie geht Österreich, das ja auch ein Täterland war, im Ausland mit diesem Erbe um?

Ich war in den Neunzigerjahren als Kulturattaché in den USA und hatte das Privileg, viele der Vertriebenen zu treffen. Ich habe dann einen guten Teil des Programms für diese Menschen gestaltet, Programme, von denen ich hoffte, sie könnten ihnen eine Freude machen, bei all den Schmerzen etwas Schönes, Nostalgisches wiederbeleben. Ich werde nie vergessen, dass wir einmal bei einer dieser Familien zu Weihnachten eingeladen waren, sie haben extra für uns zu Weihnachten einen Christbaum aufgestellt. Eine Kollegin von mir machte regelmäßig Emigrantenjausen. Das hat mich an meine Kindheit erinnert, als auch oft jüdische Emigranten aus New York bei uns zu Hause zu Gast waren und vom Leben in Amerika erzählten. Ich bin nicht die einzige unter den Diplomaten, die in dieser Hinsicht sehr sensibel sind. Aus dieser Haltung entstehen immer wieder Projekte, auch für Forschungsarbeiten jüngerer Menschen, die wir unterstützen und begleiten.

Wie arbeiten Sie zum Beispiel mit der israelischen Botschaft in Wien zusammen, damit die Kulturarbeit keine Einbahnstraße wird?

Es gibt viele diplomatische Formate der Begegnung, wir haben ein Memorandum of Understanding mit Israel zur Kulturarbeit, und man spricht sich ab. Es gibt viele Kooperationen auf universitärer Ebene, viele gemeinsame Blicke in die Geschichte und, sehr wichtig, auf die jungen Talente von heute. Das hat die Reise einer Gruppe von jungen Israelis nach Österreich vor Kurzem bewiesen. Besonders wichtig ist dafür die Arbeit unseres Kulturforums in Tel Aviv. Dort werden jährlich an die 200 Projekte durchgeführt, bei vielen stehen Film, Musik und vor allem die Innovationen, die die Digitalisierung bringt, im Vordergrund. Ein Projekt, das uns sehr freut, ist das mittlerweile schon Tradition gewordene Sederdinner, das die Kultursektion gemeinsam mit der israelischen Botschaft in Wien macht und zu dem wir Botschafterinnen und Botschafter aus den EU-Mitgliedstaaten und einiger anderer Länder wie Brasilien, Indien, Ägypten oder China einladen, etwa 30 Personen. Da wird bei einem feierlichen Abendessen in der Seitenstettengasse die Tradition des Seder erklärt, es wird gesungen, und manchmal werden dann sogar jüdische Witze erzählt.

Dr. Teresa Indjein, geborene Untersteiner, leitet seit Jänner 2016 die Sektion Kultur im Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres. Die 56-jährige Juristin und Diplomatin war davor u. a. Kulturattaché in Washington und leitete von 2002 bis 2008 das Kulturforum in Berlin. Die Diplomatin spielt seit ihrer Jugend Schlagzeug und war eine der ersten Schlagzeugerinnen Österreichs.

Bild: © Konrad Holzer

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