Wenn Gott den Weg zeigt

Im Sitzungssaal der Wiener Kultusgemeinde hängt seit einigen Monaten ein neues Kunstwerk: Die kalligrafische Arbeit zitiert Rabbi Lord Jonathan Sacks. Die Botschaft: Jeder soll nicht nur seine Identität behalten, sondern sich auch damit auseinandersetzen. Der Künstler Roy Riginashvili hat das Gemälde live im Rahmen des Festivals der jüdischen Kultur entstehen lassen.

5794
Der junge Künstler Roy Riginashvili widmet sich in seinen Arbeiten zunehmend spirituellen und religiösen Themen. © Daniel Shaked; phesh.at

Als ich acht war, bin ich mit meiner Mutter am Tisch gesessen, und sie hat ein Super-Mario-Bild für mich nachgezeichnet.“ Das war der Startschuss für Riginashvilis Faible für Stifte und Farben. „Als ich das gesehen habe, habe ich gewusst: Das will ich auch können. Ich habe mir alle Bilder gesucht, die ich zu diesem Videospielthema finden konnte und die farbenfroh waren und diesen Stil hatten. Und dann habe ich versucht, sie zu abzuzeichnen. Das war im Prinzip meine Art, zu lernen und mich mit Farbdramatik, Komposition und Proportionen auseinanderzusetzen. Für mich ist der kreative Prozess, dem Motiv so gut wie möglich gerecht zu werden und technische Perfektion zu erreichen.“

Eine künstlerische Laufbahn sah Riginashvili zunächst dennoch nicht für sich. Ein Studium an der Universität für angewandte Kunst verwarf er rasch. „Wenn du dort studierst, wird dir mehr beigebracht, etwas aus dir herauszuholen, was du dann auf die Leinwand bringen kannst.“ Wenig anfangen kann er zudem mit abstrakter Kunst. Doch als er seine Ausbildungsentscheidung treffen musste, hatte er den Eindruck, dass es in der modernen Kunst weit mehr Wertschätzung für abstrakte Gemälde gab als für realistische. „Auch bei Ausstellungen nehmen sich Leute wirklich Zeit, sich ein Bild anzuschauen und es zu interpretieren, ohne zu wissen, was der Künstler gemeint hat. Das war aber nie meine Art, mich mit Kunst zu beschäftigen. Das, was ich mache, ist Handwerk.“

»Es ist sowohl ein besonderes Privileg
als auch eine besondere Verantwortung,
Jude zu sein und so zu leben.«
Roy Riginashvili

So entschied er sich, in Richtung Grafikdesign zu gehen, und absolvierte die Ausbildung für Webdesign und -development am SAE-Institut. Seit 2008 ist er für Kunden aus verschiedenen Branchen als Grafikdesigner tätig. „Etwas auf die Leinwand zu bringen, bei dem man dann sagt, da lernt man mich kennen oder da drücke ich eine Idee aus, fällt mir schwer. Logos zu entwerfen, also eine Idee in einem Symbol auszudrücken, fällt mir dagegen leicht. Zu erkennen, was es ist, das der Kunde braucht, und es gestalterisch umzusetzen, ist eher meine Herangehensweise, die ich mir in all den Jahren als Grafikdesigner angeeignet habe.“
Mit seiner „Phesh! Die Künstlerei“ bietet er inzwischen Auftragsarbeiten in drei Bereichen: Grafikdesign, Porträts (vorrangig Aquarelle) nach Fotos sowie – jüngst dazugekommen – Kalligrafie. Diese Schriftgemälde greifen religiöse Themen auf: Thorastellen, Gebete, Segenssprüche. Dass Riginashvili zunehmend eine spirituelle Ebene in seine Kunst holt, kommt nicht von ungefähr. Traditionell aufgewachsen, aber nie besonders observant, wendet er sich seit einiger Zeit verstärkt der Religion zu.

