Waffenproduzent zu verkaufen

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Israel macht mit der Privatisierung ernst. Als erstes Großunternehmen wird Israel Military Industries (IMI) abgegeben. Von Reinhard Engel   

Jetzt geht es wirklich in die Endrunde. Nur mehr fünf Unternehmen sind in der Letztauswahl im Wettstreit um eine der bekanntesten israelischen Rüstungsfirmen, IMI – Israel Military Industries. Noch in der ersten Hälfte 2016 soll der Zuschlag erfolgen.

Vor zwei Jahren, 2014, hatte die israelische Regierung beschlossen, eine Reihe von Industrie- und Infrastrukturunternehmen ganz oder teilweise zu privatisieren, darunter Häfen, Versorger, Post und Bahn oder Rüstungsfirmen. Derzeit besitzt der Staat knapp 100 Unternehmen. Den Anfang sollte dabei IMI machen, als Datum für den Abschluss war ursprünglich Ende 2015 geplant. Doch es sollte länger dauern, nicht nur wegen des Regierungswechsels. Die Entstaatlichung von sicherheitspolitisch heiklen Rüstungsfirmen ist kein leichtes Unterfangen.

Ein Gutteil der IMI-Entwicklungen besteht aus so genannten Kampfwertsteigerungen, das heißt der Modernisierung älterer Fahrzeuge.

So stand etwa schon in den Verkaufsunterlagen, wer aller sich erst gar nicht bewerben müsse, etwa „feindliche Staaten“ sowie „Unternehmen, die feindlichen Staaten gehören“. Oder positiv formuliert: Der Käufer müsse ein israelisches Unternehmen sein beziehungsweise die israelische Tochterfirma einer internationalen Gruppe, und auch das Topmanagement müsse mit israelischen Staatsbürgern besetzt werden. Überdies löste das Verteidigungsministerium den technologisch anspruchsvollsten Teil von IMI aus dem zu verkaufenden Paket heraus: Die Raketentechnologie wird unter dem Namen Tomer eine kleine, neue, eigene Firma werden, die weiterhin in staatlicher Hand bleibt.

img634074364628569362Doch auch der Rest von IMI ist ein Rüstungsproduzent auf höchstem technischen Niveau und spielt international als Anbieter eine wichtige Rolle, bestätigt ein ranghoher europäischer Offizier, der nicht genannt werden will. IMI gibt keine Umsatz- oder Exportzahlen bekannt, nur dass seine Produkte sowohl in den USA (von Army, Navy und Air Force) als auch in diversen Nato-Armeen nachgefragt werden.

Das Produktionsspektrum von IMI mit seinen knapp 3.000 Mitarbeitern ist weit gefächert. Es beginnt bei klassischer Munition für leichte Waffen, Artilleriegeschütze und Panzer. Doch es reicht weiter: über Fahrzeug-Armierung bis zu Raketenwerfer oder ferngesteuerte Geschütztürme bis zu jenen hypermodernen aktiven Schutzsystemen für Fahrzeuge, die anfliegende Panzerabwehrraketen knapp vor dem Einschlag zerstören können. Das setzt Hochleistungsradar und enorm schnelle Rechnerleistung voraus, wurde aber bereits im letzten Gaza-Krieg erfolgreich getestet.

Aufrüsten statt Ausmustern

Ein Gutteil der IMI-Entwicklungen besteht aus so genannten Kampfwertsteigerungen, das heißt der Modernisierung älterer Fahrzeuge. Dies bedeutet für die Armeeverwaltung nicht mehr gleich das Ausmustern länger eingeführter Modelle, sondern ermöglicht deren Aufrüstung auf neue Technikstandards. Ähnliches gilt für die Munition: Moderne Elek-tronik erlaubt die genaue Steuerung ins Ziel, auch nach dem Abfeuern.

