Wir können viel von Israel lernen

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Foto: Reinhard Engel

Nach seinem ersten Israel-Besuch zeigt sich Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil beeindruckt von Israels technolo-gischen Leistungen beim Schutz vor digitalen Bedrohungen. Über das Arbeitsabkommen mit seinem Kollegen Avigdor Lieberman sprach er mit Marta S. Halpert.

WINA: Sie waren vor Kurzem zu einem viertägigen Arbeitsbesuch in Israel. Ein Programmschwerpunkt war die Konferenz zum Thema innere Sicherheit und Schutz gegen digitale Bedrohungen (Homeland & Cyber Security). War das Ihr erster Besuch?
Hans Peter Doskozil: Ja, ich war zum ersten Mal in Israel. Das Land und die Menschen haben mich sehr beeindruckt. Trotz des dichten Konferenzprogramms konnten wir auch an einem Tag Jerusalem besuchen. Wir waren im österreichischen Hospiz, in der Via Dolorosa, in der Grabeskirche und an der Klagemauer. Wenn man hört, was man noch alles nicht gesehen hat, reizt es unbedingt zum Wiederkommen.

Sie besuchten auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem?
❙ Ja, die Eindrücke in Yad Vashem sind etwas ganz Besonderes. Jede Schulklasse in Österreich sollte einmal Yad Vashem besucht haben.

Sie wollen mit Ihrem israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate ein Abkommen ausarbeiten, das die Kooperation bei der so genannten Cyber-Abwehr zum Inhalt hat. Worin soll diese Zusammenarbeit bestehen?
❙ Wir haben viele Kooperation, u. a. sind Deutschland und die Schweiz unsere Hauptkooperationspartner, aber wir hatten noch keine effektive Kooperation mit dem israelischen Verteidigungsministerium. Diese Kooperationen bestehen zumeist aus Wissens- und Ausbildungstransfer sowie gemeinsamen Trainings. Auf den Gebieten Cyber-Technik, Sicherheit und Cyber Defense ist Israel weltweit Vorreiter. Wenn ich das Revue passieren lasse, was ich in Israel gesehen habe, dann hat Österreich noch ordentlichen Aufholbedarf. Wir wollen von Israel lernen, aber im Gegenzug auch etwas anbieten, das auch für Israel interessant sein könnte. Zum Beispiel im Bereich von ABC-Abwehr (atomare, biologische und chemische Kampfstoffe) oder auch bei unseren Gebirgsjägern, da haben wir große Kompetenz.
Was mich sehr gefreut hat, war die Bereitschaft, dieses Abkommen relativ rasch zu schließen. Diese zwei bis drei Monate hat Minister Lieberman konkret vorgegeben.

Wird es Schulungen österreichischer Cyber-Security-Experten in Israel geben? Werden Israelis auch nach Wien kommen?
❙ In der ersten Phase werden unsere Experten einmal nach Israel fahren und die Themenfelder und Inhalte abstecken. Dann hoffen wir, dass wir 2017 das Abkommen unterschreiben können.

„Jede Schulklasse in Österreich sollte einmal Yad Vashem besucht haben.“

Was kann Österreich von Israel auf dem Gebiet der Cyber-Sicherheit lernen? Auch Angesichts der Tatsache, dass der Terror in Europa angekommen ist.
❙ Terror ist da ein sehr weiter Begriff: Terror wirkt stark in den Cyber-Bereich hinein, aber auch, wenn es um Grenzüberwachung geht. Wir haben eine Präsentation der Firma Elbit Systems Ltd. erlebt, das ist ein israelischer Luft- und Raumfahrt- sowie Elektronikkonzern mit Sitz in Haifa, und da haben wir Technologien gesehen, die uns bis dato nicht bekannt waren. Und zwar nicht nur im Cyber-Bereich, sondern auch auf dem nachrichtendienstlichen Sektor. Da muss man einfach zusammenarbeiten, denn wenn man sich die Bedrohungsszenarien heutzutage anschaut, würde das niemand verstehen, dass jeder Staat für sich allein versucht, irgendwelche eigene Kompetenzen zu schaffen. Das fruchtet nur in der Zusammenarbeit.