Verantwortung leben. „Ich dachte immer, dass im Judentum der Hauptfokus am Regelwerk liegt: Das darfst du nicht, jenes darfst du nicht, das musst du tun, das sollst du tun. Die Gründe dahinter allerdings waren mir nicht klar. Je mehr ich mich aber damit beschäftige, umso mehr erkenne ich, wie viel Intelligenz und Weisheit in dieser Lebensart stecken. Es ist sowohl ein besonderes Privileg als auch eine besondere Verantwortung, Jude zu sein und so zu leben. So möchte ich das für mich, für meine Familie und alle meine Nachkommen.“
Er habe in diesem Prozess auch gelernt, dass alles, was der Mensch tue, ein Dienst an Gott sein solle. „Das, was man macht, soll etwas Größerem dienen und nicht nur einem selbst und dass man damit Leute auch glücklich machen kann. Das, was ich an Talenten, Kräften, Fähigkeiten bekommen habe, kann ich nun ganz anders nutzen.“

Das Schabbat-Gebet Lecha Dodi. Der Refrain auf goldenem Hintergrund und die ersten drei Strophen darunter, 2017.
Herzl – Wenn ihr wollt … Aquarell und Kalligrafie, 2016.
Aleph Beth. Kalligrafie, Tinte und goldene Aquarellfarben, 2016.

 

 

 

 

 

 

 

 

Vor etwa drei Jahren stieß Riginash-vili auf Youtube-Kunsttutorials. Das Zeichnen hatte er nach seiner Entscheidung, nicht an der Angewandten zu studieren, beiseitegelegt und sich auf Computergrafik konzentriert. Nun sah er aber, dass es abseits des Kunstbetriebs eine Nachfrage nach genau dem gab, das ihm lag: dem von manchen als altmodisch abgetanen realistischen Darstellen von Menschen, Tieren, Dingen. Autodidaktisch bildete er sich mit Hilfe dieser Videos weiter – heute stellt er auf seinem Youtube-Kanal Phesh! selbst Clips ein.
Künftig würde er sich gerne vor allem auf die Kalligrafie konzentrieren und damit seinen Lebensunterhalt verdienen. Den Namen Gottes dürfe er nicht ausschreiben, erzählt er, und auch keine ganze Thora schreiben, das dürfe nur ein Sofer. Dennoch seien seine Gemälde koscher. Er freut sich, dass er den Menschen, die seine Kalligrafien zu Hause hängen haben, eine Thorastelle, ein Gebet besonders nahe bringen kann. „Viele beten einen Text herunter, ohne wirklich zu verstehen, worum es geht. Wenn man sich nun mit diesem Bild beschäftigt, wird man auch die Gedanken hinter dem Gebet erkennen.“

Seine Zukunft sieht Riginashvili in Israel – auch wenn er derzeit nicht weiß, wie sich das finanziell bewerkstelligen ließe. Fast die ganze Familie lebe in Israel, ihn zieht es aber vor allem aus religiösen Gründen dort hin. Dass der Markt für Kalligrafie in Wien wahrscheinlich zu klein ist, spiele kaum eine Rolle. Marketing und Verkauf könnten ja auch über das Netz laufen. Dazu muss er nun noch lauter die Werbetrommel für Phesh! rühren.


Roy Riginashvili,
geboren 1986 in Haifa, kam mit seinen Eltern und seiner Schwester als Dreijähriger nach Österreich. Hier maturierte er an der Zwi-Perez-Chajes-Schule, studierte danach Grafikdesign am SAE-Institut und ist seit 2008 als Grafikdesigner tätig. 2016 gründete er „Phesh! Die Künstlerei“ und nimmt Aufträge für Aquarelle/Porträts, Kalligrafie und Grafikdesign entgegen.
Auf seiner Webpage, Facebook und Youtube findet man Videos, die ihn bei der Arbeit zeigen.
Website: phesh.at
Facebook: facebook.com/diekuenstlerei/
Youtube: Phesh! Die Künstlerei
Instagram: #phesh_calligraphy

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here