„Was macht man mit Bacon“

Mit der Ausstellung Küche der Erinnerung – Essen und Exil feiert die Österreichische Exilbibliothek ihr 25-Jahr-Jubiläum.

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Siegfried Weyr: Onchan Camp, Douglas Home, GB, um 1939. Privatbesitz Theodora Weyr | © Thomas Weyr

„Ich gab dem Weckerl heimlich ein Busserl“, berichtet Franziska Tausig vom ersten reschen „Kümmelweckerl“, das sie auf der Rückreise nach Wien in die Hand bekam. Neun „bittere“ Jahre hatte sie in Shanghai als Köchin überlebt, vor allem weil sie Apfelstrudel, Sachertorten und Gugelhupf backen konnte. Serviert wurden diese in einem

Veronika Zwerger, Ursula Seeber (Hg.)
Küche der Erinnerung.
Essen und Exil.
new academic press 2018;
343 S., € 32

Emigrantencafé, wo sich Wiener Flüchtlinge die verlorene Heimat auf diese Weise „einverleibten“. Für die Sterbenskranken bereitete Tausig im Emigrantenspital als „Wunschköchin“ oft die allerletzte Mahlzeit zu. „Einer hat sich Krautfleckerln gewünscht“, schreibt sie in ihren Aufzeichnungen.

Kein Lifestyle. Zwischen diesen beiden Polen, dem Mehlspeishimmel fern der Heimat und dem Tod, der immer nahe war, sind nicht nur die Erinnerungen der Franziska Tausig angesiedelt, sie bilden auch die Spannweite einer neuen Ausstellung im Literaturhaus Wien.

Ihr Titel Küche der Erinnerung ist an die Dokumentation In Memory’s Kitchen über die Frauen im KZ Theresienstadt, die nur in ihrer Phantasie kochen konnten, angelehnt.

Doch weder dem Horror der KZs noch kulinarischer Nostalgie haben die beiden Kuratorinnen Ursula Seeber und Veronika Zwerger besonderen Platz eingeräumt. „Es geht hier nicht um Lifestyle oder Unterhaltung, nicht nur um die Küche als Heimat, sondern um Existenzielles, um Hunger und Mangel als Phänomene des Exils“, rücken die Gestalterinnen den Untertitel „Essen & Exil“ gleich eingangs zurecht.

»How we loved to hear the magic words
Guglhupf, Palatschinken, Zuckerl.«
Renate Yates

Immer wieder waren sie in den Nachlässen ehemaliger Emigrantinnen auf Rezeptsammlungen und Kochbücher und auf entsprechende Erzählungen gestoßen, sodass sich „das Thema fast aufgedrängt hat, zumal es dazu noch nichts Übergreifendes gibt“.

Es passt nun gerade in seinem weitgespannten Bogen perfekt zum 25-Jahr-Jubiläum der Exilbibliothek, die mit den Objekten ihrer Sammlung die Ausstellung fast zur Gänze bestückt.

Fest der Federación Austriaca en Bolivia.
La Paz, Bolivien, vor 1948. Nachlass Fritz Kalmar / Exilbibliothek © Roberto Kalmar

Im intimen Rahmen sind Fotos, Plakate, Inserate, Texte, Hörbeispiele, O-Töne aus Interviews zu Themenschwerpunkten wie Fremde Küche/Eigene Küche, Orte der Gastlichkeit im Exil, Flüchtlinge als Kochbuchautorinnen und andere in der kleinen Schau versammelt.

Ausführlicher kann man sich in der dazu erschienenen wunderbaren Publikation in das ergiebige Thema und in zum Teil bisher unpublizierte Texte vertiefen.

„Mein Gott, was macht man mit Bacon?“, verzweifelte eine junge Wienerin, die als Hausgehilfin in England ihr erstes Frühstück zubereiten musste, welches „half past seven ready“ zu sein hatte. Das Schicksal dieser Frauen, die mit einem „domestic permit“ nach Großbritannien gelangten und oft keine Kochkenntnisse hatten, spiegelt etwa die von ihnen gegründete Zeitschrift Österreicherin im Haushalt, in der Erfahrungen, aber auch Rezepte geteilt wurden.

Die nächste, so genannte zweite Generation, die entweder als Kinder ins Exil kamen oder dort geboren wurde, wollte sich möglichst schnell assimilieren, in der Sprache und auch im Essen. „Die österreichische Küche war im Inneren zwar ein Ort der Geborgenheit, aber auch der Befremdung. Die Kinder wollten nicht als refugees identifiziert und stigmatisiert werden“, hat Ursula Seeber in zahlreichen Interviews festgestellt. „But in the privacy of our own homes how we loved to hear the magic words Guglhupf, Palatschinken, Zuckerl“, wird Renate Yates zitiert.

Küche des Austrian Centre, Glasgow. Edith Königsberg (li.) und Hilde Geffner (re.), 1940er-Jahre. Foto Wolf Suschitzky | © Estate of Wolf Suschitzky

Heimatliche Inseln. Exakt 1.000 Kaffeehäuser gab es vor 1938 in Wien, ihr Publikum war zu einem Gutteil jüdisch. Kein Wunder also, dass die auch daraus Vertriebenen sich in entfernten Orten wie New York oder Bolivien solche heimatlichen Inseln mit Namen wie „Kleine Konditorei“ oder „Little Vienna“ errichteten, die als Treffpunkte und Informationszentren der Szene dienten. Meist gastronomisch unerfahrene Emigranten betrieben Lokale mit österreichischer Küche, die mangels authentischer Zutaten oft kreativ abgewandelt werden musste, also etwa Wiener Schnitzel aus Thunfisch. „Wichtig ist nicht, was man isst, sondern, dass man isst“, stellt ein Überlebender nüchtern fest.

Es ist den beiden Kuratorinnen zu danken, dass sie diesen Aspekt nie aus den Augen verloren haben und der nahe liegenden Versuchung einer kulinarischen Nostalgieschau nicht erlegen sind.


Ausstellung: Küche der Erinnerung – Essen & Exil
Bis 10. Jänner 2019
Literaturhaus Wien, Seidengasse 13, 1070 Wien
literaturhaus.at

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