Gibt es bereits einen bilateralen Austausch zwischen den Geheimdiensten, also zwischen Österreich und Israel, oder existiert das nur im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit, z. B. mit den USA und Deutschland?
❙ Nachrichtendienstlich gibt es immer Kooperationen, natürlich nicht nur innerhalb von Europa. Ähnlich wie im Cyber-Bereich ist das auch auf dem nachrichtendienstlichen Feld sehr ausgeprägt. Diese Zusammenarbeit beruht auf konkretem Fakten- und Tatsachenaustausch.

Können die Grenzsicherheitsmaßnahmen, die mit modernster Technologie am Sinai durchgeführt werden und die Sie an der Grenze zu Ägypten besichtigt haben, auch zum Vorbild für Österreich und ganz Europa werden?
❙ Ich würde das weniger auf Österreich beziehen. Das ist sicher eine Technologie, die ganz wichtig wäre, wenn es um einen effektiven EU-Außengrenzschutz geht. Die moderne Technologie ist insofern auch besonders wichtig, da es den Personalaufwand reduziert. Das ist die erste wichtige Erkenntnis nach meinem Besuch an der Sinai-Grenze. Die zweite wichtige Erkenntnis ist die gute Kooperation mit dem Nachbarstaat. Israel hat gute Erfahrungen mit Ägypten gemacht. Es gibt seit vorigem Jahr ein Arbeitsabkommen, wie man miteinander umgeht, wie man Situationen früh erkennt und in der Folge Absprachen trifft. Das ist ganz wichtig, denn man kann isoliert keine Maßnahmen treffen – das gilt sowohl für Europa als auch für Österreich.

Reinhard Engel

Was kann man von dieser Erfahrung an unseren Grenzen umsetzen?
❙ Wenn wir diese konkreten Schritte nicht schaffen, dass es einen effektiven europäischen Schutz der Außengrenzen gibt, und wir darin verharren, dass wir unsere Grenzen alleine schützen müssen, dann werden wir uns auf Dauer auch überlegen müssen, wie man mehr Technik einsetzt. Denn wir haben derzeit an den burgenländischen und steirischen Grenzen zu Ungarn und Slowenien 800 Soldaten stationiert, das ist ein sehr hoher Personaleinsatz. Es gibt auch einen Ministerratsbeschluss, dass wir bei vermehrten Flüchtlingsströmen bis zu 2.200 Personen aufstocken können. Daher muss man überlegen: Wie verbindet man den stärkeren Einsatz von Technik, damit man mit dem Personal haushalten kann?

Der menschliche Kontakt an der Grenze wird nicht ganz zu vermeiden sein, oder?
❙ Ohne Personal geht es nie, aber in Israel übernimmt die Technik zu 50 Prozent diese Arbeit. Wir hingegen setzen heute überwiegend Personal dafür ein. Daher sollten wir uns auch andere Möglichkeiten überlegen.

In Israel erhält ein rückkehrwilliger Migrant 3.500 Dollar, bei uns 500 Euro, mit längerer Dauer seines Verfahrens nur mehr 250 bis 200. Das ist vielleicht wenig verlockend. Wollen Sie auch in Österreich mehr bieten?
❙ Ich könnte mir das durchaus vorstellen, wenn man auch bereit ist, die Rückkehrberatung besser zu organisieren. Wir sollten in jeder Grundversorgungsunterkunft solch eine Rückkehrberatung machen. Das gelingt aber nicht in dem Ausmaß, wie es sein sollte. Aber ich könnte mir vorstellen, wenn man das professionalisiert und zentraler macht und auch gewisse Rechtsfolgen daran knüpft, dass wir dann auch die Summen erhöhen könnten. Aber davor müssen wir die Rahmenbedingungen, wie eben skizziert, erst ändern.

Es gab auch Fälle, bei denen die Menschen wiederkamen, nachdem sie das Geld aufgebraucht hatten.
❙ Das ist sicher eine Gratwanderung, es soll natürlich kein Anziehungseffekt entstehen. Solange es aber keine Abkommen mit den Staaten gibt, sind wir auf freiwillige Rückkehr angewiesen.

Gab es noch eine Verstimmung über den Abzug des österreichischen EU-Kontingents vom Golan?
❙ Der Begriff Verstimmung ist übertrieben. Das Treffen mit Verteidigungsminister Lieberman verlief in einer durchwegs freundlichen Atmosphäre. Wir haben über die Situation am Golan gesprochen: Ich habe auch offen erklärt, dass der Abzug in der Beurteilung zwar richtig war – aber die Art und Weise, wie er gemacht worden ist, war sicher falsch. Denn in solchen Situationen sollte man ein verlässlicher Partner sein. Das erwarten wir auch, wenn wir bestimmte Vereinbarungen treffen, und das wird auch von uns erwartet.