Das Produktionsspektrum von IMI ist weit gefächert. Munition, leichte Waffen, Raketenwerfer und ferngesteuerte Geschütztürmer – alles, was das kriegerische Herz begehrt.
Das Produktionsspektrum von IMI ist weit gefächert. Munition, leichte Waffen, Raketenwerfer und ferngesteuerte Geschütztürmer – alles, was das kriegerische Herz begehrt.

IMI ist für israelische Verhältnisse ein sehr altes Unternehmen. Während ein Gutteil der Rüstungsfirmen des Staates nach den europäischen Boykotten überhastet aus dem Boden gestampft wurde, geht IMI auf die Zeit des britischen Mandats zurück. Schon in den 30er- Jahren produzierte die Untergrundarmee Palmach heimlich ihre eigenen Waffen, unter anderem in einer Gerberei, die wegen des fürchterlichen Geruchs von den Briten nicht kontrolliert wurde. Später erlangte das Unternehmen mit einem innovativen Produkt Weltberühmtheit, mit der leichten, aber zuverlässigen Maschinenpistole Uzi. Weitere Infanterie- und Polizeiwaffen sollten folgen: die Sturmgewehre Galil oder Davor sowie die automatischen Pistolen Desert Eagle und Jericho. Doch dieser Teil des Unternehmens wurde bereits 2005 abgespalten und privatisiert, er nennt sich heute IWI – Israel Weapon Industries.

Die Gründe für die weiteren Privatisierungen sind mehrere: Einerseits braucht die israelische Regierung Geld fürs Budget, auch hier gehen die Defizite nicht zuletzt wegen steigender Sozialausgaben nach oben. Weiters möchte man den Wettbewerb bei Rüstungsanbietern beleben und damit die Preise senken. Und schließlich weiß man in Israel wie anderswo um die Behäbigkeit von Firmen im ausschließlichen Staatsbesitz. So kann technologischer Fortschritt durchaus mit struktureller Verkrustung einhergehen. Der Personalstand gilt als zu hoch. Und der Staat hat etwa bei IMI allein in den letzten Jahren mehr als 600 Mio. Dollar für die extensiven Pensionszusagen zugeschossen.

Ab in die Wüste

Um privaten Investoren das Unternehmen schmackhafter zu machen, wurden die hohen Sozialkosten weitgehend herausgelöst, auch vor dem Verkauf hat bereits ein – vorsichtiger – Personalabbau begonnen. Auch die Sanierung alter Betriebsstätten wird nicht der neue Eigentümer bezahlen müssen. Denn parallel mit dem Verkauf wird der Firmensitz inklusive Produktion in den nächsten fünf Jahren von Ramat Ha Sharon zwischen Tel Aviv und Herzliya in den Süden, in den Negev, verlegt. In der dicht bevölkerten Küstenregion braucht man dringend Grundstücke für neue Wohnanlagen.

Im vorigen Frühjahr hatten sich 12 Interessenten die Unterlagen von IMI genauer angesehen und als Zeichen ihrer ernsten Absichten auch Garantiesummen hinterlegt. Von ihnen haben es fünf in den engeren Kreis geschafft. Wer sind nun diese fünf potenziellen Käufer? Da ist einmal Elbit Systems, ein israelischer Spezialist für Elektronik und Luftfahrttechnik; dann Flextronics International, eine amerikanisch-asiatische Industriegruppe, deren Wurzeln unter anderen in ehemaligen Philips-Elektronikfabriken in Europa liegen, etwa in Österreich oder in Ungarn; weiters die US-amerikanische Renco Group von Ira Leon Rennert, zu der Industriebeteiligungen wie Stahlwerke gehören und die das Militärfahrzeug Humvee produzierte; darüber hinaus bewarb sich eine israelische Finanzierungsgruppe, Mezzanine Investors, sowie eine Bietergemeinschaft der israelischen Geschäftsleute Samy Katsav und Meir Shamir. Als aussichtsreichste Kandidaten galten laut israelischen Zeitungen Elbit und Flextronics, doch Mitte Jänner zog der US-asiatische Konzern überraschend seine Teilnahme zurück.

Vilder: © Israel Military Industries (IMI)

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