Welche Erwartungen haben Sie an den neuen US-Präsidenten?
❙ Das muss man nüchtern und pragmatisch beurteilen, was tatsächlich passiert. Nicht alles, was vor den Wahlen in einer Extremform angekündigt wird, geschieht dann auch. Man muss jetzt abwarten, wie die Politik, insbesondere die Außen- und Sicherheitspolitik, in den USA ausgerichtet wird. Erst dann kann man das beurteilen.

„Man kann isoliert keine Maßnahmen treffen– das gilt sowohl für Europa als auch für Österreich.“

Sie sehen nicht die Verunsicherung, über die man in Europa jetzt spricht? Muss Europa nicht doch näher zusammenrücken?
❙ Das würde grundsätzlich nicht schaden, das haben wir ja in den letzten Monaten im Bereich der Migration gesehen, aber auch bei vielen anderen Problemstellungen. Das hat gar nicht so viel mit der Wahl in den USA zu tun, es wäre ein grundsätzlicher Wunsch in Europa, dass man sich besser akkordiert, näher rückt und besser abstimmt.

Welche Konsequenzen sehen Sie in der Sicherheitspolitik Europas?
Wird sich Österreich, Europa nicht gezwungen sehen, mehr für seine eigene Sicherheit zu tun?
❙ Wenn Europa dadurch gezwungen wird, mehr zu tun, kann ich das nur begrüßen.

Die Idee einer eigenen EU-Armee wurde hierzulande großteils mit Ablehnung bedacht. Wie stehen Sie dazu?
❙ Da gibt es zwei Ebenen: einerseits den dezidierten Vorstoß von Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien im Rahmen der GSVP, also der „Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ *, die eine engere Zusammenarbeit vorsieht. Da gibt es durchaus Schritte, bei denen wir mitgehen können. Andererseits ist die EU-Armee jedoch für uns nicht vorstellbar, das lehnen wir im Rahmen unserer Neutralität ab.

Zurück zu Israel: Wird die Aufrüstung im Cyber-Bereich kostenintensiv?
❙ Ja, sicher wird das auch kostenintensiv, weil das Personal sehr gut ausgebildet werden muss. Da wird man sich einiges überlegen müssen, denn das wird nicht so einfach mit unserem Beamtendienstschema in Einklang zu bringen sein. Wir wollen ja bis 2020 bis zu 350 zusätzliche IT-Fachkräfte in die Cyber Defense aufnehmen und in der ersten Phase dort 46 Millionen investieren.

Vor Ihrer Ernennung zum Verteidigungsminister wurden Sie österreichweit bekannt, weil Sie während der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 mit Ihren besonnenen, wenig aufgeregten Aussagen aufgefallen sind. Zuletzt hat sich Ihr Image ziemlich verändert. Wie kommen Sie damit zurecht, dass Sie jetzt sozusagen in die „rechte Ecke der SPÖ“ gedrängt werden?
❙ Ich würde das gar nicht so beurteilen, denn ehrlich gesagt war die Situation im letzten Jahr so, dass es aus pragmatischer und rechtlicher Sicht gar nicht möglich war, anders zu handeln. Ich bin auch nicht im „rechten“ Eck der SPÖ, sondern erhalte viel Zuspruch aus der Bevölkerung und aus der Partei. Das freut mich auch sehr und bestärkt mich in meinem Handeln.

Und war Ihr Handeln letztes Jahr auch richtig?
❙ Ja, es war richtig, denn man muss alles auf einer rechtlichen Basis beurteilen und dabei vor allem das Prinzip der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen.

Ihr Image in der Öffentlichkeit hat sich aber verändert.
❙ Ich glaube, ich bin damals als lösungsorientiert wahrgenommen worden, und genau das ist auch jetzt meine oberste Handlungsmaxime. Probleme anpacken und pragmatisch lösen. Ich wiederhole mich gerne: Es gab vergangenes Jahr keine anderen Handlungsoptionen. Die Regierung wurde auch im Nachhinein vom Verfassungsdienst in ihrer Abwicklung bestätigt. Es war damals richtig, was gemacht wurde, und es ist jetzt richtig, wie ich als Verteidigungsminister agiere.

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